Dies sind die Folgen der Rumänien-Wahl

Der Nationalist George Simion gewinnt spektakulär die erste Runde der rumänischen Präsidentschaftswahl. Es dürfte das Ende der Regierungskoalition und der Mainstream-Politik in Rumänien bedeuten.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Vadim Ghirda

Falls die Stornierung der rumänischen Präsidentschaftswahl im vergangenen Dezember die Mainstream-Parteien retten sollte: Das ging daneben. In der ersten Runde der nun am Sonntag wiederholten Wahl siegte der von den Medien als „ultrarechts“ bezeichnete Kandidat George Simion, Chef der AUR (Allianz für die Union der Rumänen) mit 41 Prozent der Stimmen so deutlich, dass er auch für die Stichwahl am 18. Mai der aussichtsreichste Kandidat ist. Umfragen vor der Wahl hatten ihn nur bei etwas über 30 Pozent gesehen.

Crin Antonescu, der Kandidat der Regierungskoalition aus den Altparteien PNL (Konservative), PSD (Sozialdemokraten) und UDMR (Partei der Rumänienungarn) schaffte es mit 20 Prozent der Stimmen nicht einmal in die Stichwahl. Stattdessen schob sich mit 21 Prozent der Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan an ihm vorbei. An vierter Stelle landete mit 13 Prozent Victor Ponta, ein früherer, seitdem aus der Partei ausgeschlossener Sozialdemokrat und einstiger Ministerpräsident, der sich für diese Wahl ganz neu erfunden hatte, als „Souveränist“.

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Falls nicht noch irgendwelche juristischen Winkelzüge folgen wie im vergangenen Dezember, als das Verfassungsgericht die bereits von ihm selbst validierte erste Runde der Wahl annulliert hatte (auf der Grundlage von Geheimdienstberichten, wonach Russland die Wahl manipuliert habe, was aber nicht schlüssig belegt werden konnte), so hat Simion gute Chancen, auch die Stichwahl zu gewinnen.

„Wenn Antonescu es in die Stichwahl schafft, kann er gewinnen – wenn aber Nicusor Dan in die Stichwahl kommt, gewinnt Simion, denn Dan ist zu schwach um zu gewinnen.“ Das hatte am Vortag der Wahl Hunor Kelemen, Chef der mitregierenden Ungarn-Partei UDMR (ungarisches Kürzel: RMDSZ), Tichys Einblick gesagt.

Für diesen Fall prophezeite Kelemen auch das Ende der Regierungskoalition und einen Wahlsieg der Rechten bei erneuten Parlamentswahlen. „Denn ein Sieg Simions würde bedeuten, dass die Regierungskoalition nicht mehr über ausreichend Unterstützung in der Gesellschaft verfügt.“
Tatsächlich kamen Simion mit 41 Prozent und seine beiden nächstplatzierten Rivalen Dan und Antonescu mit zusammengerechnet ebenfalls 41 Prozent auf ähnlich viele Stimmen. Aber der viertplatzierte Victor Ponta war inhaltlich mit ähnlich euroskeptischen und nationalistischen Positionen angetreten wie Simion, nur weniger glaubwürdig, als Ex-Sozialist mit einer skandalumwitterten Karriere, in der er unter anderem unter Korruptions- und Plagiatsverdacht stand.

Antonescu, der Vertreter der Regierungskoalition, weigerte sich, für einen der beiden Stichwahl-Kandidaten eine Wahlempfehlung auszusprechen. Ponta hingegen erklärte, er werde für einen der beiden aktiv Wahlkampf betreiben – sagte aber nicht, für wen.

