Neues aus Münchhausen: Wolfram Weimer muss dringend zum TÜV

Alexander Wallasch hat den Fall Weimer ins Rollen gebracht. Und lässt nicht locker. Er schaut auf Weimers Lebenslauf mit fragwürdigen Titeln wie ‚bester Abiturient Hessens‘ und Preisen wie dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis – eine Spurensuche zwischen Fakten und Fiktion.

picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer wurde 2009 für fünf Jahre in den Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg („mabb“) gewählt. Anfang 2015 schied er aus dem Medienrat aus. Im Zusammenhang mit seiner Wahl 2009 hinterlegte Wolfram Weimer umfangreiche Eckdaten zu seinem Lebenslauf.



Um sicher zu gehen, befragten wir vorab den Medienrat, der telefonisch bestätigte, dass diese biografischen Daten „grundsätzlich von den Betreffenden selbst geliefert“ werden. 

Behauptet wird demnach von Weimer selbst, er wäre der beste Abiturient Hessens in seinem Jahrgang gewesen: „Abschluss: Abitur, Notendurchschnitt: 1,0 (Bester Jahrgangsabiturient Hessens)“. Diese Informationen tauchen in vielen biografischen Infos zu Weimer auf, wirken dort aber wie ein Echo von Weimer selbst.

Ein einziger Sumpf
Die neue Selbstverständlichkeit des Interessenkonflikts
Die Bezeichnung „bester Jahrgangsabiturient Hessens“ hat es ohne zugeordneten Beleg bis in Weimers Wikipedia-Artikel geschafft. Der Wikipedia-Artikel „Wolfram Weimer“ wurde erstmals im Juli 2005 angelegt, „Bester Jahrgangsabiturient Hessens“ kam hinzu und führte unter den Wikipedia-Autoren zunächst zu Diskussionen. 

In seiner 2023 veröffentlichten, ebenfalls umfangreichen Selbstdarstellung auf Weimers eigener Webseite taucht die Behauptung nicht mehr auf. Hier wird zudem auch auf die Erwähnung des 1er Abiturs verzichtet. Aus Bescheidenheit?

Fakt ist: Nach unseren Recherchen gibt es keine offizielle Rangliste für den „besten Jahrgang“ im Abitur 1983 in Hessen. Es gab keine zentrale Stelle, die eine jährliche Rangliste der besten Abiturjahrgänge in Hessen erstellte oder veröffentlichte. Das Abitur-System in Hessen war zu dieser Zeit dezentral organisiert, ohne zentrale Veröffentlichung der Bestnoten auf Landesebene.

Die Bewertung basierte 1983 auf Noten von 1 bis 6. Die Durchschnittsnoten lagen damals bei ca. 2,5–2,8 (basierend auf KMK-Statistiken ab 1970), und eine perfekte 1,0 war rar, aber durchaus nicht einzigartig. Ohne zentrale Meldung war es unmöglich, „den Besten“ landesweit festzustellen – es sei denn, eine Schule oder Zeitung hätte alle Noten verglichen, was unwahrscheinlich ist.

Dieses Durcheinander weckt allerdings Begehrlichkeiten, sich das Abitur-Zeugnis von Weimer einmal näher anzuschauen.

Der dem Berlin-Brandenburger Medienrat von Weimer 2009 zur Verfügung gestellte Lebenslauf führt zudem Preisauszeichnungen auf, die lohnen, genauer angeschaut zu werden. Hat Wolfram Weimer diese Preise wirklich bekommen?

Stipendien/Auszeichnungen

  • 1983-1989 Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 1986 Leistungsstipendium der American University
  • 1998 Forschungsstipendium des John F. Kennedy-Instituts in Berlin
  • 1992 Hanns-Martin-Schleyer-Preis
  • 1993 FGH-Publizistikpreis
  • 2001 SWR-Medienpreis Hans Bausch
  • 1991 Promotion: Die Kontroverse um die Bank of North America,Magna cum laude
  • 2002 World Newspaper Award
  • 2004 „Journalist des Jahres“
2007 „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig

Ein Lobbyist benutzt ein Staatsamt
Wie Wolfram Weimer sein Ministerium vermarktet
Der Hanns-Martin-Schleyer-Preis etwa wurde 1992 nicht an Weimer, sondern an Birgit Breuel, die ehemalige niedersächsische Ministerin und Chefin der Treuhandanstalt, verliehen, die sich mit der Privatisierung in Ostdeutschland beschäftigte. Wie kam Weimer also zu dieser Behauptung, die sich seit Eröffnung seiner Wikipedia-Seite im Juli 2005 auch in seinem Wikipedia-Artikel befand, bis sie 2007 gestrichen wurde?

