Kommt die Inflation?

Nicht nur die Staaten Südeuropas sind hochverschuldet. Auch die Banken. Ein großer Teil schreibt rote Zahlen. Sie sind vollgesaugt mit faulen Krediten, die nicht mehr ausreichend bedient werden. Mancher spricht schon von Zombiebanken.

© Daniel Roland/AFP/Getty Images

Mario Draghi, der EZB-Chef, hat sich ein Inflationsziel von 2 Prozent gesteckt. Das ist für jemanden, dessen Auftrag es ist, für Geldwertstabilität zu sorgen, eigentlich ein Armutszeugnis. Denn in 30 Jahren verliert das Geld dann fast die Hälfte seiner Kaufkraft. Draghi macht die Menschen zwangsweise arm. Sie müssen dagegen anarbeiten. Entweder sie werden in ihrem Job befördert, verhandeln individuell mit ihrem Chef um eine Gehaltserhöhung oder lassen dies die Tarifparteien für sich machen. Letztere blasen aktuell die Backen auf. Die IG Metall geht mit Gehaltsforderungen von 6 Prozent in die Tarifverhandlungen und will, dass Arbeitnehmer in eine 28 Stundenwoche flexibel wechseln können, um zum Beispiel einen Angehörigen pflegen zu können. Damit die Gehaltseinbußen nicht zu hoch sind, soll es einen Zuschuss des Arbeitgebers obendrauf geben. Selbstverständlich sollen die Arbeitnehmer später wieder zur 35-Stundenwoche zurückkehren können. Ob das die IG Metall durchsetzen kann, wird sich zeigen. Die Forderung macht aber klar, dass die Gewerkschaften oberhalb des Produktivitätsforschritts einen Abschluss erzielen wollen.

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Sehr wahrscheinlich wird ihnen das gelingen. In den meisten Regionen Deutschlands herrscht akuter Fachkräftemangel oder sogar Vollbeschäftigung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten war noch nie so hoch. Handwerker vertrösten einen auf das nächste Jahr, weil sie mit der Arbeit nicht nachkommen, und vor allem der Markt für Mitarbeiter leergefegt ist. Aber auch Lastwagen- oder Gabelstablerfahrer sind fast nicht zu bekommen. Die Konjunktur in Deutschland läuft auf Hochtouren. In diesem Jahr rechnen die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung mit 2 Prozent Wachstum, im nächsten Jahr mit 2,2 Prozent. Im 3. Quartal dieses Jahres alleine wuchs die Wirtschaft um 0,8 Prozent.

Vor diesem Hintergrund kann man erwarten, dass die Lohn-Preis-Spirale anziehen wird. Arbeitnehmer werden sich bei Lohnverhandlungen stärker durchsetzen können, weil die Arbeitgeber gar keine andere Wahl haben, als mit den Löhnen nach oben zu gehen, um ihre Aufträge abzuarbeiten. Doch sie werden dies an ihre Kunden weitergeben. Insbesondere im Handwerk ist das zu spüren.

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Dies wird zwangsläufig auf die Inflationsrate Auswirkungen haben. Zwar geht die EZB in ihrer Prognose noch davon aus, dass die Inflation im Euroraum in diesem Jahr um 1,5 Prozent und im nächsten Jahr um 1,6 Prozent steigt, doch Mario Draghi wird wahrscheinlich viel schneller den „Erfolg“ seiner Geldpolitik vermelden können. Er wird dies mit gemischten Gefühlen realisieren. Denn seine derzeitige Begründung für sein QE-Programm zum Ankauf von Schulden der Eurozone ist ja gerade, dass die Zielinflationsrate von 2 Prozent nicht erreicht wird. Letztlich dient das Programm, das bis September 2018 2,55 Billionen Euro aus dem Nichts produziert, und die Notenbankbilanz der EZB innerhalb von 10 Jahren um 450 Prozent aufgebläht hat, dazu, die Schuldenstaaten, Unternehmen und Banken günstig zu finanzieren und damit über Wasser zu halten.

