Die deutsche Energiewende scheitert vor sich hin, die Verursacher wollen es nicht wahrhaben. Große Teile der Bevölkerung halten das Vorhaben für erfolgreich, schließlich ist genug Strom in der Dose. Vor allem hilft eine umfangreiche Konstruktion an Framing, Mythen und Tatsachenverdrehung, den Schein zu wahren.

Der deutschen Energiewende geht es schlecht. Das ist die so ziemlich einhellige Meinung aller, die sich mit dem Thema etwas näher beschäftigen. Selbst staatliche Stellen wie das Bundesfinanzministerium oder der Bundesrechnungshof stellen schlechte Zeugnisse aus, letzterer sogar am laufenden Band. Der McKinsey-Energiewende-Index liefert regelmäßig Zahlen zur mangelhaften Zielerreichung. Universitäten und Hochschulen warnen mit wissenschaftlicher Expertise, sofern sie nicht als Geldempfänger entsprechend eingenordet sind.
Auch die Befürworter sind unzufrieden, sie möchten, dass es schneller geht, also ehrgeiziger, entschiedener, ambitionierter, und welche scheinprogressiven Vokabeln es noch so gibt. Trotzdem geht ein beruhigendes Rauschen durch den Blätterwald regierungsbegleitender Zeitungen; die Bilder im TV zeigen weiße Windkraftrotoren über wogenden Getreidefeldern mit glänzenden PV-Modulen am Rand. Das führt dazu, dass ein großer Teil der Bevölkerung gelassen bleibt. Bisher ist ja noch nichts passiert. Die Strompreise steigen, aber es wird ja alles teurer. Dass das vor allem auch mit gestiegenen Strom- und CO2-Preisen zusammenhängt, diese Abhängigkeit können Linearfernsehzuschauer eher selten herstellen.
Das macht es den Branchen und Lobbys der „Erneuerbaren“ und ihren poltischen Armen bei Rot-Grün leicht, einen verfälschten Eindruck der Energiewende zu vermitteln. Das geschieht teils unauffällig, oft ist es ein Nudging mit neutralem Anstrich. Welche Instrumente kommen zum Einsatz?
Lügen und gezielte Falschaussagen
Glatte Lügen sind selten anzutreffen, weil leicht zu identifizieren. Dass man sie trotzdem hin und wieder in den Medien findet, zeugt vom intellektuellen Niveau in der Medienblase. Ein Paradebeispiel dafür war die Meldung in der ARD über die angebliche Erfindung eines TV-Geräts, das Strom erzeugt. Zeitgeistlich passend wurde es noch mit einer Rassismus-Geschichte angereichert: Die „Erfindung“ kam aus Afrika.
Im Gegensatz zu den platten Lügen gibt es gezielte Falschaussagen, die sich etabliert haben und öffentlich nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Ein Klassiker dafür ist die Behauptung, Kernkraftwerke (KKW) seien nicht regelbar. Seltsamerweise kommen die meisten Journalisten nicht auf die Idee, das zu hinterfragen. Die Wahrheit ist, die Anlagen sind sogar gut regelbar, es ist aber kaum erforderlich. Infolge niedriger Betriebskosten standen sie in der sogenannten Merit-Order, der wirtschaftlichen Einsatzreihenfolge der Kraftwerke, ganz links und halfen, die Grundlast abzudecken.
Würden diese beiden Behauptungen zu den Regelfähigkeiten stimmen, wäre uns das Netz schon öfters um die Ohren geflogen. Die Einspeisegradienten von Sonnen- und Windstrom erreichen fast 10.000 Megawatt (MW) pro Stunde, das erfordert eine gleichermaßen flexible und ergänzende Residuallast.
Fehlender Kontext
„Kernkraft ist zu teuer“ ist ein Standardspruch der Anti-Atom-Gemeinde. Dann führt man die 34 Milliarden Euro teure Investition im britischen Hinkley Point an oder auch Flamanville in Frankreich oder Olkiluoto in Finnland. Richtig ist, dass alle drei Projekte aus dem Ruder gelaufen sind, auch weil in Europa seit Jahrzehnten keine KKW gebaut wurden und Know-How verloren gegangen ist. Verschwiegen werden eine mindestens 60-jährige Laufzeit (fast drei Generationen von Windkraftanlagen), sichere und regelbare Stromlieferungen und wenig Aufwand zur Integration des Stroms ins Netz, also kaum Redispatch und wenig Erfordernis zum Netzausbau.
