Gaskrise voraus

Atom ist böse, Kohle out. „Erneuerbare“, Klimapanik und Verzicht bringen aber keine sichere Energieversorgung. Es bleibt das fossile Erdgas, von dem wir künftig weniger haben werden. Die Lage wird sich krisenhaft zuspitzen.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber
Symbolbild Gaskrise

In diesen Wochen voller Hitzewarnungen und bei Energiepreisen, die zumindest im Großhandel wieder auf Vorkriegsniveau gesunken sind, kann man sich Winterkälte, eisige Böen und sogar Schnee schwer vorstellen. Die Schlagzeilen handeln von Rammstein und einem Bühnenunfall von Helene Fischer. Sie erzeugen künstliche Aufregung über Unwesentliches und sorgen für das wohlig-sichere Empfinden, selbst nicht betroffen zu sein. Die schrecklichen Kriegsnachrichten verniedlichen sich in theoretischen Talk-Show-Diskussionen. Selbst die Erkenntnis, dass der Klimawandel unser geringstes Problem wäre, wenn dieser Krieg eskaliert, dringt bei den meisten nicht ins Bewusstsein.

Der Füllstand unserer Gasspeicher liegt bei fast 80 Prozent, auch dies ein beruhigendes Signal. Nun droht Gefahr, ausnahmsweise nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen. Die Ankündigung der Niederlande, die Erdgasförderung im Feld Groningen zum 1. Oktober 2023 einzustellen, sorgte für Aufsehen. Es ist das größte kontinentale Erdgasfeld in Westeuropa. Dabei war die Entscheidung absehbar und auch schon angekündigt, nachdem eine Vielzahl von Erdbeben zu hohen Sachschäden führte. Ursprünglich war das Förderende für 2022 geplant, der Krieg führte jedoch zu einer Verschiebung des Termins, wozu Deutschland die Niederlande nötigte. Mit der Einstellung der Förderung würden etwa 25 Prozent der gegenwärtigen Importmenge entfallen.

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Für den übernächsten Winter kommt erschwerend hinzu, dass Verträge zum Gastransit durch die Ukraine Ende 2024 auslaufen und nach Aussage der Ukraine nicht verlängert werden. Das würde vor allem in der Slowakei, Ungarn, Österreich und angrenzenden Ländern zu deutlichem Mangel führen und Druck auf den deutschen Export ausüben. Minister Habeck baut schon vor und kündigt für diesen Fall an, unsere Industrie dann herunterzufahren oder abzuschalten.

Optional könnte eine Gasspeicherung in der Ukraine etwas helfen, die dortigen Speicher sind mit 320 Terawattstunden (TWh) sogar die größten Speicher Europas. Aber ob die Ukraine bei Engpässen dann von diesem Gas etwas abgibt, dürfte nicht sicher sein. Zumindest ebenso unsicher, wie der Betrieb von Gasspeichern in Kriegsgebieten eben ist. Aber wir wissen ja höchstministeriell, dass man selbst Kernkraftwerke in Kriegsgebieten sicher betreiben kann, wenn sie nun mal da sind.

Erdgas wird also absehbar knapp werden. Die im „Deutschlandtempo“ errichteten LNG-Terminals, bisher im Grunde nur Schiffsanleger mit Pipeline-Anbindung für schwimmende Regasifizierungsanlagen (FSRU), liefern überschaubare Mengen. Anstelle der angekündigten 500 TWh täglich wird nur etwa die Hälfte eingespeist. Unter diesen trüben Aussichten strickt nun das Ministerium für Wirtschaft und Klima (mit Schwerpunkt Klima) an einer Kraftwerksstrategie.

