Bestechung, Geldwäsche: Milliarden-Skandal bei der NATO

Untersuchungen wegen Korruption und Geldwäsche im NATO-Hauptquartier: Die Ermittler haben Hinweise, dass es bei milliardenteuren Rüstungsdeals zu möglichen Bestechungsfällen gekommen sein soll – es gab bereits zwei Festnahmen.

IMAGO / ZUMA Press Wire

Ein möglicher Korruptionsfall von internationalem Ausmaß erschüttert die NATO: Strafverfolgungsbehörden mehrerer Länder ermitteln derzeit gegen Mitarbeiter der NATO-Beschaffungsagentur NSPA mit Sitz in Luxemburg. Der Verdacht: Bestechung, Weitergabe vertraulicher Informationen und Geldwäsche im Zusammenhang mit milliardenschweren Rüstungsaufträgen. Der Fall könnte weitreichende Konsequenzen für das Vertrauen in das Verteidigungsbündnis haben – und für laufende Waffendeals mit enormem Volumen.

Wie die belgische Staatsanwaltschaft bestätigte, wurden im Rahmen der Ermittlungen am Montag zwei Verdächtige in Westflandern festgenommen. In der Gemeinde Bredene kam es zudem zu umfangreichen Durchsuchungen. Gegen einen der Verdächtigen wurde ein Haftbefehl erlassen. Auch in anderen NATO-Mitgliedsstaaten kam es zu Festnahmen, bestätigte ein Sprecher des Bündnisses gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die NSPA (NATO Support and Procurement Agency) ist verantwortlich für den zentralen Einkauf von militärischer Ausrüstung, Munition und Logistikdienstleistungen für die Mitgliedstaaten. Allein in den vergangenen Jahren wurden über die Agentur Verträge im Umfang von mehreren Milliarden Euro abgeschlossen – darunter für Drohnen, Munition und Unterstützungsleistungen.

Verdacht: Insider-Informationen gegen Geld

Konkret wird nun ermittelt, ob interne NSPA-Mitarbeiter sensible Informationen zu Ausschreibungen und Vertragsdetails an bestimmte Rüstungsfirmen weitergegeben haben. Diese Informationen könnten den Unternehmen einen entscheidenden Vorteil bei der Vergabe von Aufträgen verschafft haben – möglicherweise gegen hohe Bestechungssummen.

Die Behörden prüfen darüber hinaus den Verdacht, dass Teile des mutmaßlich illegal erlangten Geldes über eigens gegründete Beratungsfirmen gewaschen wurden. Derartige Tarnkonstruktionen sind ein typisches Instrument organisierter Wirtschaftskriminalität.

„Nulltoleranz bei Korruption“

Eine Sprecherin des Verteidigungsbündnisses erklärte, die NATO nehme die Vorwürfe sehr ernst und arbeite eng mit den nationalen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Man sei entschlossen, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Besonders brisant: Die Ermittlungen wurden offenbar durch interne Hinweise aus der NSPA selbst ausgelöst. Demnach hatte die Agentur Unregelmäßigkeiten bemerkt und die Justizbehörden informiert – ein seltener Fall proaktiver Selbstkontrolle in einem sensiblen Bereich der Sicherheits- und Rüstungspolitik.

Der Fall kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und wachsender Bedrohungen weltweit steht die NATO vor einem gewaltigen Aufrüstungsprozess. Allein in diesem Jahr wurden neue milliardenschwere Verteidigungsprojekte angestoßen – darunter für moderne Luftverteidigung, Artillerie und Drohnentechnologie.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, droht der NSPA und der NATO insgesamt ein erheblicher Vertrauensverlust. Beobachter warnen zudem, dass Korruptionsfälle dieser Art auch sicherheitspolitisch gefährlich seien – schließlich könne jeder manipulative Eingriff in Rüstungsvergabeverfahren zu technologischen und operativen Schwächen führen.

Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Weitere Verhaftungen und Durchsuchungen in anderen Ländern sind laut Ermittlern nicht ausgeschlossen. Innerhalb der NATO wächst der Druck, die interne Compliance-Struktur der NSPA grundlegend zu überarbeiten.

Ein hochrangiger NATO-Offizieller, der anonym bleiben möchte, spricht gegenüber dpa von einem „Weckruf“: „Wir brauchen nicht nur mehr Geld für Verteidigung, sondern auch mehr Kontrolle darüber, wie dieses Geld eingesetzt wird.“ Die kommenden Wochen dürften zeigen, wie tief das System erschüttert wurde – und wer am Ende zur Rechenschaft gezogen wird.

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Kommentare ( 48 )

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Anna-Maria
1 Monat her

„Was Selenskij kann, können wir auch“ Oder von Selenskij lernen, Korruption und Gendwäsche, Waffenverschiebung und so weiter lernen!

joly
1 Monat her
Antworten an  Anna-Maria

Seit wann sind solche „Ungereimtheiten“ bekannt und möglich? Ich lese NATO und denke an vdL und ihre korrupte Blase in Brüssel.

