EZB: Das süße Gift des billigen Geldes

Die Politik der EZB, durch Anleihenkäufe und Nullzinspolitik die Erholung der Wirtschaft zu befördern, scheitert. Sie war die Ursache für die heutige Überschuldung des italienischen Staates, seiner Banken und Wirtschaft.

© Marco Secchi/Getty Images

Es wurde viel darüber geschrieben, berichtet und verkündet, dass alle Beteiligten die notwendigen Lehren aus der Euro-Schuldenkrise in Europa gezogen hätten. Selbst gutmeinende Beobachter müssen jedoch konstatieren, dass sich nach zehn Jahren in der Praxis nicht viel geändert hat. Zwar wurden neue Zuständigkeiten, neue Behörden, neue Regelungen geschaffen, doch dies alles scheint nur in der Theorie zu funktionieren. Am ersten Praxistest scheitert dies alles. Jüngst kann man das an der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi verfolgen.

Die Bank mit Sitz im schönen Siena gilt als älteste Bank der Welt. Sie hat durch Misswirtschaft inzwischen Verluste von fast 15 Milliarden Euro angehäuft. Fast die Hälfte ihres Kreditportfolios ist notleidend und wird nicht mehr von den Kreditnehmern regelmäßig bedient. Normal wären zwei bis drei Prozent. Die Bank ist pleite. Ohne fremde Hilfe droht seit Längerem die Insolvenz. Fremde Hilfe, außer vom italienischen Staat, ist nicht in Sicht. In diesem Fall greift inzwischen ein neues Abwicklungsregime auf europäischer Ebene, das erst die Beteiligung der Anteilseigner und der Gläubiger vorsieht, bevor der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Dieser sogenannte Bail-In ist die Lehre aus der permanenten Erpressung in Schieflage geratener Banken gegenüber den Regierungen im Zuge der Finanzkrise seit 2007/2008. Der Grundgedanke dahinter ist, dass nur dann mit Risiken verantwortungsvoll umgegangen wird, wenn nicht nur in guten Zeiten die Gewinne, Boni und üppigen Gehälter vereinnahmt werden, sondern im Zweifel die Beteiligten auch haften, wenn es schiefgeht. Dieser Grundsatz der Marktwirtschaft muss auch wieder im Finanzsektor gelten.

Am Beispiel der Monte dei Paschi zeigt sich auch, dass es falsch war, die europäische Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank anzudocken. Die Interessen einer Notenbank, die auf Geldwertstabilität verpflichtet ist, und einer Bankenaufsicht, die im Zweifel auch die Abwicklung oder Schließung einer Bank anordnen muss, sind im Krisenfall zu unterschiedlich, als dass dies von einer Behörde bewältigt werden kann. Da helfen auch keine „chinesischen Mauern“ innerhalb der EZB, die verhindern sollen, dass die eine Seite im Haus sich mit der anderen Seite abstimmt. Beim ersten Praxistest der vielgelobten Bankenunion scheitert das neue Regime. Erst hat die EZB der Bank die Solvenz bescheinigt, anschließend hat der italienische Staat die staatliche Beihilfe beschlossen und bei der EU-Kommission beantragt und jetzt hat die Kommission diese genehmigt. Es ist zum Haareraufen! Und die Konsequenz aus der Brüsseler Entscheidung ist so weitreichend, dass einem angst und bange werden kann. Denn dieser Präzedenzfall wird als Blaupause für alle künftigen Rettungsmaßnahmen herhalten. Das ist jetzt schon so sicher wie das Amen in der Kirche. Mit der Banca Popolare di Vicenza steht nämlich bereits das nächste Finanzinstitut auf der Matte.

Die Summe der notleidenden Kredite italienischer Banken liegt inzwischen bei über 200 Milliarden Euro. Es ist der höchste Wert in der italienischen Nachkriegsgeschichte. 12,6 Prozent der ausgereichten Kredite sind inzwischen notleidend. Das ist auch der Grund, weshalb die italienische Wirtschaft nicht auf die Füße kommt. Die hohe Zahl notleidender Kredite lässt die Banken vorsichtig werden, neue Kreditengagements zu vergeben. Während in den ersten zehn Jahren des Euro das Kreditvolumen pro Jahr um 8,2 Prozent stieg, sinkt es aktuell. Italiens Wirtschaftskraft liegt daher immer noch über sieben Prozent unter dem Höchstwert 2008. Es ist ein dahinsiechender Korrekturprozess der Übertreibung der ersten zehn Jahre des Euro. Diese Korrektur ist aber notwendig. Je eher und je schneller sie stattfindet, desto weniger schmerzhaft ist sie.