Zwar versuchten bildungsferne Schichten die These zu verbreiten, Wärme und Strom hätten nichts miteinander zu tun, aber genau hier treffen sich nun die Sektoren. Nach der Ächtung von Kernkraft und Kohle bleibt für die gesicherte Versorgung nur – Erdgas. Aus kosmetischen Gründen beeilt man sich, den Zusatz „wasserstofffähig“ zu betonen und den Begriff „fossiles Erdgas“ zu vermeiden. Beeindruckend sind die erforderlichen Kapazitäten neuer Gaskraftwerke. Zwischen 27 und 43 Gigawatt an Kapazität schätzen Verbände und Wissenschaftler. Eine Vielzahl von Anlagen müsste bis 2030 zeitgleich errichtet werden, was schon aus Gründen der Planungs-, Genehmigungs- und Montagezeiten unwahrscheinlich ist.

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Sollte dieser Zubau gelingen, saugen diese Werke gewaltig an den Pipelines. Das moderne GuD-Kraftwerk „Fortuna“ in Düsseldorf leistet 600 Megawatt (elektrisch), 300 Megawatt (thermisch) und verbraucht bei voller Leistung 105.000 Kubikmeter Gas – pro Stunde. Ein Einfamilienhaus (120 Quadratmeter) nimmt sich 1.700 Kubikmeter – pro Jahr. Angesichts des Neubaus von mindestens zwanzig neuer „Fortuna“-Kraftwerke kann man sich jede weitere überschlägige Rechnung ersparen. Gasheizungen zu verbannen, aber eine gesicherte Stromversorgung, auch für Wärmepumpen, auf Gasbasis schaffen zu wollen, scheint im Ansatz nicht ganz durchdacht.

Wir werden weniger Erdgas zur Verfügung haben, subventionieren aber (über Ausschreibungen) die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken. Wir werden weniger Strom zur Verfügung haben, subventionieren aber mit E-Mobilität und Wärmepumpen höheren Verbrauch. Die angekündigten Ausschreibungen für Gaskraftwerke werden auch mit Steuergeld unterlegt werden müssen, denn kein Investor wird mehr das Risiko eingehen, in Deutschland auf eigenes Risiko ein fossiles Kraftwerk zu bauen.

Die Vision vom billigen und künftig reichlich vorhandenen grünen Wasserstoff wurde durch eine vermutlich unbedachte Bemerkung von Minister Habeck im Rahmen der Wärmepumpendiskussion bereits ramponiert. Wasserstoff sei zum Heizen zu teuer, führte er aus, viermal so teuer. Aber was bedeutet das für die Stromproduktion in künftigen wasserstofffähigen Gaskraftwerken?

Die Tatsache, dass die exzessiv ausgebauten Wind- und Solarkapazitäten hinsichtlich einer gesicherten Versorgung vollständig versagen, wird regierungsamtlich standhaft ignoriert. „Wir brauchen mehr Erneuerbare“ ist ohne den genauso schnellen Ausbau von Netzen und Speichern grundsätzlich falsch. Aber es entspricht den Forderungen der Lobby.

Die Energieversorgungslage wird sich krisenhaft zuspitzen. Helfen könnte ein Kriegsende, das wieder Lieferungen durch die Ukraine möglich macht und eventuell auch direkt aus Russland. Nötig wäre eine durchdachte, an den Realitäten orientierte langfristig angelegte Energiestrategie mit einem verlässlichen Energiemix. Die ist von CO2-zentrierten Politikern nicht zu erwarten.

Der Sommer ist bald vorbei.


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Kommentare ( 73 )

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bfwied
10 Monate her

Man kann es durchrechnen, wie man will, man kommt immer zum gleichen Ergebnis: Die Energie wird nicht reichen, nicht einmal für ein deindustrialisiertes Land, für ein Industrieland gleich gar nicht. Nur: Dazu muss man halt nicht einmal Mathematik, sondern nur rechnen können und v. a. keine „göttliche“ Mission im Kopf haben, die man wie die Scharfmacher unter den Theologen im 17. Jh. bez. der Hexenjagden gnaden- und hirnlos verfolgt.

