Der neue Papst Leo XIV. tritt ein schweres Erbe an: Zwischen konservativer Symbolik und politischer Zuschreibung muss er eine gespaltene Kirche einen – und will Frieden in einer Welt voller Konflikte schaffen.

Der größte Vorteil, bei der Vorstellung eines neuen Papstes dabei zu sein? Keine Medien, keine Experten, keine Dauerkommentare in den sozialen Netzwerken verschleiern den Blick. Die Internetstörungen zum Zeitpunkt des Konklaves schotten von den Einordnungen ab. Stunden später, daheim, prasseln die Nachrichten erst ein. Ist Leo XIV. ein Linker? Hat er nicht Trump kritisiert? Hat er Missbrauch vertuscht? Unterstützt er die Globalistenagenda?
Um Katholik zu sein, muss man ein Stück weit ein mittelalterlicher Bauer sein. Das mag aufgeklärte Geister schrecken. Aber es bedeutet eine gewisse Sturheit und der Blick für das, was vor einem liegt, und nicht auf das, was Elite und journalistisch-akademischer Apparat wollen, was man darüber zu denken hat. Giovannino Guareschi lässt eine seiner Figuren bei der Einführung der Messe der Volkssprache in Don Camillos Kirche sagen: Glauben die da oben wirklich, dass Gott kein Latein mehr versteht? Manchmal ist das, was man auf den ersten Blick für Ignoranz hält, eigenständiges Denken.
— Marco Gallina (@434Italo) May 8, 2025
Auf dem Petersplatz sorgte das freudige Gefühl über den weißen Rauch und die einnehmende Stimmung zwischen Geläut und Jubel insbesondere bei den konservativen Experten kurz für eine gewisse Stille, als der Name „Prevost“ fiel. Denn erst einen Tag zuvor hatte das Gerücht die Runde gemacht, exakt dieser Kardinal würde von den „Progressiven“ als Kandidat gehandelt. Käme also nun Franziskus II.? Eine erste Entspannung trat ein – insbesondere beim Autor dieser Zeilen –, da der Papstname fiel: Leo.
Ein Papstname mit Signalwirkung
Ein paar persönliche Worte, um der Befangenheit vorzugreifen. Erst vor zwei Wochen hatte ich exakt diesen Namen an anderer Stelle prognostiziert und neuerlich aufgegriffen. Inwiefern der neugewählte Prevost diese Anforderungen erfüllen wird, steht auf einem ganz eigenen Blatt. Fakt ist jedoch: Ein „Liberaler“ würde kaum den Namen eines Papstes wählen, der so tief in der Tradition der katholischen Kirche steckt. Dreizehn Vorgänger trugen diesen Namen, und alle haben sie wie Löwen die Kirche verteidigt und auf ein neues Fundament gesetzt. Leo I., der Attila vor Rom entgegen gegangen ist, ist nur einer von drei Päpsten, der den Namen „der Große“ trägt.
Der zweite Eindruck: Der neue Papst war nervös. Anders als bei Bergoglio, dem man immer das Ausländische anhörte, wo der spanische Zungenschlag zwischen Dantes Muttersprache schnalzte, sprach dieser US-Amerikaner mit peruanischer Diözese ein schönes Italienisch, was die Römer vor Ort auch direkt zu schätzen wussten. Dennoch: An mindestens zwei, möglicherweise drei Stellen verhaspelte sich der neue Pontifex. Er musste obendrein vom Papier ablesen.
Leo XIII. war der Arbeiterpapst, der mit Rerum Novarum die Katholische Soziallehre zum großen geistigen Wurf gemacht hat. Die Soziallehre ist kein Sozialismus; sie ist antikommunistisch, sie ist der dritte Weg. Es fiel auf, dass Leo nicht von Barmherzigkeit, sondern von Gerechtigkeit sprach. Auch dieser Papst wird einen pastoralen Weg einschlagen. Aber Leo XIII. schrieb nicht nur die berühmte Enzyklika. Er war ein Rosenkranzpapst und ein Mystiker. Das passt zum Ave Maria, das passt zum Umstand, dass der 8. Mai früher einmal als Tag der Erscheinung des Erzengels Micheals gefeiert wurde. Von Leo XIII. stammt das berühmte Gebet für den Erzengel Michael gegen den Satan.
