Finnland: Das woke Experiment ist vorbei

Die nächste sozialdemokratische Bastion fällt: Bei den Parlamentswahlen in Finnland siegen die konservativen Parteien. Medienliebling Sanna Marin kann sich nicht durchsetzen. Und die Grünen erleiden Schiffbruch.

IMAGO / ZUMA Wire
Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin musste trotz Gewinnen für ihre Sozialdemokraten eine Niederlage eingestehen.

Die nordischen Länder galten einst als Hort der Sozialdemokratie – und als Orientierungspunkt der deutschen Sozialdemokraten im Besonderen. Doch seitdem in Schweden eine Mitte-Rechts-Koalition regiert, ist dieses Diktum nicht mehr so sicher. In Dänemark steht zwar die Sozialdemokratin Mette Frederiksen an der Spitze. Doch haben die dänischen Sozialdemokraten sich in einigen politischen Fragen deutlich konservativer als ihre Schwesterparteien ausgerichtet; so bei den Themen EU, Globalisierung und Migration.

Von einer Niederlage im engeren Sinne kann man im Falle der finnischen Sozialdemokraten eigentlich nicht sprechen. Sie haben ihr Ergebnis sogar um 2,2 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent verbessert. Dennoch reichte es nur für den dritten Platz – hinter der liberal-konservativen Nationalkoalition von Petteri Orpo und den nationalkonservativen Finnen-Partei (früher: Wahre Finnen) von Riikka Purra. Die großen Verlierer waren die kleineren Parteien.

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Für die bisherige Ministerpräsidentin Sanna Marin dürfte das Ergebnis also kaum reichen; nicht zuletzt, weil es in Finnland Tradition ist, dass die stärkste Partei den Regierungschef stellt und die Regierungskoalition schmiedet. Marin hat ihre Niederlage bereits eingestanden. Sie war mit damal 34 Jahren als jüngste Regierungschefin der finnischen Geschichte an die Macht gelangt und stand für eine möglichst „woke“ Regierungslinie: ihre Koalition hatte in jeder Partei Frauen an der Spitze. Die internationalen Medien lagen ihr zu Füßen, das Time Magazine und die BBC kürten sie zu einer der wichtigsten lebenden Frauen.

Kritik an ihr wischte die Presse mit Sexismus-Vorwürfen zu Seite. Das galt für ein Interview, bei dem sie unter dem Blazer keine Kleidung trug und ihr den Vorwurf einhandelte, die Würde ihres Amtes zu verletzten wie für ein mittlerweile berüchtigtes Tanzvideo, in dem die Ministerpräsidentin sich so ekstatisch zeigte, dass man Drogenkonsum vermutete; Marin führte deswegen einen Drogentest durch, der negativ ausfiel. Auch während der Corona-Krise besuchte Marin einen Nachtclub, was ihr aber anders als dem britsichen Premierminister Boris Johnson keinen Sturz einbrachte. Der Medienliebling erntete keine Kritik, sondern Solidarität. Nicht ihre eigene Unfähigkeit, ein Amt würdig zu führen, sondern Sexismus und Russenpropaganda versuchten sie zu diffamieren, so die Erzählung.

Eine Erzählung, die offenbar einige nicht mehr hören wollten. Als Indikator kann damit auch das Ergebnis der finnischen Grünen gelten. Sie waren die Wahlverlierer des Abends und verloren 4,5 Prozentpunkte. Sie hatte bei der letzten Wahl im Jahr 2019 noch das stärkste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht – mit 11,5 Prozent. Homo-Ehe, Grundeinkommen, eine Senkung des Wahlalters auf 15 Jahre und die Legalisierung von Cannabis konnten in einem Wahlkampf, den ökonomische Themen beherrschten, keine Aufmerksamkeit generieren.

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Aus der Perspektive der konservativen Parteien Europas heißt das, dass eine Partei der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Identität & Demokratie (ID) eine Koalition eingehen könnten; und das nach den italienischen Parlamentswahlen wiederholen, wo Silvio Berlusconis Forza Italia und Matteo Salvinis Lega als Stützen von Giorgia Melonis Regierung dienen. In Deutschland baut die Union eine Brandmauer gegenüber der AfD auf, während die europäischen Pendants mit solchen Koalitionen die Linken aus dem Amt heben.

Der Wechsel hat also nicht nur nordische, sondern auch europäische Bedeutung. Manfred Weber (CSU), der auf EU-Ebene schon länger mit dem Programm der Parteien rechts der EVP liebäugelt, hat diese Zeichen der Zeit offenbar besser verstanden als die Christdemokraten daheim. Während die deutschen Medien jedes Zusammengehen mit „Rechtspopulisten“ oder Postfaschisten“ geißeln, wird dieses anderswo bereits Realität. Die Sorge, dass die eingespielten Regeln zur Koalitionsbildung und damit Machtveränderungen Realität werden könnten, ist groß.

Andererseits gilt Orpo als eher liberales und pro-europäisches Aushängeschild seiner eigenen Partei, weswegen die Zusammenarbeit mit den EU-kritischen Finnen als schwierig gilt. Zudem fehlen den Parteien rechts der Mitte nach jetzigem Stand immer noch zwei Sitze für die parlamentarische Mehrheit, sollte es zu einem Bündnis aus Nationalkoalition, Finnen und Christdemokraten kommen. Orpo könnte demnach, sollte sich nicht noch eine Kleinpartei als Mehrheitsbeschaffer finden, auf die Sozialdemokraten zurückgreifen.