Sani58
10 Monate her

„…Helfen könnte ein Kriegsende, das wieder Lieferungen durch die Ukraine …“ Helfen könnte ein Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Auf die Ukraine würde ich mich auf keinen Fall verlassen wollen und Nordstream würde ja erfolgreich Sabotiert. Auch auf Polen würde ich mich auch nicht verlassen. Denen ist allemal das Hemd näher als der Rock und Freunde,dazumal mit dem direkten östlichen Nachbarn, sind se nur so lange, wie was zu holen ist, oder Deutschland zahlt. Alle wissen, hilf dir selbst, so hilft dir das Schicksal in Form von Zukunft. Alle, ausser Familie Michel. Es sieht schlecht aus, auf ganzer Linie. Nur… Mehr

bfwied
10 Monate her

Man kann es durchrechnen, wie man will, man kommt immer zum gleichen Ergebnis: Die Energie wird nicht reichen, nicht einmal für ein deindustrialisiertes Land, für ein Industrieland gleich gar nicht. Nur: Dazu muss man halt nicht einmal Mathematik, sondern nur rechenen können und v. a. keine „göttliche“ Mission im Kopf haben.

Haedenkamp
10 Monate her

Wir haben es mit der dritten Revolution des Nihilismus auf deutschen Boden binnen einhundert Jahren zu tun. Diese Revolution trägt als Erfahrung die beiden vorhergehenden in sich. Geplant ist sie seit Jahrzehnten, und kommt begünstigt durch die Wohlstandsverwahrlosung lautlos unter dem Radar wie ein eine Schneelawine daher. Mehr als 90 Prozent der Menschen haben sie trotz der einschneidenen Ereignisse der letzten drei Jahre noch immer nicht bemerkt bzw. glauben, #alles sei vorbei#. Wie der Artikel darlegt, wird es keinen Enthauptungsschlag geben, sondern ein langes quälendes Dahinsiechen gespickt mit Dauerpropaganda, Gaslightning und zahlreichen taktischen Ausfallschritten.

Sani58
10 Monate her
Antworten an  Haedenkamp

Nicht zwingend.
Nicht überall gleich.
# Wahlprognosen
# Demo Verhalten ( auch wenn wenn’s zu verschweigen versucht wird
# Entschlossenheit der Leute
# Erfahrungen mit Diktaturen
# Bevölkerungszusammensetzung

horrex
10 Monate her

Ausgesprochen „höflich“ formuliert, obiger Artikel 😉 Schreiben sie weiter! Es gibt – auch hier – noch reichlich Menschen die die „Genialität“ dieser vorzüglichen Planung noch immer nicht einmal annähernd begiffen haben. – • Früher meinte man zu „unartigen“ Buben (und Mädels) angelegentich ihrer Missetaten: „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“. Heute wohl ein obsoleter Ratschlag 😉 Aber manche b r a u c h e n wohl „Schmerzen“ um zu lernen. – Wer wird noch grün wählen, wenn er Kälte und im Dunkeln am eigenen Leib erfahren hat, sich aufgrund von black- und brownout „dramatische Totesfälle“ auch in… Mehr

Guzzi_Cali_2
10 Monate her
Antworten an  horrex

Wie ich anderorts schrieb: Es wird ganz besonders diejenigen treffen, die den Unfug dieser Regierungssimulanten tatsächlich glauben, also sich nicht der Auswirkungen dieses Wahnsinns bewußt sind und sich daher auch nullkommanull auf eventuelle Ausfälle vorbereiten. ICH bin vollumfänglich vorbereitet, aber wenn auch nur EINER derjenigen daherkommt, die mich verächtlich gemacht haben, WEIL ich mich vorbereite (preppe), dann weise ich ihnen die Tür, es sei denn sie leisten vollumfänglich Abbitte und versprechen hoch und heilig, NIE WIEDER grünlinks zu wählen.

Or
10 Monate her

Rechtzeitig zum Auslaufen der Gastransitverträge durch die Ukraine wurde NS1 u. NS2 gesprengt !
Ein Schelm …. .