Mit der Mozetta und der Stola auf den Schultern, mit dem Goldkreuz auf der Brust, mit einem traditionellen Namen und einer klassischen Rede hat Leo XIV. bereits in Stil und Form mit Franziskus’ „Schlichtheit“ abgeräumt. Plötzlich ist die Ästhetik der alten Kirche zurück, die man mit Benedikt begraben sehen wollte. Dass nicht das alte Papstwappen des Vorgängers am Balkon ausgerollt wurde, wie es sonst üblich ist, wurde in den Medien bisher wenig kommentiert. Während in der Rede Franziskus zweimal Erwähnung fand, war davon sonst nichts zu spüren. Bergoglio beendete die Ratzinger-Ära mit der Ankündigung: Der Zirkus ist vorbei. Ähnlich versucht Prevost offenbar, einen eigenen Stil zwischen traditioneller Form und pastoralem Anspruch zu finden.
Frieden inmitten der Fronten
Über die Hintergründe seiner Wahl wird in den nächsten Tagen viel zu lesen sein. Etwa, dass die mitgliederstarke, lateinamerikanische Kirche im neuen Pontifikat sichtbar bleibt. Bereits jetzt wird er als möglicher „Anti-Trump“ aufgebaut wegen seiner US-Herkunft und seiner Ansicht etwa zu Migrationsfragen. Bei Ehe, Familie, LGBT und Abtreibung gilt er als klar in der katholischen Lehre. Den Transkult hat er in seiner peruanischen Heimat bekämpft. Dass überdies unter Franziskus ein gewisses linkes Zeitgeistklima in der Kirche herrschte, in dem sich Kardinäle und Bischöfe der römischen Vorgabe beugten, sollte ebenfalls nicht vergessen werden. So viel Zeit sollte man dem Pontifex geben, wie er sich positioniert. Die Kardinäle wissen, dass die Welt nicht mehr die von 2013 ist, die USA von Trump, nicht Biden, regiert werden; und auf der anderen Seite des Tibers mit Meloni jemand sitzt, mit dem man die nächsten zehn Jahre auskommen muss.
Hier knüpft die eigentliche Botschaft von Leo XIV. an. Seine Mission ist die von Ausgleich und Diplomatie. Das gilt für die Außenpolitik mit ihren schwelenden Konflikten, ob Kriegen oder Spannungen innerhalb der Länder, als auch der Polarisierung innerhalb der Kirche. Inwieweit etwa der neue Pontifex den Anhängern der Alten Messe entgegenkommt, die von Franziskus mit Traditionis Custodis de facto geächtet wurden, ist noch nicht abzusehen – seine Hinwendung zur traditionellen Ästhetik kann aber zumindest als Hoffnungszeichen interpretiert werden. Er wird zudem das Kunststück vollbringen müssen, endlich in Deutschland klare Verhältnisse zu schaffen, wo Teile des Klerus bisher auf der Klaviatur von Staatsnähe und anti-katholischen Reformen spielte – was insbesondere schwierig wird, angesichts der monetären Ausstattung der hiesigen Kirche, von der die meisten anderen Landeskirchen nur träumen können.
Auch deswegen ist es verfehlt, den US-Kulturkampf auf die Una Sancta zu übertragen, und nun nach jeder öffentlichen Äußerung des neuen Papstes zu suchen. Leo XIV. ist von den Kardinälen nicht gewählt worden, um Unruhe zu bringen. Die Weltkirche sehnt sich nach Ruhe und Frieden. Der neue Papst steht vor der großen Herausforderung, Gräben innerhalb der Kirche zuzuschütten und nach außen zugleich mit starker Stimme zu sprechen. Sollte der neue Pontifex tatsächlich den Frieden anstreben, dann wäre er der US-Regierung deutlich näher, als mancher wahrhaben will.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Danke für den interessanten Kommentar!
Man sollte bei dem neuen Papst ein besonderes Merkmal bedenken: der Mann hat Mathematik studiert!!! Gewiss keine hundertprozentige Garantie für Vernunft und Ideologiefreiheit, aber eine gewisse Brandmauer gegen die gröbsten Gefühlsdusseleien des weltweiten Wokismus. Jedenfalls gibt das Hoffnung.
