Mir würde das Abwahlrecht reichen

Die alte Dame fand Merkel gut, die junge wählte Grün und der Mann im Alter der Jugend will einen Volksvertreter, der seine Interessen vertritt auf jederzeitigen Widerruf. Solange das Wahlrecht das nicht hergibt, wählt er nicht.

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Wie schon bei der alten Dame (CDU-Wählerin) und dem jungen Mädchen (Grüne) passierte die Auswahl der Gesprächspartner zufällig. Einziges Kriterium war, dass die Partei, welche die Angesprochenen vorgaben, wählen zu wollen, hier noch nicht besprochen wurde. Der hier im Folgenden gesprächsbereite Wahlberechtigte saß gerade in der Straßenbahn in Leipzig. Und erklärte ziemlich überzeugt, überhaupt nicht wählen zu wollen. Nicht ohne Abwahlrecht. Aber man sei ja gleich am Bahnhof, das könne man dort besser miteinander besprechen, als hier in der Bahn.

Merkelland Exkursion 1
Angela Merkel: Mehr geht eben nicht
Geburtsjahr 1962, langhaarig, braungebrannt, vom Leben gegerbtes Gesicht, raue, aber auf seine Art herzliche Stimme in einer Eindringlichkeit, die man bei dem einen oder anderen Politiker schmerzhaft vermisst. Oder es lag einfach daran, dass der Mann aus Leipzig bewusst leiser sprach. Eine Tonlage die offensichtlich sonst nicht zu seinem ersten Repertoire gehört, ihm hier aber angebracht erschien. Zum Bahnhof war er gefahren, um sich im Zeitschriftenhandel ein paar Zeitungen zu holen. Mit dabei die TAZ, aber offensichtlich auch die Junge Freiheit.

Am Bahnhofshofvorplatz muss er laut lachen, weil dort mittlerweile per Lautsprecher Wagner und Beethoven gespielt werden, weil man damit die Junkies abhalten will. Und es würde prima funktionieren, die Drogen machen wohl geräuschempfindlich, das Sitzen dort sei dann unter der Beschallung mit klassischer Musik nicht mehr zu ertragen. Die Linken und die Grünen fänden das menschenfeindlich, aber es wirkt ja, meint er grinsend.

Aber nun wollen wir auch wissen, warum er nicht wählt, seine Zeitungsauswahl würde doch darauf hindeuten, dass es schon ein gewisses Angebot für ihn gäbe, oder nicht? Nein, das Problem sei für ihn nicht das Wahlrecht, sondern das fehlende Abwahlrecht. „Nur ein Idiot geht zu einem Vermögensverwalter und erteilt ihm eine Blankovollmacht für vier Jahre ohne Widerrufsrecht bei Missbrauch.“

Er will einen Volksvertreter, der seine Interessen vertritt auf Widerruf. Leipzig wäre dann beispielsweise in fünf Stadtviertel aufgeteilt, jedes Viertel würde einen Bevollmächtigten bestimmen und nach Berlin schicken. Fertig. Wenn er nicht spurt, wird er eben ausgetauscht. Abwahlrecht. „Klar, an der Auswahl des Delegierten meines Viertels kann ich mich ja gerne beteiligen. Man setzt sich zusammen und bestimmt den Besten. Mehr braucht es nicht. Die Amerikaner machen es ja nicht anders. Eigentlich sogar die halbe Welt, wenn man sich Frankreich und England anschaut. Es geht doch schlicht um die Entmachtung der Parteien. Nicht zuerst die Partei sollte bestimmt werden, sondern umgekehrt.“

Merkelland Exkursion 2
Die Grünen: Einsatz für alle Menschen
Er bestellt sich einen doppelten Espresso, schaut sich um, sieht vier südländische Mädchen und kommentiert: „Denen hätte ich aber auch Asyl gewährt. Ich würde allerdings jeden ins Land lassen, der Geld mitbringt und die internationalen Regeln für Reisen versteht.“ Was das genau für Regeln sind, erinnert er aus seinem letzten Rio-Aufenthalt, da würde es auch nicht anders laufen als in den meisten Ländern der Welt: „Man reist mit vollen Taschen ein, wird also automatisch als Bereicherung empfunden. Und wenn die Taschen leer sind, reist man eben still und leise wieder aus.“

Für ihn ist das Asylrecht eine große Spinnerei, das gäbe es nirgends sonst auf der Welt in der Form. Hier stimme er zu einhundert Prozent mit Donald Trump überein.

Mit diesem ganzen Parteinsystem würde doch die persönliche Verantwortung ausgelagert und gecancelt. Für ihn heißt die AfD übrigens nur A. für Deutschland“. „A.“, weil noch längst nicht klar ist, ob das „A“ für „Alternative“ oder für das Wort mit A … stehe. Er ist skeptisch, denn eine Alternative für Deutschland könne nur eine Systemalternative sein.