Eine Renaissance für Sanna Marin würde das jedoch nicht bedeuten. Denn sie gehört zum linken Flügel ihrer Partei, der Orpo am meisten Probleme bereiten würde. Selbst bei einer Koalition mit den Sozialdemokraten hieße das: das woke Experiment in Finnland ist vorbei.

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Kommentare ( 85 )

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Casa Done
1 Jahr her

Deutschland ist (leider) nicht Finnland! So selbstzerstörerisch wie „wir“ ist weltweit kein anderer Staat unterwegs – erneut ein deutscher Sonderweg in die Katastrophe.

Schwabenwilli
1 Jahr her
Antworten an  Casa Done

Da haben sie leider recht mit dem“ Sonderweg in die Katastrophe“. Nichtsdestotrotz beim Aufräumen hinterher ist auch niemand gründlicher als die Deutschen.

Timur Andre
1 Jahr her

aber bei uns sind die Finanzminister, Wirtschaftsminister, Außenministerin, Landwirtschaftsminister, Innenminister und indirekt über Blackrock auch dabei und in der „Opposition“
fällt irgendwas auf?

Montgelas
1 Jahr her

Glückwünsche nach Finnland!

Carrera73
1 Jahr her

„Go woke, go broke.“
Wieder einmal bewahrheitet sich diese Schlußfolgerungen. Überall auf der Welt erkennen mehr und mehr Bürger den Wahnsinn linksgrüner „woker“ Politik. In Finnland war es die durch die bisherige Regierung verursachte (beginnende) Staatsverschuldung, die zur Abwahl führte. In Deutschland aber hat man den Schuß noch nicht gehört. In Berlin verkündet der neue linksgrüne CDU Bürgermeister Wegner 5 Milliarden für den Klimaschutz auszugeben. Kosten uns ja nix, kommt ja aus einem Sondervermögen. Ja ne is klar!

Oneiroi
1 Jahr her

Stellt sich die Frage, ob es diese Konservativen das Pendant zur CDU sind. Dann kann man davon ausgehen, dass es weiter wie bisher läuft:D.

Evero
1 Jahr her

Glückwunsch an die Finnen.
Die quotierte Milchmädchenpolitik trägt eben nicht lange, bis Schäden sichtbar werden.
Es braucht schon mehr, als Redetalent, Quotenordnung und Ideologie, um ein Land ordentlich zu regieren.
Gutes Regieren ist immer ein Entscheiden zum Wohle der Allgemeinheit und nicht ein Entscheiden nach Maßgabe von ideologischen Manifesten.

Michael W.
1 Jahr her

Die Konservativen sind aber auch nicht besser: NATO-Beitritt, Russenhass, Klimawahn. Es geht einfach weiter so. Die Macht ruft und wer sie hat, wird sie missbrauchen.

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Die schwarzlackierten Grünen von der Merz-Union wollen lieber mit der Kernpartei der grünen Idiotie bei der nächsten Wahl auf die Regierungsbänke. Durch Merkels links-grüne Zerstörungspolitik inhaltlich komplett entkernt, sucht man den Anschluss an die grünlackierten Kommunisten. Die Deutschen werden wohl auch in den nächsten Jahren die links-grünen Zerstörer wählen, die sie entrechten, ausplündern und demnächst auch noch enteignen. Es gehört eben zu den sündhaft teuren Hobbys der deutschen Untertanen, permanent gegen die eigenen Interessen zu wählen.

Evero
1 Jahr her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Die Linksverherrlichung bedeutet antibürgerliche Politik, Verarmung, Verschuldung, Inflation, Deindustrialisierunng, Spaltung der Gesellschaft, Zensur und Verfolgung von Regimekritikern.
Die CDU sollte abdanken. Sie hat sich erledigt.

Last edited 1 Jahr her by Evero
Sonny
1 Jahr her

Unser Sohn hat vor ca. 10 Jahren ein Jahr lang in Finnland studiert. Gemeinsam mit einem Amerikaner bewohnte er damals ein kleines Apartement und die politischen Unterschiede zwischen Deutschland, Amerika und Finnland waren gravierend. Unser Sohn erzählte über Finnland und die Finnen so einiges: Hohe Alkoholikerrate (auch und besonders bei jungen Menschen), ein kaltes und übermäßig dunkles Land mit dezimierten Tageslichtzeiten und vor allem eine große Angst vor Rußland. Während die „deutsch-amerikanische Freundschaft“ in der Wohngemeinschaft wunderbar funktionierte, gab es keinen Anschluss an die heimische Bevölkerung – man blieb für sich. Die Finnen sind schon ein besonderes Völkchen, vor allem… Mehr

Niklas
1 Jahr her

Dass Schweden einen härteren Kurs gegen illegale Einwanderer fährt, hat Skandinavien aufgerüttelt. Kein Land dort will nun ins Fadenkreuz der Bewohner der Dritten Welt geraten, die sich in die Solzialleistungs-Hängematte legen wollen.