Das gelingt derzeit noch. Doch das Beispiel Italien zeigt, dass dies ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Gerade wieder wurde dort ein neuer Schuldenhöchststand von 2,28 Billionen Euro gemeldet. Gleichzeitig hat Italien noch nie so wenig für diese Schulden bezahlt. Die 10-jährige Staatsanleihe rentiert mit 2,11 Prozent (September 2017). Das ist weniger als die vergleichbare Staatsanleihe der USA. Sie rentiert aktuell mit 2,37 Prozent. Doch nicht nur die Staaten Südeuropas sind hochverschuldet. Auch die Banken sind es. Ein großer Teil schreibt rote Zahlen. Sie sind vollgesaugt mit faulen Krediten, die nicht mehr ausreichend bedient werden. Mancher spricht schon von Zombiebanken. Gerade dieser Umstand hat dazu geführt, dass der Inflationsdruck bisher gering war. Bislang haben der Verfall des Ölpreises, die Digitalisierung und der wachsende Welthandel die offizielle Inflationsrate niedrig gehalten. Dazu kam, dass die Konjunktur in Südeuropa nicht in Gang kam. Dies lag in erster Linie an den Zombiebanken. Sie hielten sich mit Kreditvergaben zurück, weil sie die hohen Wertberichtigungen ihrer Kreditportfolien fürchten.

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Doch wenn jetzt die Inflation in Deutschland besonders ansteigt und die übrigen Staaten der Eurozone mitzieht, was sich derzeit abzeichnet, dann kommt die Inflation in Fahrt und die Begründung Draghis für eine Fortsetzung seines QE-Programmes entfällt. Er steckt daher in einem Dilemma. Leitet er im Euroraum die Zinswende ein, dann gehen die Zombiebanken und die Zombieunternehmen pleite. Macht er dies nicht, dann nimmt die Überhitzung der Konjunktur in Deutschland und anderen Eurostaaten überhand und befeuert die Inflation zusätzlich. Inflation ist dann wie der Ketchup in der Flasche. Wird sie geöffnet, dann dauert es, bis die rote Soße aus der Öffnung kommt. Doch wenn die träge Masse erstmal in Bewegung ist, dann ist sie meist nicht mehr aufzuhalten.

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Kommentare ( 10 )

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Leo M
6 Jahre her

„In den meisten Regionen Deutschlands herrscht akuter Fachkräftemangel oder sogar Vollbeschäftigung.“
Wie darf ich diesen Satz verstehen?
Und der deutsche Arbeitsmarkt sieht meiner Kenntnis nach alles andere als rosig aus; das „Jobwunder“ von Gerhardt Sacklos Schröder fand nur und ausschließlich im Niedriglohnsektor statt, Ausbildungsplätze in den wichtigen (handwerklichen) Berufen bleiben unbesetzt, während der Großteil der jungen Leute irgendwas ganz tolles wie „international business management“ studiert und die Flüchtlinge kein Deutsch können, wie will man diese Menschen vermitteln?
Insgesamt 6mio. Hartz IV- Empfänger (ohne Flüchtlinge) und die Rede ist von Vollbeschäftigung … könnte fast von Draghi selbst kommen.

Martin
6 Jahre her

Die offizielle Inflationsrate ist Irreführung. Für die meisten Bürger sind Wohn- und Energiekosten der größte Ausgabeposten. Bei Mieten ist die durchschnittliche Teuerung nur deshalb relativ niedrig, weil die bestehende Gesetzgebung einen freien Markt verhindert. Wer dagegen umziehen muss, den trifft die Teuerung mit voller Wucht. Die Teuerung für Strom ist ausreichend bekannt. Wer privat krankenversichert ist kann die Teuerung schon seit vielen Jahren mitverfolgen, 5% pro Jahr sind das mindestens. Auch dieser Posten ist ein signifikanter, für Viele die #2 der unvermeidbaren Ausgaben, weil auch hier die Gesetzgebung eine relativ ausweglose Situation geschaffen hat. Der Teuerung sollte man auch die… Mehr

sidious_
6 Jahre her

Natürlich ist die Inflation längst da. Ist ja nur eine Frage der Bemessung und der entsprechenden Interpretation.