Auch stellt man keine Zahlen gegenüber. Die 34 Milliarden entsprechen etwa zwei Jahren deutscher EEG-Förderung. Der Unterschied ist: Läuft Hinkley Point, verdient es Geld, aber ab dem dritten Jahr muss die EEG-Umlage mit Steuergeld wieder aufgefüllt werden, um die Ökostromanlagen überhaupt am Leben zu erhalten.
„Erneuerbarer“ Strom sei billig, hört man immer wieder. Das stimmt zum Teil, wenn man nur die Gestehungskosten betrachtet. Hier sind Windkraftanlagen an der Küste günstig, die Photovoltaik eher im Mittelmeerraum oder südlicher. Die Gestehungskosten haben aber nichts mit den am Markt erzielbaren Preisen und vor allem den Folgekosten zu tun. Stromverkauf ist ein Echtzeitgeschäft und der Preis schwankt bei uns stark durch die Launen des Wettergottes. Da aber der Einspeisevorrang auch zur Produktion zur Unzeit führt, fallen erhebliche Folgekosten durch Netzeingriffe, Redispatch oder negative Preise an. Das treibt die Kosten im Gesamtsystem.
Seit dem Start des EEG im Jahr 2000 kennt der Strompreis nur eine Richtung – nach oben. Warum nun bei immer weiterem Zubau von „Erneuerbaren“ dieser wieder fallen soll, ist das Geheimnis grüner Fachpolitiker_*Innen. Wer es tiefergehend wissen möchte, der sei auf die Publikation von Frau Professor Grimm und anderen verwiesen: „Stromgestehungskosten von Erneuerbaren sind kein guter Indikator für zukünftige Stromkosten“.
Eine weitere falsche Behauptung wird sogar ministeriell gestreut (vom ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Klima – MWK): Es gäbe keine Grundlast mehr. Hier zeigt sich die Ahnungslosigkeit der Beamten, die eigentlich nur die Entbehrlichkeit von Grundlastkraftwerken begründen wollen. Die Grundlast betrifft, wie aus dem Wort hervorgeht, nur die Last, also den Bedarf. Sie beträgt im Minimum jahreszeitabhängig zwischen 30 und 40 Gigawatt (GW). Während die schwankende Mittel- und Spitzenlast auch null sein kann, ist die Grundlast immer vorhanden – sonst wäre das Land stromlos. Im Unterschied zu früher sind allerdings so viel „Erneuerbare“ am Netz, dass sie die früher meist konstant durchlaufenden Grundlastkraftwerke zeitweise zum Abregeln zwingen. Also: Es gibt Grundlast und es wird sie immer geben, wer sie bedient, ist eine andere Frage.
Halbwahrheiten
Neben Fehlinformation kommen auch Halbwahrheiten zum Zug. Sie sind schwieriger zu erkennen, denn die halbe Wahrheit mag richtig sein, aber durch das Weglassen anderer Wahrheiten entsteht ein falsches Bild. Die halbe Wahrheit ist meistens eine ganze Lüge, so ein jüdisches Sprichwort. Die Methode ist häufig in der Erfolgsberichterstattung über die „Erneuerbaren“ zu finden. Ein starker Zubau an Wind- und Solaranlagen in China wird bejubelt, ohne den gleichzeitig starken Ausbau an Kohle-, vor allem aber Kernkraft dort zu erwähnen.
Der Abstand geplanter polnischer Kernkraftwerke zur deutschen Grenze wird thematisiert und als Gefahr dargestellt, nicht aber der emissionssenkende Effekt auf die CO2-lastige polnische Energiewirtschaft.
Besonders gut verwenden lassen sich Durchschnittszahlen produzierter Elektroenergie. „Wer in Kilowattstunden argumentiert, hat entweder die Physik nicht verstanden oder nutzt Fehlinterpretationen und Missverständnisse bewusst aus“, schätzt Professor Holger Watter von der Hochschule Flensburg ein. Mit ihnen lässt sich verschleiern, dass Stromerzeugung ein Echtzeitgeschäft ist und Produktion und Verbrauch sekundengenau im Einklang stehen müssen. „Erneuerbare“ Strommengen, zum falschen Zeitpunkt produziert, sind nicht nur nicht hilfreich, sondern zeitweise ausgesprochen kontraproduktiv. Sie können zu volkswirtschaftlich schädlichen negativen Preisen führen und auch zu Belastungen des Stromnetzes, die die Versorgungssicherheit gefährden.