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Nun wird es also in der Stichwahl darum gehen, ob Nicusor Dan, der als Unabhängiger angetreten war, seinen einen Vorteil ausspielen kann: Er gefällt Teilen der Diaspora, aber auch Anhängern der Altparteien und Systemkritikern, die sich nach einem weniger korrupten Land sehnen. Dan ist wie Simion ein Rebell wider das „System“, gründete 2010 die liberale Anti-Korruptionspartei USR, wurde aber von dort geschasst, als er entschied, politisch auf die Altparteien zuzugehen. Wenn es einen Kandidaten der EU-freundlichen „Mitte“ gibt in Rumänien, dann ihn. Er ist als Bukarester Bürgermeister dort sehr beliebt und wirbt mit dem Slogan: „Ein ehrliches Rumänien“. Da er aber außerhalb des Establishments steht und auch nicht im Strom nationalkonservativen Aufbegehrens mitschwimmt, ist sein Potential begrenzt.

Überwältigende Unterstützung erfuhr Wahlsieger George Simion von den Diaspora-Rumänien in Westeuropa, Russland und Moldau (aber nicht von jenen in den USA und Kanada). Als einziger der Kandidaten hatte er sich für eine Vereinigung Rumäniens mit Moldau ausgesprochen. Dort ist Rumänisch Landessprache, und der größte Teil des Landes gehörte bis 1945 zu Rumänien. Wiedervereinigung ist dort zwar kein Thema der Politik, der Gedanke genießt aber die Sympathie vieler rumänischsprachiger Moldauer. Freilich leben dort auch viele Russen und Ukrainer.
Simion hatte in der Vergangenheit auch betont, dass Teile der Ukraine historisch zu Rumänien gehören.

Er hat zudem die beträchtliche ungarische Minderheit in Rumänien (mehr als eine Million Menschen) gegen sich aufgebracht. „Im Programm der AUR steht bis heute, dass es auch in mehrheitlich ungarisch bewohnten Regionen keinen muttersprachlichen Unterricht mehr geben soll, nur gemischte Schulen“, sagt UDMR-Chef Hunor Kelemen.

Denkbar, dass Simion, einmal an der Macht, pragmatischere Positionen bezieht, aber „das möchte ich lieber nicht ausprobieren“, sagte Sándor Tamás, der Vorsitzende des mehrheitlich ungarisch bevölkerten Komitats Covasna, gegenüber Tichys Einblick.

Rumänien ist geopolitisch ein strategisch wichtiges Land, mit einer großen Nato-Basis im Osten des Landes, von wo aus die Ukraine logistisch unterstützt wird. Rumänien selbst hat in großem Umfang Waffen und Munition an die Ukraine geliefert.

Was nun? Erst die Stichwahl wird Klarheit bringen, wie es wohl weitergeht. Es scheint aber klar, dass viele Wähler mehr wollen als nur eine andere Partei an der Regierung, sie „wollen eine Systemänderung“, meint Sándor Tamás. Ein Grund seien wachsende Einkommensunterschiede zwischen Eliten und der Mehrheit der Rumänen.

Kandidat Călin Georgescu
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Ein solcher Systemwechsel würde dramatische Folgen für das Land haben, fürchtet Hunor Kelemen. „Rumänien würde in eine russisch beeinflusste Sphäre rutschen, das würde das Land um 30, 35 Jahre zurückwerfen.“ Rumänien, so sagt er, „war geopolitisch immer Peripherie, es ist aber nicht egal, ob man an der Peripherie des Westens ist, oder des Ostens“.

Ob das wirklich so kommt, bleibt allerdings abzuwarten: Simion hat sich ausdrücklich als Fan des US-Präsidenten Donald Trump bezeichnet, und sprach nur wenige Tage vor der Wahl von der Wichtigkeit starker transatlantischer Beziehungen.

Europapolitisch würde Rumänien unter Simion von einem der treusten Mitgliedsländer zu einem der größten Kritiker der EU werden. Das kann auch zu wirtschaftlichen Folgen führen – weniger Investitionen aus dem westlichen Ausland, Entzug von EU-Geldern.

