Biden und Erdogan – Der letzte Versuch, die Türkei als Nato-Partner zu halten

US-Präsident Joe Biden versucht im Rahmen des Nato-Gipfels, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur außenpolitischen Umkehr zu bewegen. Wenn der Autokrat seine Israel-feindliche Politik und Drohungen gegen Griechenland fortsetzt, will Biden die Türkei aus dem Bündnis ausschließen.

IMAGO / Belga
US-Präsident Joe Biden und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beim Treffen der Regierungschefs der Nato am 14. Juni 2021 in Brüssel

Am Montag um 17 Uhr kam es zu einem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem Türkei-Autokraten und Noch-Nato-Partner Erdogan. Wie TE aus regierungsnahen US-Kreisen erfuhr, stand für Biden dabei die Verlässlichkeit der Türkei als Nato-Partner ganz oben auf der Liste. Die US-Beobachter gehen davon aus, dass es sich bei dem Treffen um den allerletzten Versuch handeln wird, die Türkei als Partner zu halten.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Hintergrund sind die Alleingänge des Islamisten in Syrien, dessen Vorgehen gegen die US-Verbündeten in Kurdistan, die ständigen Drohungen gegen andere Nato-Partner wie Griechenland und Bulgarien sowie die Waffenkäufe in Russland. Biden soll demnach in den Gesprächen dem Türken in Sachen Nato-Mitgliedschaft ein klares Ultimatum gestellt haben: Entweder ein absolutes und eindeutiges Bekenntnis zum Verteidigungsbündnis nach den Bedingungen des Bündnisses, oder absehbares Ausscheiden der Türkei aus der Nato und damit aus der westlichen Wertegemeinschaft mit allen, auch wirtschaftlichen Konsequenzen.

Als „Rote Linien“ dessen, was aus US-Sicht für ein Nato-Mitglied Türkei nicht zulässig ist, werden genannt:

  • Die Zusammenarbeit der Türkei mit Russland in Syrien.
  • Die Kooperation mit dem Iran, gleich ob in Sachen Syrien, Israel oder arabische Staaten.
  • Das uneingeschränkte Bekenntnis zum Existenzrecht Israels – keine Unterstützung der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah. Erdogan hatte in der Vergangenheit wiederholt „allislamische“ Ansprüche auf Jerusalem angemeldet und den Israeli mit Vernichtung gedroht.
  • Sicherheit der verbündeten Kurden im Irak – ausgenommen davon sind die Reste der PKK, die sich in den nordirakischen Bergen aufhalten. Im Gegenzug soll Biden bereit sein, die Unterstützung der Kurden in Syrien zur Disposition zu stellen.
  • Einstellung jeglicher Drohjungen und Drohgebärden gegen die Nato-Partner am Schwarzen und Mittelmeer.

Die USA gehen davon aus, dass Erdogan erneut den Versuch unternehmen wird, für einen Verbleib in der Nato Geldzuwendungen für den maroden türkischen Staatshaushalt zu erpressen. Damit soll er jedoch bei Biden auf strikte Ablehnung treffen.

Sollte im Anschluss an das Treffen ein öffentlicher Dissens zu erkennen sein – beispielsweise durch einen der üblichen Alleingänge Erdogans –, so sei damit die Nato-Mitgliedschaft der Türkei definitiv am Ende. Biden könne derart konsequent vorgehen, weil mit Jordanien längst ein anderer Partner in der Region an die Nato angebunden ist. So hatte bereits die Bundesluftwaffe ihren Stützpunkt aus der Türkei in das Wüstenland verlegt. Auch deshalb soll Biden zu irgendwelchen Zugeständnissen oder „Deals“ nicht bereit sein. Entweder, Erdogan zieht mit – oder die Türkei ist draußen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 40 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

40 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Ali
2 Jahre her

Nein Herr Spahn, das wird eben NICHT der letzte Versuch bleiben. Der türkische … wird auch die nächsten Jahre sein verlogenes, muslimisch falsches Spiel spielen, genauso wie ihm auch zukünftig wieder jeder amerikanische Pseudopräsident die Kimme küssen wird.
 
Ganz einfach, weil die USA die Türkei noch immer als „das Tor“ betrachten, das geologisch „gehalten werden muss“.  
 
Und das, obwohl es da überhaupt nichts mehr „zu halten“ gibt. Dank Merkel steht der „Feind“ längst im Wohnzimmer der westlichen Welt.

