Der vernünftige Osten der EU ist wieder da

Der Sieg Karol Nawrockis bei der polnischen Präsidentschaftswahl ist Teil einer konservativen Wende, die sich in Europa ausbreitet – und die Politik verändern wird.

picture alliance / NurPhoto | Andrzej Iwanczuk

Irgendwie hatten alle geglaubt, der Liberale Rafał Trzaskowski würde die polnische Präsidentschaftswahl gewinnen. Der kometenhaft aufgestiegene, aber dann doch bei der rumänischen Präsidentschaftswahl klar gescheiterte rechte Kandidat George Simion hatte bange gewarnt, wenn Nawrocki verliere, dann sei 2026 Viktor Orbán dran und würde mit vereinter Kraft der liberalen Eliten die ungarischen Wahlen verlieren. Er selbst litt sicherlich noch unter dem Trauma seiner verlorenen Wahl – er hatte sich schon als Sieger gesehen.

Und tatsächlich gab es Sorgen unter Konservativen, als glaubten sie nicht recht an ihre Kraft: Die AfD in Deutschland war in Schach beziehungsweise jenseits der Brandmauer gehalten, die FPÖ in Österreich war umsonst stärkste Partei, darf doch keine Regierung bilden. Marine Le Pen in Frankreich wurde daran gehindert, überhaupt bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, Simion war in Rumänien gescheitert, und die frühere konservative PiS-Regierung war in Polen 2023 mit Hilfe der US-Democrats und der EU zu Fall gebracht worden. Würde die erhoffte konservative Trendwende nach dem Sieg von Donald Trump in den USA wirklich stattfinden, und von Dauer sein?

Welchen Unterschied ein einziger Wahlsieg macht. Plötzlich ist alles anders, dank weniger als 400.000 Stimmen und weniger als zwei Prozentpunkten Unterschied.
Der Sieg Nawrockis bedeutet, dass die liberale Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk geschwächt ist. Er musste auch bisher mit einem konservativen Präsidenten auskommen, Andrzej Duda, der ein Vetorecht hatte bei jedem Gesetz, das aus dem Parlament kam. In seiner Not griff Tusk (beraten von der EU und den damals noch liberalen USA) zu „transitioneller Justiz”, auf Deutsch, zu einer Aussetzung rechtsstaatlicher Prinzipien, um Institutionen umzukrempeln und PiS-Politiker nach Möglichkeit vor Gericht zu bringen.

Bei all dem erwarteten die meisten politischen Beobachter, und hofften alle Liberalen, dass nach Duda der nächste Präsident Trzaskowski heißen würde. Dann hätte Tusk seinen Umbau der polnischen Machstrukturen vollenden können, ohne wie bisher formale rechtstaatliche Regeln brechen zu müssen. Die Dynamik, so die Erwartung, war auf der Seite der Liberalen.

Diese Stimmung in Sachen politische Dynamik hat Nawrockis Sieg ins Gegenteil verkehrt. Nun ist es Tusk, der spüren muss, dass sich die Windrichtung geändert hat, dass die Dynamik nun PiS zum Zukunftsträger macht.

Plötzlich sieht auch Simions Niederlage in Rumänien im Nachhinein wie ein Triumph aus: Die 41 Prozent, die er in der Vorrunde erreichte, spiegeln das Potential seiner Partei bei Parlamentswahlen. Die jüngsten Umfragen sehen AUR bei 39 Prozent. Das ist eine Größenordnung, die einen Systemwechsel in Rumänien bedeuten würde – nachhaltig Erfolg haben kann er aber nur, wenn er seine nationalistische Haltung gegenüber der ungarischen Minderheit in Rumänien gründlich revidiert. Auch die AfD in Deutschland, di ebei den Wahlen im Februar ihrem bislang bestes Ergebnis erzielte, ist seither noch weiter erstarkt. In England ist seit einiger Zeit ein künftiger Wahlsieg von Nigel Farage mit seiner „Reform UK” denkbar.

Nächste Station: Tschechien. Dort wird im Oktober gewählt, und ANO, die Partei des früheren Ministerpräsidenten und Orbán-Verbündeten Andrej Babis, führt in jeder Umfrage haushoch. Sein Sieg würde bedeuten, dass nach einigen Jahren der Zerrüttung der ursprüngliche Visegrád-Block wieder stehen würde, als Gegengewicht zu den chronischen Zentralisierungsbestrebungen in der EU.