Elmar
1 Monat her

Wenn ich jetzt ein kleines bisschen ironisch werden wollte, würde ich sagen, so etwas gibt es nur in Russland und in China. In der Welt der „Guten“ kann das gar nicht sein.

HansKarl70
1 Monat her

Sobald viel Geld im Spiel ist, geht es schief. das war schon immer so und wird auch so bleiben. Genug scheint manchem nicht genug zu sein.

Aboriginal
1 Monat her

Es gibt für die Bundeswehr das Beschaffungsamt in Koblenz, wozu muss die NATO noch selbst beschaffen?

Raul Gutmann
1 Monat her

Die Stimmen, die behaupten, der „Selbsterhaltungskampf Rußlands“, den der sich selbstreferenzierende Westen einen „unprovozierten völkerrechtswidrigen Angriffskriegnennt, werde vom Westen maßgeblich deshalb prolongiert, weil er neben Gewinnen für den Militärisch-Industriellen-Komplex eine gigantische Geldwäsche ermögliche, gehören sicher zu den notorischen Internet-Trolls.
Alles Nazis – außer Mutti!

Raul Gutmann
1 Monat her

Vor recht genau zwei Jahren verglich Thomas Röper Frankreich und Deutschland bezüglich ihrer Verteidigungsetas und realen Streitkräfte (hier). Sein Verdikt pointierter Form: in Deutschland muß es entweder Korruption oder Dummheit geben; beides in extremer Form.
Analoges gilt offenkundig auch für die Nato.
Ein Detail: der Preis einer 155-Millimeter-Granate erhöhte sich im Zuge des Rußland-Ukraine-Konflikts von 2.000 auf 8.000 Dollar. Wohl kaum aus betriebswirtschaftlichen Gründen…

Ernst-Fr. Siebert
1 Monat her

Kann man so nach und nach auf die Formulierung „russischer Angriffskrieg“ verzichten? Mancher hat hier, und das nicht unbegründet, da eine andere Sicht auf die Ereignisse.

Baron Fred
1 Monat her
Antworten an  Ernst-Fr. Siebert

Besser NATO Osterweiterungskrieg. Der auch noch im verlieren begriffen. Eigentlich schon längst verloren. Da retten sich die NATO Krieger noch an Steuergeld so viel es geht.

Ralf Poehling
1 Monat her

Wundert sich da jetzt jemand drüber? Ich hoffe nicht.
Die NATO gehört zur Kategorie „too big to fail“.
Was in solchen Umfeldern früher oder später immer zum Vorschein kommt, ist der berühmte Filz. Da wird bei Auftragsvergaben gekungelt. Und das reißt dann irgendwann so massiv ein, dass der berühmte Glaser die Fensterscheiben einwerfen lässt, um mehr Fenster zu verkaufen.
Was in dem Fall bedeutet: Krieg, der nicht aus Überzeugung oder aus einer echten Verteidigungslage heraus erfolgt, sondern aus finanziellen Interessen.
Und das ist absolut verwerflich.

Lesterkwelle
1 Monat her

Nach Corona, Klima kommt jetz Rüstung in Billionenhöhe – 2% war gestern, jetzt heisst es 5% BIP. Pistorius und wenn es ernst wird Merz wollen schliesslich Europas stärkste Armee befehligen. Geld ist nach Lockerung der Schuldenbremse im Überfluss vorhanden, Leute, da muss doch was nebenbei zu holen sein. Krisen sind Chancen.Nutzen wir sie. Was in der EU möglich war und ist, sollte doch bei der Nato ebenso drin sein. Beide haben ihren Sitz im schönen Brüssel…Und diskrete Bitte an Herrn Trump: Haben Sie es nicht so eilig mit dem Kriegsende in der Ukraine…

Last edited 1 Monat her by Lesterkwelle
Elmar
1 Monat her
Antworten an  Lesterkwelle

Ob Geld oder zunehmend wertloser werdende Papierschnippel im Überfluss vorhanden sind, ist die Frage aller Fragen.

the toothfairy
1 Monat her

Erst die EU Kommission, jetzt die NATO – Korruption wohin man blickt!

Elmar
1 Monat her
Antworten an  the toothfairy

Die EU-Kommission und die NATO sind nur die Spitze des Eisberges oder besser gesagt nur ein Teil von der Spitze.

Klartexter
1 Monat her

Ich freue mich auf den Tag, an dem der Sumpf in Brüssel austrocknet und sichtbar wird, in welchem ungeheuren Umfang gelogen und betrogen und bestochen wird. Dies irae, dies ater – das Armageddon der Bürokraten.