Nun ja, ich als freikirchlicher Christ habe mir mal die Arbeit gemacht und nicht nur den direkten Vorgänger, sondern alle Leos angesehen.
Es stimmt, alle gelten als Verteidiger der reinen katholischen Lehre. Sie galten aber auch alle als politische Päpste.
Leo III. hat mit Karl dem Großen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation „gegründet“.
Leo X. hat Luther als Ketzer exkommuniziert.
Klingt für mich alles nicht so erbaulich.
Aber meine Hoffnung heisst ja auch Jesus Christus, der Löwe (Leo) von Juda und nicht der vierzehnte Leo
Der letztere Satz stimmt natürlich, aber trotzdem: Das mit Leo III. und Leo X. klingt natürlich *auch* ziemlich hoffnungserweckend. Karl der Große und die Begründung der abendländischen Zivilisation… Luthers aus Verzweiflung geborene (und, worauf er selbst bestand, *nicht* nur als Abhilfe für wenn auch zweifellos vorhandene praktisch-moralische Mißstände in der Kirchenführung gedachte) Irrlehren, die konsequent weitergedacht zum Calvinismus führen (wogegen sich Luther und die Lutheraner, die etwas inkonsequent waren, selbst übrigens heftig wehren würde) und damit zu einer Lehre, die den Herrgott selbst zum Verantwortlichen für die Verdammnis der Verworfenen macht (ürks), zuerst mit redlichen Versuchen, ihn vom wahren Glauben… Mehr
Nun ja.
Mir ist herzlich egal, was die zahlreichen Männer in ihren hübschen Kleidchen jetzt wieder zelebrieren.
Ich gehe nicht davon aus, dass mit einer echten Aufarbeitung der Mißbrauchsskandale (sexueller wie politischer Natur) zu rechnen ist. Die Firma Vatikan spielt weiter auf ihrer Klaviatur.
Kirche und Glaube sind zwei völlig unterschiedliche Sachen. Das Erstere geht ohne das Zweite nicht – umgekehrt jedoch funktioniert das Ganze sehr gut.
Nur, ohneKirche und Priester wüßten wir nchts von Jesus.
Papstwahl als Menetikel ?
Als der polnische Papst sein Amt antrat, dauerte es nicht mehr lange bis zum Zusammenbruch des Ostblocks. Welcher Block wird jetzt zerbröseln ? Es wäre auf jeden Fall ein Gewinn, wenn die Kriegstreiber in der Nato gebremst würden.
@Europafriend: seit dem II. Vatikanischen Konzil zerstörten sie die Christenheit und damit das Abendland, denn damals haben sie deren Gott mit dem Unsrigen gleich gesetzt – und scheinen inzwischen in dessen Namen gegen uns vorzugehen: „Die folgenden Punkte a bis d sollen das belegen: • a ) Der entscheidende Satz aus dem Dokument „Nostra aetate“ des Konzils lautet: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat“ (Art.3). • b ) In dem Dokument „Lumen… Mehr
Der neue Papst macht auf mich einen sympathischen Eindruck. Ätzend aber die deutschen Propagandaklitschen des medialen Mainstreams, die den Papst gleich wieder für ihr saudämliches Trump-Bashing instrumentalisieren wollen – VERHEEREND DIESER BÖSARTIGE IDIOTISMUS!!!
Wird mir für immer ein Rätsel bleiben, wie Menschen sich für diesen Blödsinn begeistern können.
Wird mir für immer ein Rätsel bleiben, wie Menschen sich diese Chance auf Tiefenblick in ihren Daseinsgrund entgehen lassen können.
@DerGrinser: Heben Sie sich Ihre Begründung gut auf für den Fall, dass Sie, Ihre Kinder oder Enkelkinder mal bei vorgehaltener Waffe ein mohammedanisches Glaubensbekenntnis ablegen sollen …
Ein Satz, der einen auf ewig bindet und jedwede persönliche Freiheit, so wie wir sie kannten, nehmen wird.
Es ist der Glaube, mein lieber Grinser. Glaubst Du an gar nichts?
