Ein verlorenes Jahr

2025 war das Jahr, das man besser übersprungen hätte. Das Wählen hätte man sich gleich sparen können: andere Gesichter, gleiche Politik. Merz statt Scholz, Bas statt Habeck, große Worte statt verantwortungsvolles Regieren. Das Ergebnis: Wirtschaft im freien Fall, massive Verschuldung, Staatsversagen überall – und vor allem: keine Zuversicht mehr. Die wurde 2025 aufgebraucht.

Stellen wir uns vor, wir könnten das Jahr 2025 herausschneiden. Es hätte gar nicht stattgefunden. Seriös ist das nicht, nur ein Gedankenexperiment.

I.

Ohne 2025 wäre ein gewisser Robert Habeck noch immer Deindustrialisierungsminister im Klimakatastrophenmodus. Kanzler Scholz würde ihn machen lassen. Statt dessen haben wir Bärbel Bas, Sozialismusbeauftragte einer „großen“ Koalition im SPD-Selbstvernichtungsmodus. Blöderweise geht dabei auch der Sozialstaat hops. Kanzler Merz lässt sie machen. Kein großer Unterschied. 2025 wäre nicht nötig gewesen. Nur die Macht der Wörter ändert sich. Statt Klimagerechtigkeit ist wieder öfter von sozialer Gerechtigkeit die Rede, wenn Umverteilung gemeint ist. Das Ziel ist dasselbe. Ohne 2025 wäre die Wohlstandsvernichtung noch nicht so weit. Noch nie war der stille, durch Teuerung verursachte Sozialabbau so spürbar wie 2025.

II.

Die Ampelkoalition war auch schon vor einem Jahr am Ende. Im Winterwahlkampf 2025 hat Friedrich Merz den Wählern erzählt, was er im Gegensatz zur großen Transformation der Ampel unter Wandel versteht. Seit der Wahl wissen wir es. Es hat sich nichts Entscheidendes geändert. Der Staat verkommt, versagt, verschuldet sich in Rekordtempo zulasten kommender Generationen und enteignet die Lebensleistung der Älteren. In dieser Hinsicht hätte man sich das Wählen sparen können, wenn schon sonst nirgends gespart wird. Nur neue Lautsprecher wurden am Kanzleramt montiert. Statt Scholzomat hifi-Surround. Die Leute halten sich schon die Ohren zu. Der Verzicht auf das Jahr 2025 hätte uns gut getan, es wäre ein Jahr ohne Merz im Kanzleramt gewesen.

III.

Ach ja, Trump. Seitdem er zum zweiten Mal Präsident geworden ist, sprechen Skeptiker vom Ende des Westens und er selbst von der großartigsten Regierung in der Geschichte der Menschheit. Trump II übertrifft Trump I deutlich an Größenwahn, unterschreibt stapelweise Disruptionsdekrete und droht Dänemark mit der Annektion Grönlands. Stellen wir uns einen Augenblick vor, er wäre noch nicht im Amt. Wäre der Ukrainekrieg anders verlaufen? Auch ohne roten Teppich in Alaska und ohne Aufwertung durch Trump hätte Putin weitergemacht wie er eben weitermacht als Vollstrecker dessen, was er für Geschichte hält. Ohne 2025 wäre die Bundeswehr, was sie auch nach 2025 im Grunde immer noch ist, eine Behörde in Uniform. Der Unterschied wäre: Die Europäer würden weniger Geld für Rüstung ausgeben und Putins Mafiaregime munter weiter unterschätzen. So wie ihn nun offenbar auch Trump unterschätzt. Weil er ihn schätzt. Der Mann hat Macht – also Format. Auch in dieser Hinsicht können wir 2025 praktisch vergessen. Ein Waffenstillstand ist in weiter Ferne, geschweige denn Frieden.

IV.

Manchmal scheint es, als wäre ein Land, das gar nicht regiert wird, auch nicht schlechter dran, als ein Land, das schlecht regiert wird. Sich vorzustellen, Deutschland wäre ein ganzes Jahr lang gar nicht regiert worden, fällt also nicht schwer. Die Wirtschaft befände sich weiter im langen Abstieg, wenn auch vielleicht noch nicht im „freien Fall“, wie man neuerdings sagt. Die Brücken weiterhin marode, die Bildung eine Katastrophe, die Bahn ein Witz und so weiter. Was wäre der Unterschied? Aufgebraucht wurde 2025 die Zuversicht. Darauf hätten wir gern verzichtet.

V.

Dieses Jahr, das wenigstens kann man ihm nicht absprechen, hat die meisten Deutschen ehrlicher gemacht. Wir sprechen manches aus. Und erschrecken. Nicht vor den Zuständen, sondern davor, dass wir sie benennen. Die meisten Deutschen haben das Vertrauen verloren zu den Institutionen und Eliten ihres Landes. Auch das Vertrauen, es könnte sich etwas zum Besseren ändern. Das ist kein schöner Befund: Selbst ein so harmloses Wort wie „Stadtbild“ lässt sie erschaudern. Sind das noch wir, fragen sie? Darf man uns so einfach unsere Illusionen nehmen?

VI.

Wie also fassen wir dieses Jahr 2025 pointiert zusammen? Es war doch nicht alles vergebens, oder? Über das eine oder andere wurde wenigstens geredet. Wir sind vom Tiefschlaf in einen Dämmerzustand geglitten. Ist das nichts? Wenn Friedrich Merz es auch nicht geschafft hat, vielleicht hat dann doch wenigstens Donald Trump uns „wach geküsst“, als wären wir Dornröschen – so hat es der unerschütterliche Konservative Peter Gauweiler neulich formuliert. Aber Dornröschen hat nur mal kurz gegähnt und sich noch mal umgedreht – aus Angst davor, aufstehen zu müssen. 2025 war ein Zustand im Halbschlaf. Der war doch alles in allem gut auszuhalten, oder? Man könnte auch sagen: 2025 war ein verlorenes Jahr. Und ein verlogenes auch.