Zum Abschied empfiehlt er noch einen Besuch im Leipziger Barfußgässchen. Da findet jeder am Abend, was er braucht: Gute Atmosphäre in traditioneller Architektur, aber niemals miefig. „Da ist immer was los und das gefällt mir.“

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Kommentare ( 44 )

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tc
6 Jahre her

Ein Abwahlrecht würde nicht funktionieren. Es gab schon genug Wahlen in Deutschland, bei denen man die Stimmen für die unbeliebte Partei AFD einfach nicht mitgezählt hat oder sie ungültig gemacht hat. Bei einen Abwahlrecht, würde man einfach die“Abwahlstimmem“ für die Abwahl von CDU, CSU, Grüne, SPD, Linke nicht mitzählen oder ungültig machen. Somit sind diese Parteien Unabwählbar.

Störk
6 Jahre her

Ergänzend dazu: jeder Wähler sollte 3-4 Wochen vor der Wahl die Möglichkeit bekommen, zu entscheiden, in welchem Wahlkreis er abstimmen will. Ich möchte nämlich für Herrn Schäffler stimmen können, ohne meinen Lebensmittelpunkt nach Ostwestfahlen verlegen zu müssen.

DANN bräuchten wir wirklich keine Parteien mehr, ein reines Personenwahlrecht würde genügen.

Erwin2016
6 Jahre her

ich wollte noch anmerken, ich kenne soviel kluge Leute aus dem normalen Leben, die einiges zu erzählen und beizutragen hätten. die müssten viel mehr zu Wort kommen.

Katharina
6 Jahre her

Oder ……. “ Wir leben doch nicht in einer Demokratie um uns diktatorisch regieren zu lassen!“ Dieser Satz stammt auch von einer 19 jährigen Nachbarin ( Eltern sind Unternehmer einer kleinen Firma, sie hat noch einen Bruder , eigenes Haus , beide Elternteile in der AfD), aus unmittelbarer Umgebung und war ein Resultat meiner kleinen ganz privaten Umfrage Recherche zu … Was haltet ihr von den Aktionen zur BTW 2017? Gestern erfuhr ich noch von ihrer Mutter, sie möchte auch gerne ins Ausland für ein bis 1,5 Jahre und dort Menschen kennenlernen und sich einbringnen. Wunschland ist Vietnam oder Kambodscha…warum… Mehr

Erwin2016
6 Jahre her

flankierend müssen die ör Medien verkleinert und umgestaltet werden.

Andreas Bartholomäus
6 Jahre her

Die Legislative Gesetzgebung darf nur Gesetze beschließen und bestimmt kein judikatives Bundesrecht wie das Bundesverfassungsgericht sprechen. Du beklagst dich über ein Parteiendiktat ohne Vetorecht und verlangst gleichzeitig die wahl einer Diktatpartei, welche den Bürgern ein Vetorecht gegen die Parteienwahl einräumt? Ist dir überhaupt der unterschied zwischen Recht und Gesetz in einem demokratischen Rechtsstaat bewusst? Artikel 20 Grundgesetz: [Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht] (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (3) Die Gesetzgebung… Mehr

Reimund Gretz
6 Jahre her

Ich habe nicht zur Wahl einer bestimmten Partei aufgefordert. Wenn sie nicht nur die 6 Parteien kennen über die von den Medien berichtet wird, dann wissen sie es sind mehrere Parteien die Bürgerbeteiligung durch Volksentscheide auf Bundesebene fordern. Es mag sein früher war es ausreichend die Parteien für 4 Jahre entscheiden zu lassen, aber da hatten wir auch noch bessere Politiker und es gab keine Bundeskanzlerin die sich über die Gesetze und den Willen der Bevölkerung hinwegsetzt. Es geschehen auch zu viele Dinge in immer kürzerer Zeit wo man als Bürger eingreifen können muss. Was in der Schweiz funktioniert würde… Mehr

Timmy
6 Jahre her

Guter Hinweis. Mindestmeldepflicht vor Kandidatur 5 Jahre ?

Fritz Goergen
6 Jahre her

Sie verwechseln politisch mit parteipolitisch …

Nachdenker
6 Jahre her

Wer geht denn dann noch in die Politik? Erst studiert man 8 Jahre ohne einen Abschluss zu machen und dann bekommt man nicht einmal mehr einen sicheren Job in der Politik? Nein, ich versteh den Mann ja irgendwie. Jeder zeigt seine Resignation halt anders. Er mit Enthaltung ich mit zwei genüüüüßlichen X. Mal ein Vorschlag: Man bietet in Zukunft am Ende des Wahlzettels ein zusätzliches Kreuzerl an, sozusagen „keinen von denen“. Diese Kreuze werden zwar nicht als Wahl gezählt, aber die Wahlkampferstattung wird genauso abgerechnet wie bei allen anderen Stimmen. Der sicher ziemlich große Betrag wird dann per Online-Abstimmung einem… Mehr