Ukraine, Gaza, Migration: Trump setzt Dinge in Bewegung, wo andere bremsen

Donald Trump hat produktive Unruhe angekündigt. Und er liefert sie, egal ob bei den Konfliktherden Ukraine und Gaza, in den US-Beziehungen zu Grönland, Mexiko oder Kanada. Brisant sind direkte US-Gespräche mit der Hamas und den innenpolitischen Konkurrenten von Wolodymyr Selenskyj.

IMAGO / ABACAPRESS

Es ging ja kaum um Außenpolitik. Die deutschen Kommentatoren waren verblüffenderweise erstaunt. Denn eine State of the Union-Rede handelt ganz gewöhnlicherweise viel weniger von der Außen- als von der Innenpolitik. In dieser Rede hat Präsident Donald Trump allerdings auch angekündigt, das Tempo seiner Regierung nicht zu drosseln: „Wir fangen erst an“, lauteten seine Worte – fast schon eine Drohung an die andere Seite des Kongresses. Der Ankündigung lässt das Weiße Haus nun quasi synchron Taten folgen, auch in der Außenpolitik.

Zum einen geht es weiter im Friedensprozess zwischen der Ukraine und Russland. Man kann das durchaus einen Friedensprozess nennen, auch wenn viele im Westen heute lieber dem Frieden den Prozess machen wollen. Im Weißen Haus sieht man das bekanntlich anders. Die Trump-Regierung hat nun den Kontakt zu innenpolitischen Konkurrenten von Wolodymyr Selenskyj gesucht, um auch die Möglichkeit baldiger Wahlen in dem Land zu erörtern. Das klingt erst einmal, als wolle man Einfluss auf die ukrainische Politik nehmen. Allerdings sind die USA auch so schon in selbige verstrickt: Die Biden-Regierung hatte Selenskyj auch ohne Neuwahlen gestützt. Sein Mandat als Präsident ist letztes Jahr abgelaufen. Nur das Kriegsrecht und das Argument, dass viele Männer an der Front und zahlreiche Flüchtlinge im Ausland sind, stützen ihn.

Das Trump-Team sprach mit der Oppositionsführerin Julia Tymoschenko – die mitunter als „erbarmungslos ehrgeizig“ beschrieben wird – und mit Vertretern des Ex-Präsidenten Petro Poroschenko. Nur das Ergebnis der Gespräche ist nicht bekannt.

Aber Poroschenko hat seine Gespräche mit den US-Vertretern inzwischen so begründet, dass er und seine Partei sich „wiederholt öffentlich über die mangelnde Kommunikation der Regierungsmannschaft mit der US-Regierung geäußert“ hätten und dass dies „eine Gefahr für den Staat“ darstelle. Trotzdem gehört auch Poroschenko zur Frieden-durch-Stärke-Fraktion. Man habe mit den USA stets über „Waffen, Geheimdienste, Sanktionen gegen Russland, finanzielle Unterstützung, demokratische Resilienz (Freiheit und Demokratie), transatlantische Einheit“ geredet. Auch sei man „standhaft gegen Wahlen während eines Krieges“. Die Ukraine muss offenbar mit Selenskyj überleben oder untergehen. Und Selenskyj wird sich an die Idee eines Friedensschlusses gewöhnen müssen – auch wenn Russland seinen Vorschlag eines Waffenstillstands umgehend abgelehnt hat. Und die EU kann sich nicht auf eine Position zur Ukraine einigen: Viktor Orbán verweigerte einer Erklärung seine Zustimmung. Aber die EU will laut Ursula von der Leyen nun nicht nur sich selbst, sondern auch die Ukraine schützen.

Direkte Ansage an die Hamas – Israel ist informiert

Derweil hat Trump sich auch im zweiten großen Konflikt unserer Tage stärker engagiert als sein Vorgänger in mehr als einem Jahr. Es geht auch dabei Schlag auf Schlag: Über ausgewählte Kanäle lässt Trump direkt mit der Hamas verhandeln, was aufgrund der Einstufung der Gruppe als Terrororganisation bisher vermieden wurde. Trump hält es für notwendig und teilt der Gruppe mit, sie müsse sofort alle 24 lebenden Geiseln freilassen und die Leichen der wohl 35 Toten übergeben – „oder es ist vorbei mit euch“. Vier der toten Geiseln waren auch US-Amerikaner, daneben eine lebende Geisel. Auf Truth Social und X wurde ein Statement Trumps veröffentlicht:

„‚Schalom, Hamas‘ bedeutet ebenso Hallo und Auf Wiedersehen – Sie haben die Wahl. Lassen Sie alle Geiseln jetzt frei, nicht später, und geben Sie sofort alle Leichen der Menschen zurück, die Sie ermordet haben, oder es ist für Sie VORBEI. Nur kranke und verdrehte Menschen behalten Leichen, und Sie sind krank und verdreht! Ich schicke Israel alles, was es braucht, um die Sache zu beenden. Kein einziges Hamas-Mitglied wird sicher sein, wenn Sie nicht tun, was ich sage.“

Trump fährt fort, dies sei die „letzte Warnung“ für die Hamas. Für deren Führung sei es „Zeit, den Gazastreifen zu verlassen“. Wenn die Hamas aber die Geiseln nicht freigebe, „seid ihr TOT!“ Trump wünscht sich eine „kluge Entscheidung“ von der Hamas-Führung.