Der ersteintragende anonyme Autor des Weimer-Artikels ist ebenfalls erst seit diesem Zeitpunkt in Wikipedia tätig gewesen.

Tatsächlich erhielt Wolfram Weimer 1992 einen Preis, aber dabei handelte es sich um den „Friedwart Bruckhaus-Förderpreis“ der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung. Weimer und eine weitere Autorin wurde der Preis zum Thema „Totalitarismus in Deutschland: Folgen und Bewältigung gestern und heute“ verliehen.

Ein unhaltbarer Zustand
Wolfram Weimer kann sein Amt nicht länger ausüben
Die Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung bestätigt auf Anfrage, dass es sich um zwei ganz unterschiedliche Auszeichnungen handelt, die entsprechend veröffentlicht werden: Der Preis, den Weimer erhalten hat, ist nicht der Hanns-Martin-Schleyer-Preis. Letzterer wird prominenten Persönlichkeiten verliehen, während der Friedwart Bruckhaus-Förderpreis ein Förderpreis für den Nachwuchs ist.

Kommen wir zu „Journalist des Jahres“. 2004 war das Frank Schirrmacher. Und so wird es auch vom veranstaltenden Magazin auf der Titelseite der Festschrift angezeigt. Allerdings wurde auch Wolfram Weimer neben 74 weiteren Journalisten 2004 vom Medium Magazin ausgezeichnet – hier in der Kategorie „Newcomer“. Auf dem Frank-Schirrmacher-Titelbild lautet die Schlagzeile zum damaligen FAZ-Herausgeber: „Der Journalist des Jahres“.

Und dann steht da bei Weimer unter Auszeichnungen noch: „2002 World Newspaper Award“. Der Preis ist nicht so einfach verifizierbar. Ein Phantompreis? Aber wenn, dann wird er eher an Zeitungen verliehen, als an einzelne Individuen. Hier kann nur Weimer selbst klären, welche Trophäe er meint, in der Vitrine stehen zu haben und ob er womöglich den „European Newspaper Award“ meint, „world“ dann eindrucksvoller klang, aber auch hier ist für 2002 kein Weimer vermerkt.
Korrekt ist hingegen, dass Wolfram Weimer 2007 gemeinsam mit zwei weiteren Personen den Medienpreis der Leipziger Sparkasse bekommen hat und nicht den Medienpreis der Weltbank, was Weimer aber auch nie behauptet hat.

Geltungssucht statt Substanz
Wer ist Wolfram Weimer – und wenn ja, wie viele?
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass hier dasselbe Prinzip wirkt wie beim Hauptmann von Köpenick, der war auch dort tätig, wo er angab zu sein, beim Militär, aber eben als Gefreiter und nicht als Hauptmann. Und so ist es bei Weimer auch mit seinen „Autoren“ bei TheEuropean. Es gibt sie ja tatsächlich. Es gibt Brad Pitt, Plagiatsjäger Weber, Alice Weidel und den Papst, aber eben nicht wissentlich als „Autoren“ bei Wolfram Weimer, er hat sich ihrer ermächtigt.

Nein, Weimer erfindet nichts komplett, aber sein Mofa, mit dem er durch die Welt und ins Ministerium knatterte, hat deutlich ein paar Zacken zu viel am Ritzel, will unbedingt so schnell fahren wie die Enduros der großen Jungs – notfalls muss die Erdkugel eben selbst für ein paar Drehungen gegen Weimers Laufrichtung geschraubt werden.

Und auch für Weimers drei Söhne liegen bereits Paradeuniformen – aka Fantasiejobs – bereit, dazu aber in einem Folgeartikel mehr.

Der Beitrag ist zuerst erschienen auf dem Blog von Alexander Wallasch erschienen.