Die Kurie ist einfach klüger & diplomatischer als unsere Regierung von totalen Schwachköpfen. Man hat gesehen, man muß mit Trump klarkommen. Denn, als Trump neulich in Rom war, mußten alle springen. Da war auch von der Schweizer Garde nix mehr zu sehen, schauten nur noch ernst blickende Männer des United States Secret Service nach dem Rechten. Leo ist der Papst Trumps.
… da stimme ich zu: Der optisch klassische Auftritt des neuen Papstes mit Mozzetta und Papststola sowie die Namenswahl waren schon mal sichtbare Wiederanknüpfungen an äußerliche Traditionen vor dem „schlichten“ Franziskus. Wo der neue Papst spirituell steht, wird sich zeigen. Das Ave Maria war vielleicht eine Vorankündigung. Dass der gefühlte SPD-Ortsvereins-Vorsitzende von Limburg, Bischof Bätzing, den neuen Papst zum politischen Gegenspieler Trumps hochstilisiert, ist nicht anders zu erwarten …
Wer sich in Dunkeldeutschland für ein vernünftiges Verhältnis gegenüber Trump ausspricht, hat schnell nichts mehr zu sagen. Dass sich selbst die Kirche diesem irrwitzigen Opportunismus beugt, ist ein Armutszeugnis der Sonderklasse!!!
Dabei sollen sie kein falsch Zeugnis reden wider ihre Nächsten…
Dem neu gewählten Papst wünsche ich – obwohl selbst konfessionell schon lange Zeit nicht mehr gebunden – eine glückliche Hand.
Kirche im besten Sinne solllte in erster Linie religiöse Heimat selbstbewusster Christen weltweit sein wollen und können. Zuallererst IHREN Gläubigen zugewandt.
Leute, bitte Hirn einschalten: Warum wohl haben sie genau jetzt einen Amerikaner zum Papst gemacht – einen, der schon klar „Haltung“ gegen die neue US-Regierung gezeigt hat?
Macht euch mal bloß keine Illusionen!
😄
„Der frühere Chefstratege des Weißen Hauses nennt Papst Leo XIV. „marxistische Marionette im Vatikan“. Hinter der Wahl vermutet er die Machenschaften einflussreicher Globalisten“
https://www.berliner-zeitung.de/news/steve-bannon-sieht-im-neuen-papst-ein-produkt-des-deep-state-li.2323546
Ob das der katholischen Kirche gut bekommt, die sowieso auf dem absteigenden Ast ist?
Sie haben offensichtlich einen Kardinal gefunden der an allen entscheidenden* politischen Punkten (Abtreibung, Wokeness, LGBTQ, etc.) glaubwürdigen Berichten zufolge die *richtige* Meinung hat – gerade das aber *ohne*, wie auf rechts in den USA (und nicht nur dort) – leider!! – üblich geworden, in eine Nibelungentreue gegenüber der Person Donald Trumps und tribalistische Übernahme aller in dem Lager üblichen Meinungen nach dem Muster „je verfemter desto besser“ zu verfallen. Und der dann auch noch US-Amerikaner ist. Klingt das nicht spitzenmäßig? Natürlich haben sie ihn nicht trotz seiner Trump-Kritik gewählt, sondern wohl (wenn auch sehr wahrscheinlich sehr nachrangig) auch wegen ihr.… Mehr
Fußnote: [*] Zu den weniger entscheidenden Punkten, so der nach der nationaler udn ethnischer Identität, nach dem richtigen Verhältnis von wirtschaftlicher Freiheit, staatlicher Ordnungspolitik und staatlicher Wohlfahrt, nach der Anwendung der Mäßigungstugend in bezug auf den atmosphärischen CO2-Gehalt usw., ist zu bemerken: 1. Diese sind eben weniger wichtig. Die katholische Kirche ergreift Partei gegen Irrtum und Sünde. Bei Schlüssen, die Menschen guten Willens, die von den richtigen Grundprinzipien ausgehend unterschiedlich treffen können, schlägt sie sich nicht auf eine Seite. (Wenndann schürft sie, etwa in einer Enzyklika tiefer, aber immer, indem sie auch ggf. im Detail erklärt, was – nach der… Mehr