Fico in der Slowakei, Nawrocki in Polen, Babis in Tschechien, und Orbán: Das wird es schwer machen, in der EU, wie von der deutschen Regierung unter Friedrich Merz gewünscht, das Veto-Recht abzuschaffen, oder gar das Artikel 7-Verfahren gegen Ungarn mit einer Verurteilung abzuschließen (Entzug der Stimmrechte).

Der vernünftige Osten der EU ist wieder da, um Europa seine Seele zurück zu geben – das, was unsere Zivilisation ausmacht. Bürgerliche Werte.

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Kommentare ( 26 )

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Icarus
1 Monat her

Die in diesem Artikel als „liberal“ bezeichneten Politiker streben ein globalistisches, totalitäres Regime an. In der gegenwärtigen Auseinandersetzung geht es nicht um Konservatismus oder „Liberalismus“, sondern um Freiheit oder Totalitatrismus.

Dundee
1 Monat her
Antworten an  Icarus

So ist es. Nichts an den sogenannten „Liberalen“ ist liberal. Auch die „Woken“ sind nicht woke, sondern Penner, die nie aufwachen werden. Auch dann nicht wenn durch Ihr sozialistisches Streben das Geld der anderen Leute, von dem sie leben, endgültig nachhaltig vernichtet wurde.

DELO
1 Monat her

Das rechtsliberale Bürgertum ist eindeutig auf dem Vormarsch in Europa. Das ist gut so, wird aber seine geschichtliche Zeit benötigen. Die Linken waren sehr weit vorgedrungen und haben – Gott sei Dank – mit ihrem Bevormundungswahn ihren eigenen Erfolgskurs gestoppt. Auch die „Rechten“ überzeugen noch nicht wirklich. Ein „bunter Blumenstrauß“ wie die AfD macht noch keinen Sommer, der trostlose Auftritt der Rechten nach einem grandiosen Wahlsieg in Österreich offenbart völlig dumme Verbissenheit und Frankreich mag auch nicht so recht überzeugen. Allein Meloni hebt sich aus dem rechtsorientiertem Europa in angenehmer Art und Weise heraus. Das aber genügt noch lange nicht.… Mehr

Ernst K.
1 Monat her

„Die Rückkehr des Visegrád-Blocks“

Ich hoffe, daß es klappt, denn ohne diesen Block macht vdL was sie will.

Martin Buhr
1 Monat her

Den Links-Gruenen Liberalismus hatte Hans Scheibner einmal treffend beschrieben : „Ihr Freiheitskaempfer , die ihr befreit , die Unfreien in die Unfreiheit und FREIHEIT bruellt und meint es sei der Mensch nun euch zu gehorchen frei (…) .“ Die Frage , wie es dazu hatte kommen koennen , dass die EU zu einem zentralistischen und totalitaeren Gebilde hat heranwachsen koennen , legt den Verdacht nahe , dass sie sich von Beginn an genau dorthin bewegen sollte . Was mittlerweile aus Bruessel kommt , dient ganz offensichtlich nicht Europa . Ein gemeinsames , selbstbestimmtes Europa haette den Bruch mit Russland niemals… Mehr

Marcus Iunius Brutus
1 Monat her
Antworten an  Martin Buhr

dass die EU zu einem zentralistischen und totalitaeren Gebilde hat heranwachsen koennen… Beschäftigt man sich näher mit dem Wirken Jean Monnets insbesondere im Großen Krieg, wird klar, dass das von Anfang an so gewollt war.

bkkopp
1 Monat her

Abgesehen davon, dass liberal-konservative Juristen in Europa und den USA die Sache mit der Justiz in Ungarn, und wohl auch Polen, deutlich kritischer sehen als die Orban-Fans, auch der ehemalige, konservative Richter, Rechtswissenschaftler und Historiker aus England, Lord Jonathan Sumption, der früher auch Margret Thatcher und anderen prominenten Tories nahestand, hat Ungarn mit Venezuela, Peru, Turkei und Russland als “ failing democracies “ subsummiert. Die USA unter dem Trump-Regime sieht er auf dem Weg dorthin, und ist sich damit mit zahlreichen Staatsrechtlern der USA einig. Sumption begründet seine Einordnung in einem Gastbeitrag in der New York Times unter dem Titel… Mehr

Adlershofer
1 Monat her

Abwarten. Es gibt demnächst Wahlen in Sachsen-Anhalt, in Berlin, in MV und im Ländle. In Berlin auch, aber hier ist die Vernunft bestenfalls in den Bezirken außerhalb des S-Bahnringes vertreten. Es gibt immer mehr Menschen, die nachdenken, vor allem wegen dem sich abzeichnenden wirtschaftlichen Desaster nach 20 Jahren Merkel und Ampel. Die Realität schlägt die Ideologie, das war 1989 / 1990 genau so. Und die Realität wird in den alten Bundesländern erbarmungsloser zuschlagen als im Osten, hier war das in den 90er Jahren schon der Fall. Alles selbst erlebt-und überstanden.