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Kommentare ( 44 )

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Kimba
18 Tage her

Vielen Dank, dass Sie dran bleiben.

Sind schon gespannt auf die CVs/Jobs des Nachwuchses, vllcht geben sie ja zukünftige Errungenschaften mit an,
zB Master als Europabester 2027,
Nobelpreis Physik 2031 oder
CEO Rheinmetall 2028-2034 usw.
Wäre nicht mal gelogen, höchstens über die Maße kreativ und flux ein stattlicher CV.
Warum die Traumtänzerei nicht auf heute abdiskontieren? Wer braucht noch Lügen oder altbacken Pimp-my-CV?

Manfred_Hbg
18 Tage her

Beim lesen kam mir der Gedanke, „so wie hier Weimer (CDU) in (s)einer Phantasie- und Traumwelt am leben ist, genau so sind diese Träumer dann auch am „regieren“. “
Fehlt nun eigentlich nur noch, dass auch Weimer ein Buch geschrieben hätte und hier dann auch mit Plagiate aufgefallen/-flogen wäre…..

Abraxas1609
18 Tage her

Das ist Journalismus! Den Mächtigen kritisch auf die Finger schauen und hinterfragen, ob alles sein kann, was sie vorgeben!
Weimer ein Blender? Bitte mehr davon!

Otto Normal
18 Tage her

Wenn einer im TV seriös rüberkam (als ich noch fernsah), dann war es Weimer. So eine Köpenickade hätte man ihm am wenigsten zugetraut. Schade.

Till Eulenspiegel
18 Tage her

Immerhin ist Wolfram Weimer mit seiner politisch-ideologischen Einstellung das genaue Gegenteil von Claudia Roth.

Last edited 18 Tage her by Till Eulenspiegel
Otto Normal
18 Tage her
Antworten an  Till Eulenspiegel

Er hat intellektuell schon was auf dem Kasten, das muss man ihm bei aller aktuellen Kritik lassen. Sonst hätte er es gar nicht bis nach oben geschafft. Die Fallhöhe macht die Causa gerade interessant.

verblichene Rose
18 Tage her

Sparkassenpreis. Manche Leute fangen so an. Mich erinnert das eher an abgehalfterte Sänger, die zum Schluss hin lediglich noch auf Betriebsfesten, oder Baumarkteröffnungen auftreten.
Kommt am Ende beides aufs Gleiche heraus.

PapaAN
18 Tage her

Ja, ja, im BDAZ (besten Deutschland aller Zeiten) sind die Blender die neuen Heiligen! Und die vierte Gewalt kapituliert bzw. spielt das Spiel der Faschisten mit. GerMoney has fallen – hat fertig!

ceterum censeo
18 Tage her

Bei dem ganzen Lügengebäude, was sich um Weimer spannt sei die Frage erlaubt, ob es Wolfram Weimer tatsächlich gibt oder auch nur eine Lüge ist?

Warte nicht auf bessre zeiten
19 Tage her

Ach, wie wird mir das Herz warm. Dass ich das noch erleben darf. Wie vielen solcher Gestalten bin ich an der Uni während Studium und Job begegnet. Sie gingen ihren Weg, immer weiter und höher. Sie waren so lächerlich, aber fielen nicht weiter auf unter all den anderen lächerlichen Gestalten. Sie waren so armselig, aber strahlten immer. Und irgendwann glaubten sie sich selbst.

verblichene Rose
19 Tage her

Sehr geehrter Herr Wallasch. Solche „Preise“ gelten nur in bestimmten, tumben Kreisen etwas. Das muß man Ihnen sicherlich nicht erzählen. Ich kannte mal einen Chirurgen, der extra nach Brasilien reiste, um dort Zertifikate zu erwerben, die allesamt dann in seiner Praxis an der Wand hingen. Alle auf Portugiesisch, aber sie machten was her mit all ihren Lorbeer- und Kronenverzierungen in Gold, Silber und Bronze 😉 Und schwupps, nannte er sich fortan Schönheitschirurg. Übrigens eine nicht geschützte Berufsbezeichnung… So beurteile ich dann auch die meisten unserer Politiker. Tuten, blasen und klatschen können/dürfen sie alle. Nur Ahnung haben sie davon keine. Und… Mehr