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Kommentare ( 77 )

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AlexR
8 Stunden her

Wie alle Jahre seit der Aera Merkel: „weiter so!“ und „durchregieren“.

Judith Panther
10 Stunden her

„Putins Mafiaregime“? Ich frage mal mit den Worten des Rateteams von Robert Lembke: Gehe ich recht in der Annahme, daß die Krim ursprünglich uneingeschränkt zu Rußland gehörte, bis Chruschtschow sie an die Ukraine verschenkt hat? Ja. Gibt es Gerüchte, denenzufolge Alkohol bei der Entscheidung von Chruschtschow eine Rolle gespielt haben könnte? Ja. Gehe ich recht in der Annahme, daß die Ukrainische Regierung versucht, die Ukraine zu „Derussifizieren“? Ja. Gehe ich recht in der Annahme, daß sich beim Referendum fast 100 Prozent der Krimbewohner dafür ausgesprochen hatten, wieder zurück in die Russische Föderation aufgenommen zu werden? Ja. Ist es richtig, daß… Mehr

Liberalo
16 Stunden her

Dieser beschriebene Zustand des mehrheitlichen Halbschlafs eines Landes ist doch exakt das, was eine Agitprop-Kommunistin sechszehn bleierne Jahre lang den zahlreichen Untertanen gelehrt und eingebläut hat. Solange hier nicht endlich ein radikaler Umbruch mit einer Rückbesinnung zu freiheitlich-marktwirtschaftlichen Prinzipien erfolgt, wird es auch in Zukunft viele verlorene Jahre geben. Ehrlicherweise sind es dann nicht mehr nur die Jahre, sondern wir selbst, die endgültig verloren sein werden.

Peer Munk
16 Stunden her

Putin unterschätzt? Steht er vor den Toren Berlins?
Wär er besiegt worden, wenn Deutschland mehr Waffen geliefert hätte?
Ach und Dänemark – wenn die Dänen es haben, dann ist das gut. Wenn Trump es haben sollte, wäre das böse.
Nee, Herr Herles, ihr Artikel überzeugt mich nicht. Ich finde ihn auch nicht originell oder geistreich.

Ecke
16 Stunden her

Nur ein verlorenes Jahr? Da sind aber sehr gnädig.

Axel Fachtan
18 Stunden her

Wir haben kein zweites Leben in Reserve.
Wie also soll wirksame Gegenwehr gegen die Zerstörung unseres Landes und unseres Lebens organisiert werden ?
Lieber Anarchie als Agonie.

Bernhardino
18 Stunden her

 Das Wählen hätte man sich gleich sparen können: ….“ Wenn der Intellekt nur dafür ausreicht, zwischen CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen rumzuspringen, haben Sie, Herr Herles, zweifellos recht.

Juergen P. Schneider
18 Stunden her

„Die meisten Deutschen haben das Vertrauen verloren zu den Institutionen und Eliten ihres Landes.“ Ausweislich der Wahlumfragen ist dies eine steile These. Die Untertanenmehrheit will auch weiterhin vom links-grünen Bankrott-Kartell regiert werden. Man wird auch in Zukunft über die Zustände im Land maulen und fortwährend mehrheitlich diejenigen wählen, die diese Zustände herbeigeführt haben. Der Mehrheit des Deppenvolks, das dieses Land bewohnt, ist nicht mehr zu helfen.

Micci
18 Stunden her

Ich gestatte mir einmal so etwas Ähnliches, wie im Priesterseminar ein Kondom aufzublasen: Statt des Gedankenexperimentes, die Wahl 2025 ausfallen zu lassen, empfehle ich einmal das Gedankenexperiment, die Wähler hätten den politischen Selbstmord des Landes rechtzeitig erkannt und ihn durch ein Wahlergebnis von 45% für „Blau“ beendet. Und doch, tatsächlich wäre so etwas möglich gewesen – und ohne die Gehirnvernebelung durch den ÖRR und die SPD-eigene Pressemehrheit bei Printmedien vermutlich auch passiert. Ganz einfach schon aus Notwehr heraus, denn das gewählte ‚weiter so‘ kann für viele  tatsächlich tödlich enden (ein 2-wöchiger Blackout genügt)  – oder ist es schon, wie z.… Mehr

Stefanrich
19 Stunden her

Ein verlorenes Jahr oder nicht – das muss jeder mit sich selbst ausmachen, ohne Anleitung durch Herrn Herles. Die Sichtweisen sind erstaunlich unterschiedlich. Ich habe während der Weihnachtsfeiertage mit einigen entfernteren jungen Verwandten diskutiert, ihres Zeichens Studenten und Jungingenieure in Deutschland, deren Hauptsorge dem Klima und der unbedingt erforderlichen sofortigen Einrichtung eines europäischen Energienetzes mit intelligenter Regelung gilt, die es erlaubt, in Sekundenschnelle Wind- und Sonnenenergie auf dem Kontinent zu verteilen, und dies gender- und generationengerecht sowie antirassistisch. Die aktuell zu beobachtende Entwicklung einer neuen machtbasierten Weltordnung beschäftigte sie deutlich weniger. Für sie war das kein verlorenes Jahr, denn es… Mehr