Klaus Kabel
1 Monat her

Das klare scheitern des Kandidat Simion müsste untersucht werden, ob das wirklich so klar ist. Nach der Wahl des konservativen Präsidenten und der darauffolgenden Ungültigkeitserklärung, sehe ich hier nicht so klar. Ebensowenig waren die Democrats liberal. Sie war ein linkswoker, betrügerischer Haufen, der eine neue alte, nämlich linke, Weltordnung gegen den Willen der Bürger, implementieren wollten. Die Democrats sind und waren genauso demokratisch und totalitär, wie die deutsche Brandmauer Mafia.

Last edited 1 Monat her by Klaus Kabel
Hans E.
1 Monat her

Liberal im Sinne der „Linksliberalen“ steht nicht für Freiheit, sondern für grün-woken Sozialismus, dem Green Deal, dem Deep State und Zensur und Zersetzung im Stil der Stasi. Die Protagonisten heißen Merz, Weber und von der Leyen. Kein Wunder, wenn der „Hass“ auf Deutschland bei den Menschen in den anderen EU Ländern gerade wieder zunimmt.

Manfred_Hbg
1 Monat her

Zitat: „Der vernünftige Osten der EU ist wieder da, um Europa seine Seele zurück zu geben – das, was unsere Zivilisation ausmacht. Bürgerliche Werte.“ > Welchen Weg gehen hier eigentlich die -doch wohl auch zum Osten gehörenden- EU-Baltic-Staaten? Oder nicken die „Balticer“ alles ab was aus EU-Brüssel kommt? Und was Skandinavien betrifft, könnte man hier sagen das aus sie mittlerweile mehr dem „Osten der EU“ als EU-Brüssel mit seinen grünlinken Pseudodemokraten zugetan ist? Interessant und spannend dürfte es hier aber wohl auch noch mit Bliclk auf die Benelux-Länder und Holland werden und wie es dort nach den Reg.-Austritt von G.Wilders… Mehr

Logiker
1 Monat her

Hat sich im Westen schon mal jemand gefragt, warum ausgerechnet Länder des ehemaligen Ostblocks, die ja bekanntlich fast 45 Jahre von der Sowjetarmee besetzt waren, die westliche Russophobie nicht unterstützen, wo sie doch nach westlicher Lesart extrahasserfüllt sein müssten?

Last edited 1 Monat her by Logiker
Dundee
1 Monat her
Antworten an  Logiker

Für die Regierungen der Länder, die Sie nennen, stimmt das was Sie schreiben. Die Bevölkerung sieht das aber ganz anders. Genau das zeigen die aktuellen Wahlergebnisse in den genannten Ländern. Logiker behauptet das logisch korrekt. Der Eintritt Finnlands und Schwedens in die NATO geschah ebenfalls auf Bestreben der Regierungen gegen die Interessen der jeweiligen Bevölkerungen. Die gesamte EU ist eine Räterepublik abgeschobener Provinzpolitiker, wie es die Sowjetunion vor ihrem Zerfall war. Die EU wird das gleiche Schicksal teilen. Kein Volk will diese verlogene Diktatur, eine Karikatur von Demokratie, die bis in die kleinste Zelle des täglichen Lebens von oben herab… Mehr

Logiker
1 Monat her
Antworten an  Logiker

Estland, Lettland, Litauen und die Ukraine gehörten zur SU, also selbst zur Besatzungs. acht.
Poelen pflegt seine Erzfeindschaft mit Russland seit Jahrhunderten.

Alexander Wildenhoff
1 Monat her

Was mich an dem Kommentar stört, ist die unqualifizierte Übernahme der angelsächsischen Wortbedeutung „liberal“. In Nordamerika ist ein „liberal“ unzweifelhaft ein „Linker“.   Tusk ist nicht, wie in vielen Mainstream-Artikeln insinuiert, ein liberal-konservativer Politiker, sondern ein sozialistischer, der in unserem Spektrum links von der SPD verortet würde. In Deutschland und anderen europäischen Staaten wird der parlamentarische Liberalismus aufgrund seiner Wirtschaftsnähe („Leistungsgerechtigkeit“) teilweise als politisch „rechts“ oder „bürgerlich“ eingestuft. Also vollkommen anders als in der angelsächsischen Begrifflichkeit.