Für die der Zusammenhänge unkundige leichtgläubige Bevölkerung entsteht zudem der falsche Eindruck, dass mit steigenden Mengen „erneuerbaren“ Stroms die Dekarbonisierung und die Energiewende immer näher rücken würden. Die naive Schlussfolgerung lautet: Wenn wir jetzt schon mehr als 50 Prozent Naturstrom im Netz haben, dann brauchen wir nur nochmal die gleiche Anzahl an Ökostromanlagen, um das Ziel zu erreichen. Das ist sachlich völlig falsch, denn der Ökostrommenge stehen fast null Prozent Systemverantwortung (Spannungs- und Frequenzregelung) gegenüber, es wird für Wind- und Photovoltaik-Anlagen ein nahezu vollständiges Backup-System gebraucht. Wir benötigen also zwei Systeme für eine Versorgungsaufgabe. Deshalb macht mehr Ökostrom das System teurer, nicht billiger.
Im nächsten Teil: Falsche Bilder, Populistische Vereinfachungen, Hippe Kunstworte und mehr.
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Möglicherweise ist der Verfasser dieser Zuschrift ein technischer Idiot, doch aus seiner unbedeutenden Perspektive scheint vorstehende Aussage sinnentleert, wenn man, was einst der Fall gewesen sein soll, Kernkraftwerke zur Abdeckung der Grundlast, sprich 50, 60, 70 Prozent des Maximalbedarfs einsetzt.
Denn Grundlast definiert sich naturgemäß als das Minimum dessen, was mindestens stets benötigt wird. Insofern ist die Regelbarkeit einer Technologie, welche jene Grundlast bestreitet, nicht erforderlich.
Doch das nur am Rande…
Es werden zunehmend Synchronmaschinen mit großen rotierenden Massen abgestellt. Die notwendige Netzstabilität soll mit neuartigen, sog. „netzbildenden Wechselrichtern“ erreicht werden, die angeblich in Entwicklung und Erprobung zu sein scheinen. Offensichtlich handelt es sich um rein elektronisch-basierte Anlagen mit großen Akkumulatoren (Batterien). Herr Hennig, wie schätzen Sie ein solches Hilfsmittel zur Netzstabilität ein? Bisher wurde das m.E. nicht ausreichend thematisiert. Denn es soll die Zukunft sein, wenn wir ausschließlich auf Solar- und Windenergie angewiesen sein werden. Ich sehe das als ausschließliche Lösung für ein landesweiten Netz (und darüber hinaus) zur Erreichung von Netzstabilität sehr kritisch.
Mit den großen Teilen der Bevölkerung, die den Schwachsinn für erfolgreich halten, meint der Autor doch nicht etwa die, die nur die bundesdeutsche Klippschule durchlaufen haben und danach bestenfalls noch Geschwätzwissenschaften studiert haben ?
Keine Sorge, Herr Hennig. Drei große Brownouts bzw. Blackouts (Definitionssache) wie in Spanien und die Deutschen haben es begriffen. Kommt schon noch, geht dann auf einmal ziemlich schnell.
Würden wir nicht mittig in Europa sitzen, dann würden unsere Netze nicht durch die umliegenden Länder stabilisiert und wir könnten uns so einen Mist nicht erlauben. Ich hoffe, dass wir weiter an Fusion forschen, wenn sie schon der normalen Atomkraft abschwören…
Die Fusionsnummer hat nur den Nachteil, dass bei ihr schon ganz viele Jahrzehnte lang in den nächsten Jahren der Durchbruch zum ersten erfolgreichen Ergebnis erwartet wird …
Man sollte bei schönem Sommerwetter und Wind nicht mehr im Aufzug fahren. Bei letzten, großen Stromausfall in Spanien und Portugal saßen dort Menschen bis zu 24 Stunden fest, ohne Zugang zur Toilette.Wer will das schon erleben?
Treppensteigen ist schon allein aus gesundheitlichen Gründen zu empfehlen. Bei mehr als 10 Stockwerken nehme ich dann auch lieber den Lift.
Im Wertewesten von heute, bereitet man sich lieber schon vorbeugend auf Dinge und Sachlagen vor, die bis 89 nur im real existierenden Sozialismus vorkamen. Man sollte mit allem und vor allem mit der unendlichen Dumm-und Dämlichkeit der Politclwons rechnen, die ,diesem Westen vorstehen und nicht müde werden diesen und natürlich sich selbst zu preisen.