Die Beziehungen zum ebenfalls EU-kritischen Ungarn dürften allerdings wegen der ungarnfeindlichen Positionen Simions schwieriger werden, von einem neuen „Block“ souveränistischer Länder im Osten der EU, bestehend aus Ungarn, der Slowakei und nunmehr Rumänien, kann also nicht unbedingt die Rede sein.

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Kommentare ( 22 )

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22 Comments
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Haba Orwell
13 Tage her

Woanders gelesen: „Wahlergebnis in Rumänien: Ministerpräsident tritt zurück“ – Die gesamte EUdSSR-Macht in Rumänien scheint zu bröckeln. Wenn ein kritischer Präsident gewinnt und es nicht „rückgängig gemacht“ wird – und vielleicht sogar noch Parlament-Neuwahl folgt, in der EUdSSR-Fans genauso verlieren… Ob das Brüsseler Imperium all das noch biegen kann? > Als einziger der Kandidaten hatte er sich für eine Vereinigung Rumäniens mit Moldau ausgesprochen. … Freilich leben dort auch viele Russen und Ukrainer. … Simion hatte in der Vergangenheit auch betont, dass Teile der Ukraine historisch zu Rumänien gehören. Er könnte sich mit Russland arrangieren – mit Moldau wiedervereinigen, allerdings… Mehr

schwarzseher
13 Tage her

Da wird die EU wieder eine Lösung finden, einen ihr nicht genehmen Politiker zu eliminieren. Wichtig ist nicht wie gewählt wird sondern wie gezählt wird.

Haba Orwell
13 Tage her
Antworten an  schwarzseher

Je nachdem, ob es die USA erlauben – oder die Trumpisten die Prioritäten komplett aus den Augen verloren haben? Die höchste Priorität müsste die Zerschlagung der Globalen Wokeness mit Klimagedöns und „you will own nothing“ haben – mit einigen Exzessen wie der Krieg gegen die Landwirtschaft: https://tkp.at/2025/05/02/globaler-krieg-gegen-die-landwirtschaft/

Edwin
14 Tage her

Da hätten sie in Brüssel mal lieber das Volk, statt die Wahl verboten.

O.K. kleiner Kalauer. Vermutlich wird die Wahl jetzt verboten, weil sie dieses Mal von den USA beeinflusst wurde (siehe Rede von J. D Vance auf der Münchner (Un-) Sicherheitskonferenz).

Immer mehr Osteuropäer wehren sich, weil sie nicht Revolution gemacht haben, um die UdSSR gegen die EUdSSR auszutauschen.

So traurig das klingt, die Hoffnung der echten Demokraten im Westen liegt im Osten.

kb
14 Tage her

So was jetzt wählen die Rumänen schon wieder nicht so wie sie sollen. Können die sich nicht mal ein Beispiel am Deutschen Michel nehmen. Also wirklich ! EU 😝😝😝

Berlindiesel
14 Tage her

Freunde Russland freuen sich zu früh, wenn sie in Simion einen kommenden Statthalter Moskaus erhoffen. Ich halte Simion weniger für russophil als für einen klassischen Nationalisten. Allgemein erleben wir auf dem Balkan eine allgemeine Renationalisierung, welche 1990 nur in Jugoslawien stattfand, nun aber im Rest Südosteuropas nachgeholt wird. In Rumänien wirkte Ceaucescu über seinen Tod insgern nach, als dass der Widerstand gegen ihn den zersplitterten Staat Rumänien einte. Die allgemein verhassten Zigeuner konnten weitgehend nach Deutschland abgedrängt werden. Doch das heutige Rumänien ist keine organisch gewachsene Nation, sondern, wie Ungarn, Überbleibsel der Trianon-Verträge nach dem 1. Weltkrieg, mit denen man… Mehr

NochNicht2022
14 Tage her

Zuerst heißt es einmal Abwarten: Es ist noch unklar ob diese Vorwahl anerkannt wird. Die Chancen stehen wohl nur 60:40 für ein „Ja“. Das Gleiche gilt dann auch für die Stichwahl nach dem Sieg von George Simion. Auch dann nur ein 60:40 …