Martha Mühlberger
6 Jahre her
Antworten an  sidious_

Die Inflation sehe ich täglich beim Einkaufen, aber Lebensmittel gehören ja nicht in den Inflationstopf, leider muss ich die jeden Tag kaufen.

Old_Europe_61
6 Jahre her

„…dann kommt die Inflation in Fahrt und die Begründung Draghis für eine Fortsetzung seines QE-Programmes entfällt.“ Das ficht doch Draghi nicht an. Sein Universaltotschlagsargument, das weder verfiziert noch falsifiziert werden kann, ist, dass „der Transmissionsriemen zwischen Kreditinstituten und der Wirtschaft (Südeuropas) gestört“ sei. Also müsse die EZB die Zinsen immer weiter senken, Unternehmensanleihen aufkaufen und die QE Orgie weiter ausweiten. Für die Deutschen kann es schnell bitter werden, wenn bei Negativzinsen eine Inflationsrate von 5-10% herrscht. Bei früheren inflationären Tendenzen in der Bundesrepublik war der Spread von Zins minus Inflation stets deutlich positiv, eine Enteignung der Ersparnisse fand nicht statt.… Mehr

Aegnor
6 Jahre her

Wie schon hier öfters geschrieben wurde geht es bei Draghis Programm im Endeffekt nur darum Südeuropa den Bankrott zu ersparen. Alles andere ist nur Feigenblatt. Wenn es dabei zu hoher Inflation kommt, ist das den Südeuropäern (und auch Draghi) zweitrangig. Die sind das gewohnt, haben jahrzehntelang damit gelebt und wissen wie man damit umgeht (Stichwort: traditionell hoher Anteil an Wohneigentum). Viel schlimmer wird es die Nordeuropäer und besonders die Deutschen treffen, die eben das nicht wissen. Denn deren Guthaben sind die Schulden der Südeuropäer. Hauptsache die Zinsen bleiben niedrig (als kurzfristige Lösung) und die Schulden werden weginflationiert (langfristige Lösung). Daher… Mehr

Wirtschaftfürdummys
6 Jahre her

Könnte mir hier bitte Einer folgende Frage beantworten:
Wen das BIP für 2017 in einer Währung errechnet und ausgedrückt wird mit 2,2% und im selben Jahr die Währungseinheit um 1,6% weniger wert wird, wie hoch ist das Wachstum wirklich?
Kann dann von einer Überhitzung gesprochen werden?

Mausi
6 Jahre her
Antworten an  Wirtschaftfürdummys

Da stellen Sie genau die richtige Frage. Deshalb ist es so wichtig sich nicht von nominalen Zahlenwerten blenden zu lassen, sondern die realen Zahlen anzuschauen. Wenn das BIP derzeit wächst, wird es eigentlich nur von der Geldflut der EZB und der künstlich befeuerten Wirtschaft aufgeblasen, ob da real irgendetwas wächst, bleibt abzuwarten.

Zahlensindsexy
6 Jahre her
Antworten an  Mausi

Hallo,
reale Zahlen für die geleisteten Arbeitsstunden:
http://vgrdl.de/VGRdL/tbls/tab.jsp?rev=RV2014&tbl=tab17&lang=
Wir werden für dumm verkauft!
MfG

Licht und Schatten
6 Jahre her

Nein Inflation wird nicht kommen.
Was auch immer kommt, bekommt einen neuen netteren Namen, den Dinge beim Namen nennen ist aus der Mode.

Es muss denglisch sein, es muss positiv sein, also irgendwie so was wie:
price boost
oder
less-is-more-bonus

Die werden uns schon das Ding irgendwie unterschieben