Finger weg von Puigdemont

Eigentlich hat Puigdemont eine politische Meinung vertreten und diese in seinem Regionalparlament zur Abstimmung gestellt. Zur Gewalt hat er anschließend nicht aufgerufen. Sich hier auf eine Seite zu stellen, ist nicht die Aufgabe Deutschlands.

JOSEP LAGO/AFP/Getty Images

Würde Horst Seehofer im Deutschen Bundestag die Loslösung Bayerns aus dem Bundesgebiet fordern, dann würde ihn das Grundgesetz vor der Strafverfolgung schützen. Selbst wenn der Landtag in München dies beschließen würde, wären die dortigen Landtagsabgeordneten vor Strafverfolgung geschützt. Aus historischem Grund wurde diese Indemnitätsregel im Grundgesetz verankert. Abgeordnete sollten nicht wegen ihres Abstimmungsverhaltens oder ihrer Reden im Parlament verfolgt werden können. Umso befremdlicher ist es, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig nunmehr den ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont wegen eines solchen „Vergehens“ nach Spanien ausliefern lassen will. Ihm wird dort Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist nicht irgendwer. Sie ist eine weisungsgebundene Behörde des Justizministeriums in Schleswig-Holstein. Ohne eine enge Abstimmung mit der für die Außenpolitik zuständigen Bundesregierung ist ein solches Vorgehen nur schlecht vorstellbar.

Eigentlich hat Puigdemont eine politische Meinung vertreten und diese in seinem Regionalparlament zur Abstimmung gestellt. Zur Gewalt hat er anschließend nicht aufgerufen. Das Referendum wurde vom spanischen Verfassungsgericht untersagt, dennoch ist die Frage, ob in einer Region nicht trotzdem eine Abstimmung abgehalten werden darf. Sie hat dann keinen Charakter eines Referendums. Das ist sicherlich unstreitig. Aber eine Volksbefragung im Sinne eines Meinungsbildes kann durchaus möglich sein.

Irrweg Supernationalstaat
Verblasster Mythos: Europa der Regionen
Grundsätzlich ist die Frage, ob eine Sezession möglich ist, auch wenn die eigene Verfassung dies untersagt. Sicherlich ja. Denn könnte man ein verfassungsrechtliches Sezessionsverbot verankern, dann wären die USA wohl nie gegründet worden. Wahrscheinlich ist die Neugründung von Staaten nur selten über den Rechtsweg der Verfassung des ursprünglichen Staates erfolgt. Insbesondere dann, wenn der größere Teil des Staatsgebietes dagegen ist. Eine Ausnahme ist die Verfassung des kleinen Liechtensteins. In der dortigen Verfassung können sich einzelne Gemeinden abspalten und einem Nachbarland anschließend. Doch Liechtenstein ist nicht überall. Und generell muss man fragen, ob eine knappe Mehrheit eine knappe Minderheit in einer solch fundamentalen Frage einfach so überstimmen darf.

Bei der Abstimmung in Katalonien im letzten Jahr stimmten 90 Prozent der Teilnehmer für die Loslösung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag jedoch bei lediglich 42,3 Prozent. Letztlich haben also nur 38 Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit gestimmt. Und auch die Wahlen in Katalonien im Dezember 2017 haben kein eindeutiges Ergebnis geliefert. Die Separatisten erzielten mit 47,5 Prozent der Stimmen zwar die Mehrheit, aber das Lager der Gegner ist mit 43,5 Prozent fast genauso groß. Auf dieser gespalteten Bevölkerung eine Sezession von Spanien zu begründen, ist schon sehr gewagt. Nicht ohne Grund kennen wir bei demokratischen Abstimmungen nicht nur das reine Mehrheitsprinzip. Vielfach ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Aber auch hier muss man fragen, ob das ausreichend ist. Immerhin ein Drittel wird durch die Zwei-Drittel-Mehrheit fundamental in den eigenen Lebensumständen beeinträchtigt. Daher ist zu fragen, ob nicht eine Drei-Viertel-Mehrheit oder eine Vier-Fünftel-Mehrheit für mehr Rechtsfrieden sorgen würde. Eine 50,1 Prozent-Mehrheit schafft dagegen keinen Rechtsfrieden.

Doch zurück zu den hiesigen Staatsorganen. Man stelle sich einmal vor, die Staatsorgane und insbesondere die Regierenden in Hamburg hätten sich nach den bürgerkriegsähnlichen Zuständen rund um den G 20-Gipfel 2017 in der Hansestadt ähnlich entschlossen gezeigt. Oder die Staatsanwaltschaften hätte die „Schotterer“, die die Bahngleise bei Castortransporten untergraben haben, ebenso entschlossen und schnell angeklagt.