Zuvor hatte Trump einige der überlebenden Geiseln getroffen, was wohl zu seiner Entschlossenheit beigetragen hat. Laut der Hamas „komplizieren“ übrigens Trumps Worte die mögliche Vereinbarung eines Waffenstillstands, weil Israel ermutigt werde, sich „seinen Verpflichtungen zu entziehen“. Die Trump-Sprecherin Karoline Leavitt sagte, man habe sich mit Israel vorab beraten, was Netanjahu bestätigte. Es wird interessant sein, ob Trumps klare Worte eine ähnliche Neuordnung des Feldes bewirken können wie schon im Fall der Ukraine, wo nun – plötzlich – doch einige nach Wegen zu Waffenstillstand und Frieden suchen, die so etwas zuvor weit von sich gewiesen haben. Vor allem könnte Trump seinen Worten aber auch wirklich Taten folgen lassen.

Grönland: Es bleibt dabei, aber mit etwas Freiwilligkeit

Entschiedenheit fehlt ihm aber auch sonst nicht. Laut seiner Rede vor dem Kongress bleibt es bei seinem Vorhaben, Grönland an die USA anzuschließen. Nun hat Trump eingefügt, dass die Grönländer sich natürlich frei entscheiden können, ob sie dem amerikanischen Bund beitreten wollen oder nicht. Es bleibt bei Trumps Optimismus, er werde sein Ziel „auf die eine oder andere Weise“ erreichen. Außerdem rief er den Grönländern schon in seiner State-of-the-Union zu: „Wir werden Sie schützen. Wir werden Sie reich machen, und zusammen werden wir Grönland zu Höhen führen, die Sie vorher nie für möglich gehalten haben.“ Die Bevölkerung sei sehr klein, das Land aber sehr groß und wichtig für die Vereinigten Staaten.

Bildungsföderalismus

Früh hatte Trump angekündigt, dass er mit Beginn seiner Amtszeit das Bildungsministerium auflösen werde. Er führt damit etwas ein, was wir in Deutschland kennen: den Bildungsföderalismus. Die Bundesstaaten sollen nun für das Schulsystem zuständig sein, denn schlechter als der Bund könne man es nicht machen, so Trump. Die USA gäben mit am meisten pro Schüler aus, doch die Ergebnisse sind anscheinend nicht danach, jedenfalls nicht in staatlichen Schulen. Nun bekommen die amerikanischen „Länder“ ihre Chance.

Daneben haben schon jetzt zehntausende Bundesangestellte ihre Jobs verloren, teil gegen Abfindung. Es ist wie in allen Groß-Staats-Bünden: Je weiter eine Behörde von den Bürgern ist, desto mehr eignet sie sich zur Aufblähung und zur Postenversorgung für Gefolgsleute aller Art. DOGE machte damit schrittweise Schluss, auch wenn Trump klargestellt hat, dass Elon Musk selbst keine Vollmacht zur Entlassung von Staatsdienern hat.

Zölle als Druckmittel

Und zuletzt zeigt sich, was TE früh festgestellt hat: Die Zölle gegen Mexiko und Kanada sind vor allem Druckmittel, um eine Anpassung der Politik in beiden Nachbarländern und deren Zusammenarbeit zu bekommen. Weil Kanada und Mexiko Zugeständnisse in Sachen Grenzschutz und Bekämpfung des Drogenhandels gemacht haben, schiebt Trump die meisten Zölle bis zum 2. April auf: „Unsere Beziehungen sind sehr gut, und wir arbeiten gemeinsam hart an der Grenze, um illegale Einwanderer an der Einreise in die Vereinigten Staaten zu hindern und auch um Fentanyl zu stoppen“, schrieb Trump über sein Verhältnis zur mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum Pardo. „Vielen Dank an Präsident Sheinbaum für Ihre harte Arbeit und Ihre Kooperation!“ Kanada muss noch einige Zölle mehr hinnehmen, weil Trudeau nicht so weit ging wie Sheinbaum.

Vielleicht auch eine Folge von Trumps deutlichen Ansagen: Im Februar sank die illegale Einwanderung in die USA auf einen historischen Tiefstand – bei Trump natürlich „aller Zeiten“. Richtig bleibt: Gegenüber der Ära Biden, die mit 300.000 illegalen Zuwanderern pro Monat aufwartete, kann Trump mit nur 8.326 Zuwanderern im Februar auftrumpfen. Und dabei herrscht an der Südgrenze der USA derzeit kein strenges Winterwetter. Es ist also ein wirkliches Minimum, zweifellos der positiven Art für Trumps Anhänger und Wähler.

Zudem seien auch die wenigen illegalen Grenzübertreter entweder umgehend wieder ausgewiesen oder strafrechtlich verfolgt worden. „Die Grenze ist dicht“, triumphiert das Weiße Haus auch offiziell via X.

In der Tat zeigen auch unabhängige Daten den Tiefststand an. So veröffentlicht das Internet-Medium Axios einen Graphen, der zeigt, dass nur die erste Amtszeit Trumps ähnliche Tiefstände mit sich brachte. Allerdings gab es auch einen gewaltigen Anstieg der Zahlen vor dem Jahr 2020, der zeigt, dass schon damals auch ein Backlash möglich war.

— The White House (@WhiteHouse) March 1, 2025

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