Felicitas21
2 Jahre her

Finde ich gut, dass Biden mal mit Erdogan Klartext redet. Denn Deutschland und die EU sind zu devot dafür. Die schmeissen dem Sultan noch die Milliarden in den Rachen und lassen sich dafür auch noch erpressen und beschimpfen.
Nur sollte Biden sich nicht von dem Schlitzohr blenden lassen. Der Erdi wird scheinbares Entgegenkommen heucheln, vielleicht kurzfristig ein wenig nachgeben. ABER dann wieder sein übliches Machtspielchen weiter spielen.

Blauer Harnisch
2 Jahre her

Die sicher notwendige Entlassung der Türkei aus der NATO wird Wunschdenken bleiben. Oder glaubt jemand ernsthaft, Russland würde sich den Bosporus entgehen lassen, damit der bündnislose und angeschlagene Sultan weiter von der Weltmacht träumen kann?

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Blauer Harnisch

Soll er es haben. besser als eine Möchtegern-Sultan der neben Islamisten auch mit Kampfdrohnen Politik machen möchte und nach Atomwaffen* giert.

*das türkische Atomprogramm ist „deutlich mehr“ als zivile Nutzung …

Wittgenstein
2 Jahre her

Lieber Herr Spahn, en passant, wenn auch von Ihnen nicht thematisiert, lässt sich aus Bidens und der Nato Haltung gegenüber Erdogan, dem Iran und Russland indirekt erkennen, das die Aussenpolitik Deutschlands gegenüber diesen Staaten, die Nahost-, Israel- und Palestinenserpolitik gescheitert ist. Appeasement und Anbiederung haben zu Abhängigkeiten unseres Landes von diesen Diktaturen geführt. Erstaunlich, dass M., die selbst in einer Diktatur aufgewachsen ist und in einer anderen studiert hat, die Natur dieser Systeme und ihrer politischer Führer, trotz oft erlebten Scheiterns, nicht richtig reflektiert hat. Und so hat Deutschland sich aussenpolitisch wieder einmal falsch positioniert und M. ist offenbar trotz… Mehr

eisenherz
2 Jahre her

Wenn die USA der Türkei aus ihrer selbstverschuldeten Schuldenkrise helfen, ja dann bleiben sie auch in der NATO, vorläufig.

Kaltverformer
2 Jahre her

Bitte, bitte ja. Dann können auch endlich die vielen Türken wieder heim in ihr geliebtes Land und brauchen es nicht in Deutschland zu errichten.

Nicht vergessen: Das Abwerbeabkommen 1961 kam nur auf massiven Druck der USA zustande, wegen der geographischen Lage der Türkei im kalten Krieg.
Ursprünglich sollten nur Spanier und Italiener angeworben werden.

Misteredd
2 Jahre her

Wenn dann im Nachgang die EU Mitgliedschaft ad acta gelegt wird und alle Konsequenzen daraus gezogen werden, müssten wir die Türken hier nach Hause schicken. Das Abkommen von 1961 steht und fällt mit der Beitrittsperspektive zur EU. Wie kann man der Eu beitreten, wenn man wegen Verletzung des Wertekanons aus der NATO geworfen wird?

haasel
2 Jahre her

Erdogan wird wieder blenden und Lippenbekenntnisse ausgeben, damit er alle hinhalten kann-es wird wieder gelingen! Denn der Westen ist konsequent blind, und Erdogan ist konsequent Despot! Wie wäre es, mal die besetzte Insel Zypern zu räumen? Putin wird heute noch sanktioniert!

Felicitas21
2 Jahre her
Antworten an  haasel

Die militärische Besetzung von Nordzypern war zu keiner Zeit rechtens. Da hätte die Nato und die gesamte EU damals schon einschreiten müssen!

Ecke
2 Jahre her

Einen stetig zündelnden Moslembruder zurück auf den Pfad der westlichen Tugenden zu bewegen? Er war nie auf deren Pfad. Mission impossible.

Johann Thiel
2 Jahre her

Biden soll sich bei der EU bewerben, er wäre die Idealbesetzung für den nächsten Kommissionspräsidenten. Dort könnte er Erdogan ein Utimatum nach dem andere stellen und verstreichen lassen, ohne dass es jemanden interessiert, Erdogan am allerwenigsten. Biden macht gegenüber der Türkei genau das, was die Europäer regelmäßig tun, sich absolut lächerlich.

Die islamische Welt ist so wie sie ist, weil man dort nichts auf „Verträge, Vereinbarungen, Versprechungen“ gibt, Ungläubigen gegenüber ohnehin nicht. In dieser Welt Geschäfte zu machen, auch politische, heißt erstwird gezahlt und dann gibt‘s die Ware, wer das nicht beherzigt ist der Dumme – immer.