Der spanisch-katalanische Konflikt sollte in Spanien und Katalonien gelöst werden. Deutschland sollte sich nicht auf die eine oder andere Seite schlagen. Der Publizist und Anwalt Carlos A. Gebauer hat dieser Tage vorgeschlagen, pragmatisch mit dem Fall Puigdemont umzugehen, da jede Entscheidung Deutschlands unbefriedigend sei. Als zuständiger Richter würde er den katalanischen Gast an unsere dänischen Freunde zurücküberstellen und in die Verfügung auf dem Aktendeckel den vielleicht schönsten aller Sätze aus der deutschen Verwaltungspraxis notieren: „Mit der Bitte um weitere Veranlassung.“

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Kommentare ( 43 )

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Gast21
6 Jahre her

Die eigentliche Ursache für die Willfährigkeit der Merkel-Regierung liegt wohl eher in ihren europäischen Zielvorstellungen. Ein Europa der Regionen steht im krassen Widerspruch zu dem Ideal eines sozialistisch-europäischen Zentralstaates. Wenn plötzlich Regionen anfangen auf Eigenständigkeit zu pochen und diese Entwicklungen nicht gestoppt werden, dann zerbröselt die Idee des Zentralismus. Dezentralität und Regionales Bewusstsein ist Teufelszeug und widerspricht dem Weltbild von Frau Merkel diametral – der Staat, der Staat, der hat immer Recht. Ach ja, Regionalbewusstsein ist ja natürlich auch „rechts“- der multi-kulturelle Internatitionalismus ist alternativlos.

Der mit dem Kopf schüttelt
6 Jahre her
Antworten an  Gast21

„Regionalbewusstsein“? Es gibt doch auch noch etwas zwischen Kleinststaaterei und europäischem Zentralismus! Ich kann doch regionales Bewusstsein haben, ohne dass ich eine Loslösung vom Nationalstaat will. In Spanien gibt es 17 autonome Provinzen. Wenn die alle eigenständig sein wollen und in Frankreich die Korsen, Basken, Katalanen, Bretonen, Elsässer etc. folgen, dann gibt das alles, nur kein „Europa der Regionen“. Was Puigdemont in Katalonien abgezogen hat, ist genauso unverantwortlich wie das Öffnen der Grenzen durch unsere Überkanzlerin. Mir ist nicht klar, wieso Puigdemont in den MSM und auch hier offenbar als katalanischer Robin Hood verklärt wird.

HRR
6 Jahre her

Wenn die Verfassung eines demokratischen Staates das Verbot beinhaltet, dass ein Landes-Parlament eine Abstimmung abhält, gleich welcher Art, sollte über diese Verfassung nachgedacht und eine Änderung in Betracht gezogen werden.
Wenn Teile des Grundgesetzes von einer Bundeskanzlerin samt Regierung gedehnt bzw. verletzt werden, dann sollte man mit dem Fürchten beginnen!

Der mit dem Kopf schüttelt
6 Jahre her

„Eigentlich hat Merkel eine politische Meinung vertreten und diese in ihrem Bundestag auch nicht zur Abstimmung gestellt. Zur Gewalt hat sie anschließend nicht aufgerufen.“ Fällt Ihnen etwas auf, Herr Schäffler? Glauben Sie wirklich, als Politiker vertritt man nur „eine politische Meinung“, ohne für sein Handeln verantwortlich zu sein? Und darf Deutschland einen internationalen Haftbefehl eines befreundeten Landes einfach mal so ignorieren, weil man keinen Plan von der spanischen Innenpolitik hat und wie immer alles besser weiß? Merkt man in Deutschland nicht, dass Puigdemont den Konflikt mit der spanischen Regierung von Anfang an internationalisieren wollte, obwohl es sich um eine innere… Mehr

Ulv J. Hjort
6 Jahre her

Und dann sag mir mal einer ,dass vernunft NICHT zu den grundlegenden eigenschaften der nordischen vølker gehørt.Der Katalane konnte in ganz Skandinavien umherreisen ohne behelligt zu werden.Im gegenteil war er ueberall gern gesehener gast.Aber einen fuss im Merkelland und er war politischer (!) gefangener.Ich schæme mich zu tiefst fuer das land in dem ich geboren wurde,aber ZUM GLUECK nicht mehr lebe.

lisa
6 Jahre her

bei Millionen illegalen Einwanderern funktioniert der Grenzschutz nicht,aber bei einer Einzelperson klappt an der Grenze alles bestens,wenn es der Staat denn will.
UNFASSBAR!