An dieser Entwicklung sieht man, dass die Politik der EZB, durch Anleihenkäufe und Nullzinspolitik die Erholung der Wirtschaft zu befördern, scheitert. Sie war die Ursache für die heutige Überschuldung des italienischen Staates, seiner Banken und Wirtschaft. Es war süßes Gift, das die Abhängigkeit aller Marktteilnehmer vom billigen Geld nur noch größer machte. Diese Laxheit ist das Problem und die Änderung dieses Verhaltens die Lösung.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Fuldaer Zeitung erschienen.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 5 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

5 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Peter Goldmann
6 Jahre her

Die Stimmenmehrheit in der EZB haben die Nehmer Länder Die Endrechnung zahlen fleißigen „REICHEN“ Deutschen uns geht es doch so Gut sagt Frau Merkel. Die Dummen und Unwissenden 90 % der Bürger wählt CDU CSU FDP und die Grünen Herr Drahgi ist ein Goldman & Sachs Mitarbeiter Er war Finanzminister von Italien ein Land was von der Mafia regiert wird Goldman & Sachs hat auch Griechenland bei der Bilanzfälschung geholfen hat.

Gerd Boehler
6 Jahre her

Alles was Sie sagen, ist zweifellos richtig. In Griechenland war es hauptsächlich der Staat, der sich verschuldete, in Spanien die privaten Investoren (v a in Immobilien). Der spanische Staat ist erst seit der Bankenrettung überschuldet.

Ich wollte herausstellen, dass es im Süden 2 Probleme gibt:
a. Die Überschuldung
b. Die verlorene Wettbewerbsfähigkeit.
Auch wenn man die Schulden der Südstaaten streichen oder auf ewig verlängern würde, wäre das schlimmere Problem nicht gelöst: Weil die Wettberbsfähigkeit fehlt, finden halbe Jahrgänge keine Jobs.

Es braucht eine Abwertung, die im Euro kaum möglich ist.

Bill Miller
6 Jahre her
Antworten an  Gerd Boehler

hmm, wenn kontinuierliche Abwertung so toll ist, warum haben sich dann alle Süd-Staaten so sehr nach dem € gesehnt? Weil das Leben mit niedrigen Zinsen einfacher ist. Niedrige Zinsen und kontinuierliche Abwertung bekommt man nur wenn man eine Zentralbank hat die genügend Reputation und Feuerkraft hat, dass man nicht so rasch koppheister geht weil niemand im Ausland die Lira/Drachmen haben will und so das Gelddrucken immer rascher erfolgen muß. Die EZB hat noch(!) das nötige Standing, weil die Staaten der Nordschiene ein Gegengewicht darstellen, aber die ersaufen einfach in dem Geld das die EZB dauernd generiert (Targetsalden) und müssen selber… Mehr

Peter G.
6 Jahre her

Für mich ist die Frage, ob diese Entwicklung, d.h., die Finanzierung der schwächeren Länder durch den Norden nicht von vornherein so geplant war. Nur hätte es man bei den damaligen deutschen Politikern und der Stimmung der Öffentlichkeit nicht durchsetzen können. Schäuble und Juncker haben schon vor Jahren entspr. Hinweise auf die Täuschungsmethoden Brüssels gegeben.

Matthias Losert
6 Jahre her

Das süsse Gift ihrer Geschichte ist billiges Geld, was die Realwirtschaft nicht erreicht.
Solange Währungen nur an postfaktischen Geldvereinbarungen gebunden sind, endet die selbstreferentielle Macht vom Geld nicht.
Wenn Sie Geld an die Entwicklung in der Realwirtschaft binden wollen, müssen Sie alle Währungen und nationale Steuersysteme reformieren.