Peter Pascht
14 Tage her

„Im Programm der AUR steht bis heute, dass es auch in mehrheitlich ungarisch bewohnten Regionen keinen muttersprachlichen Unterricht mehr geben soll, nur gemischte Schulen.“
AUR und George Simion auf den Spuren Ceausescus..
Dies war schon 1984 eine Entscheidung der ultatnationalistischen Ceausescu Diktatur in Bezug auf die deutsche Minderheit.
Im Endstadium der Ceausescu Diktatur 1984,
wurde der Unterricht in deutscher Sprache abgeschafft,
deutsche Zeitungen auf ein 4-Seiten Faltblatt reduziert,
die Finanzieung der deutschen und ungarischen Theater eingestellt.
Alles mit volle Zustimmung der rumänischstämmigen Bevölkerung.
An diesem xenophoben Geist hat sich bis heute nichts geändert in Rumänien, wie das Wahlergebnis beweist.

Peter Pascht
14 Tage her

In der Republik Moldau Dort ist Rumänisch Landessprache
und der größte Teil des Landes gehörte bis 1945 zu Rumänien.?
Geschichtlich korrekt, die Republik Moldau, einst Bessarabien, gehörte bis Juni 1940 zum Königreich Rumänien (König Carl von Hohenzollern-Sigmaringen), als es von Stalin anektiert wurde,
als Folge der Eigenmächigkeit Stalins aus dem Hitler-Stalin Pakt von 1939. Gemäß diesem Pakt stand ihm dieses Gebiet nich zu, was deswegen eine Ursachhe des 2WK war.

Manfred_Hbg
14 Tage her

Zitat(e): „Im Programm der AUR steht bis heute, dass es auch in mehrheitlich ungarisch bewohnten Regionen keinen muttersprachlichen Unterricht mehr geben soll, nur gemischte Schulen. (……………………………………………..). Die Beziehungen zum ebenfalls EU-kritischen Ungarn dürften allerdings wegen der ungarnfeindlichen Positionen Simions schwieriger werden“ > Mhh, was genau bedeutet hier „keinen muttersprachlichen Unterricht“? Bekommen die in Rumänien lebenden ungarischen Schulkinder die/ihre ungarische Sprache als Zweitsprache angeboten und das diese abgeschafft werden soll oder wird dort an den rümänischen Schulen die ungarische Sprache als Hauptsprache verwendet? Wenn an den rumän. Schulen die ungarische Sprache als Zweitsprache genutzt wird und abgeschafft werden soll, kann ich… Mehr

Peter Pascht
14 Tage her
Antworten an  Manfred_Hbg

„„Im Programm der AUR steht bis heute, dass es auch in mehrheitlich ungarisch bewohnten Regionen keinen muttersprachlichen Unterricht mehr geben soll, nur gemischte Schulen.“
George Simion auf den Spuren Ceausescus..
Dies war schon 1984 eine Entscheidung der ultatnationalistischen Ceausescu Diktatur in Bezug auf die deutsche Minderheit.
Im Endstadium der Ceausescu Diktatur 1984,
wurde der Unterricht in deutscher Sprache abgeschafft,
deutsche Zeitungen auf ein 4-Seiten Faltblatt reduziert,
die Finanzieung der deutschen und ungaischen Theater eingestellt.
Alles mit volle Zustimmung der rumänischstämmigen Bevölkerung.
An diesem xenophoben Geist hat sich bis heute nichts geändert in Rumänien, wie das Wahlergebnis beweist.

siebenlauter
14 Tage her

In Rumänien sitzt der Widerwille gegen eine erneute Diktatur sehr tief. Da ist man empfindlich, was die Brüsseler Unarten angeht.

Georgina
14 Tage her
Antworten an  siebenlauter

In Brüssel „regieren“ astreine, skrupellose Verbrecher.