Hellmut Wilde
6 Jahre her

Mit Verlaub Herr Schäffler, Ihr Kommentar ist ziemlich erstaunlich, denn Sie stellen die Handlungen von Puigdemont und seiner Separatistenkoalition unzutreffend und vor allem unvollständig dar. Er hat nicht nur geredet, sondern verfassungswidrige Überleitungsgexetze an der Opposition vorbei durch das Parlament gepeitscht und zweimal die Unabhängigkeit verfasdungswidrig erklärt.Selbst Ihre Merheitsbetrachtungen bei der letzten Parlamentswahl sind irreführend, denn die Separatisten haben zwar die knappe Mehrheit der Sitze, nicht aber die Mehrheit der Wählerstimmen gewonnen, wie immer übrigens. Auch der gesetzliche Hintergrund eines Europäischen Haftbefehls scheint Ihnen nicht klar zu sein, denn dabei geht es nicht um deutsche politische Befindlichkeiten, sondern um die… Mehr

Ulv J. Hjort
6 Jahre her
Antworten an  Hellmut Wilde

Der katalane IST ein politischer gefangener !!! Daran ændern auch ihre juristischen spitzfidigkeiten nichts.Und dass sich D fuer diese sauerei hergeben hat wirft dunkle schatten auf dieses Deutschland.Jeder dahergelaufene mohamedaner bekommt sein „Asyl“ hinterhergeworfen.Aber in diesem fall zeigt der deutsche staat pløtzlich muskeln.Einfach nur schæbig und niedertræchtig—pfui teufel !!!

Farbauti
6 Jahre her
Antworten an  Hellmut Wilde

Die Aushebelung unseres Grundgesetzes durch unsere Regierung und die Parteien halte ich auch für Hochverrat. An wen können wir die Verantwortlichen ausliefern bzw.wer verhaftet sie?

Annegret Holzapfel
6 Jahre her
Antworten an  Hellmut Wilde

Hellmut Wilde , immer vorher mal besser ins Gesetz schauen, bevor es falsch paraphrasiert wird.

Gerhard Wruck
6 Jahre her
Antworten an  Hellmut Wilde

Herr Wilde, solche beflissenen Eiferer wie Sie für die fragwürdigen Konstruktionen der EU hat die EU-Kamarilla (Juncker, Merkel, Rajoy etc.) besonders gern. Weiter so! Sie machen sich sehr verdient um ein undemokratisches Projekt!

Peter Triller
6 Jahre her

Grundsätzlich ist Sache klar: ein internationaler Haftbefehl liegt vor, der den Rechtsstandpunkt der spanischen Gerichtsbarkeit widerspiegelt. Sofern dieser nicht gegen Menschenrechte oder sonstige rechtliche Grundlagen der EU oder des Grundgesetzes verstößt, ist er wohl zu exekutieren. Ob es uns passt oder nicht – mir passt es nicht, aber das ist unerheblich. Allerdings ist das superprofessionelle und schnelle Handeln unserer Staatsorgane beim Einfangen dieses „spanischen Staatsfeindes“ im Vergleich zu dem totalen und wohl beabsichtigten Versagen bei der aktuellen Migrationskrise schon auffällig. Unsere (?) Polizei kann vermeintliche Straftäter oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen tatsächlich noch fassen, wenn sie nur will oder darf.… Mehr

Der nachdenkliche Bürger
6 Jahre her

Sollte es wirklich zu einer Auslieferung kommen, haben sich die Deutschen meiner Ansicht nach mal wieder schön blamiert. Es soll mir kein Deutscher Politiker kommen, dass die Bundesregierung nicht seine schmutzigen Finger im Spiel hat.
Ein ruhiger und und entspannter Urlaub in Katalonien wäre dann dank unserer politischen Elite für die nächsten Jahre dort gestrichen.

Pérégrinateur
6 Jahre her

Was immer man vom Konflikt zwischen Katalonien und Spanien halten mag – zum Verhalten des deutschen Staates in der Causa interessiert vielleicht folgende Äußerung eines nicht ganz unbekannten, aus Trier stammenden deutschen politischen Denkers des 19. Jahrhunderts: „Ja, die deutsche Geschichte schmeichelt sich einer Bewegung, welche ihr kein Volk am historischen Himmel weder vorgemacht hat noch nachmachen wird. Wir haben nämlich die Restaurationen der modernen Völker geteilt, ohne ihre Revolutionen zu teilen. Wir wurden restauriert, erstens, weil andere Völker eine Revolution wagten, und zweitens, weil andere Völker eine Konterrevolution litten, das eine Mal, weil unsere Herren Furcht hatten, und das andere… Mehr

Ulv J. Hjort
6 Jahre her
Antworten an  Pérégrinateur

Dieser trierer ist hier vøllig fehl am platz . Sein geschwafel liegt inzwischen verfault auf dem misthaufen der geschichte,und dort gehørt es auch hin…

Misteredd
6 Jahre her

Unsere Grenze kann nicht überwacht werden!

Und dann kam Puigdemont!