Ob die Gegner oder die Befürworter die besseren wissenschaftlichen oder technischen Argumente auf ihrer Seite haben, kann ich nicht beurteilen. Was ich aber beurteilen kann, ist die Richtigkeit dieses Schlüsselsatzes im Artikel:
„Seit dem Start des EEG im Jahr 2000 kennt der Strompreis nur eine Richtung – nach oben.“
Stellt man dem die Aussage eines Hrn. Trittin aus dem Jahr 2004 gegenüber, der meinte, die Energiewende koste nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat, dürfte der Fall auch für den linearen TV-Konsumenten klar sein.
Ich jedenfalls lehne die sog. „Energiewende“ ab und wähle auch keine Partei, die diese propagiert.
Und ich verbringe nicht einmal mehr einen Kurzurlaub in Sichtweite eines Windrades oder einer Ackersolaranlage.
Kausalität und Korrelation verwechselt. Die Brennstoffpreise sind auch schon seit Jahren am steigen, während die Erneuerbaren (plus seit kurzem auch Batterien) durch Skaleneffekte jedes Jahr günstiger werden.
Warum die Brennstoffpreise steigen weiß jeder halbwegs Informierte sehr genau. Ideologen wie ihrereiner mögen solche Fakten aber nicht nennen, denn es passt einfach nicht ins Narrativ, gelle …
Sie haben das Problem beim Namen genannt. Der leichtgläubige, mit wortfindungsproblemen versehene Deutsche, der seine Meinung zunehmend nur noch durch Emojis ausdrücken kann. Je ungebildeter die Bürger eines Landes sind, um so einfach fällt es herrschenden Klasse diese zu unterdrücken. War schon immer so und ist heute nicht anders. Lesen, verstehen, hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden ist ja so anstrengend. Dann lieber eine paar Emojis raushauen, auch wenn man nix verstanden hat. Dumm, dümmer, Deutschland.
Es ist eine Frage der Zeit, bis die umliegenden Länder die Schnauze voll haben von der Deutschen, Spanischen und Portugiesischen Energiewende und den dadurch gestiegenen Preisen im Heimatland, dass sie diesen Ländern den Stecker ziehen werden. Als Franzose wäre ich ziemlich putzig, einen höheren Preis für den eigenen Strom bezahlen zu müssen, nur weil die eigenen Nachbarn es mit der Stromversorgung versemmeln und man ihnen die ganze Zeit aushelfen muss. Anpissen würde mich auch der Umstand, dass diese Länder durch die „Energiewende“ die Redispatchmassnahmen in allen anderen Ländern auf Rekordhöhe anwachsen lassen und dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Systemfehlers, oder Komplettausfalls… Mehr
Nur mit dem Begriff „Stromexport“ um sich zu werfen, ohne Details zu berücksichtigen, ist dort genauso sinnfrei wie bei der Erwähnung der deutschen „Stromexporte“!
Dumm ist hier nur eines und zwar die Kommentare aus der grünlinken Ideologie-Ecke.
Würden die Extra-Steuern des Staates auf Energie abgezogen wäre das ganze nur noch halb so schlimm.
Als natürliche Energiequellen bleiben in DE nur Sonne und Wind soweit vorhanden. Uran, Steinkohle, Gas, Öl müssen importiert werden, verteuern sich und können durch politische Sanktionen ausfallen.
Strategisch ist DE auf einen Energiemix angewiesen, ganz frei von Ideologie.
Aber von Anbeginn steht die Bürokratie wie bei allen Vorhaben auf den Füßen Derer die eine Modernisierung nach vorn bringen könnten.
Wenn es einen Beweis braucht, so ist die vergangene Ampel Regierung. Ungestraft nur Schäden produziert.
Ja klar doch – Braun- und Steinkohle müssen mangels eigener Vorkommen importiert werden.
Wäre Fracking nicht verboten (also nur hier, Frackinggas aus dem Ausland ist völlig in Ordnung), hätten wir auch Erdgas für mindestens 3 Jahrzehnte. Die angebliche Endlichkeit fossiler Brennstoffe ist längst widerlegt, die neuentdeckten Vorkommen übersteigen regelmäßig die verbrauchten Vorkommen. Nach aktuellem Stand sind in D wirtschaftlich förderbar Kohle, Gas, Öl und Uran für ein komplettes Jahrhundert. Da innerhalb dieser 100 Jahre sowohl weitere Vorkommen entdeckt oder wirtschaftlich werden, auf der anderen Seite die Technologie fortschreitet (insbesondere die Nukleartechnologie), dürfte, wie in den letzten Jahrzehnten auch, die wirtschaftlich verfügbare Menge die verbrauchte Menge regelmäßig übersteigen. Selbst wenn das nur etwa 200-300… Mehr