Guzzi_Cali_2
10 Monate her

Das Ganze ist ein Desaster mit Ansage. Ich habe aber noch genügend, um nicht zu sagen die Mehrheit, Leute um mich herum, die CO2 für böse und daher DIE Bedrohung durch den „menschengemachten Klimawandel“ für essentiell halten. Für die im Artikel angesprochenen Fakten (was diese im Gegensatz zur CO2-Hysterie sind) sind diese Leute NICHT zugänglich. Ich habe nun schon seit einer Weile aufgehört, mir den Mund fusselig zu reden, denke „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ und tue alles, um mich, mein Haus, meine Autos und alles sonst so richtig winterfest zu machen. Ich horte Wasser, Lebensmittel, Brennstoffe, Gasflaschen, Holz,… Mehr

Donostia
10 Monate her
Antworten an  Guzzi_Cali_2

Sinnbildlich gesehen denken sie da vermutlich an Trümmerfrauen. Aber wie wir ja wissen, haben die Gastarbeiter unser Land nach dem Krieg aufgebaut. So zumindest der Tenor aus grünem Munde. Mal sehen ob die auch diesmal das Land von den Ruinen befreien.

Guzzi_Cali_2
10 Monate her
Antworten an  Donostia

Exakt an die Trümmerfrauen dachte ich. Die holde Weiblichkeit betreibt aktuell Cherrypicking und wenn man sie nur daran erinnert, daß es Jobs gibt, wo es dreckig, nass und kalt zugeht und bei denen es gilt, schwere Lasten zu heben und die bisweilen gefährlich sind, wird gleich „Frauenfeindlichkeit“ gebrüllt. Ich möchte die Gleichberechtigung mal auch für Männerberufe umgesetzt sehen – und nach einem Desaster größeren Ausmaßes ergäben sich doch da reichlich Möglichkeiten.

Timur Andre
10 Monate her
Antworten an  Guzzi_Cali_2

Nur mit Disaster werden viele endlich die Entscheidungen infrage stellen. Die Bundestagswahlen, AfD mit Sicherheit von vielen Seiten unter Beschuss, werden interessant.

Astrid
10 Monate her

Jetzt haben wir doch ganz andere Probleme. Das RKI schätzt gerade die Hitzetoten, die es, wie bei den Coronatoten, ja demnächst geben wird. Gas hin oder her, ist doch den meisten ohnehin Wurscht, irgendwie wird es schon funktionieren. Die Klimakleber fliegen jetzt erst einmal in Urlaub und die Kindergärten haben bald Schließzeit, so dass die Frühsexualisierung auch Pause hat. Täglich kommen die neuen Deutschen ins Land und der Wohnungsmangel wirde auch überbewertet. Schließlich hat die Omi schon seit Jahren eine viel zu große Wohnung, hier muss staatlich eingegriffen werden. Die Firmen speziell der Mittelstand hat auch keine Probleme, jedenfalls hört… Mehr

Juergen P. Schneider
10 Monate her

Wenn die Wähler viele Jahre lang verfehlte und verantwortungslose Energiepolitik herbeiwählen, dann müssen sie die Konsequenzen in Form extrem hoher Energiepreise bei unsicherer Versorgungslage tragen. Schade nur, dass diejenigen, die diese Politik nicht gewählt haben, auch von ihren negativen Folgen betroffen sind. Wir werden es uns nicht mehr lange leisten können, uns von Nichtswissern, Nichtskönnern, Dilettanten und grünen Kretins regieren zu lassen.

wenmic
10 Monate her

Die beste und kompetenteste Bundesregierung aller Zeiten hat 1,5 Jahre Zeit gehabt das Fracking in Deutschland zu genehmigen, wollte aber nicht.

Jetzt muss der Bürger im Winter halt seine Dummheit an der Wahlurne bezahlen.

89-erlebt
10 Monate her
Antworten an  wenmic

Die Gas Mangellage wird unausweichlich kommen. Es kamen dereinst ca 55 Mrd cbm aus RUS. Pro angemieteter FSRU können pro Jahr 5-7 Mrd cbm Gas eingespeist werden. Dazu braucht es aber jede Woche pro FSRU einen Tanker mit LNG. In Wilhelmshaven waren es im letzen halben Jahr keine 20, in Lubmin ganze 2 und in Brunsbüttel NULL (der eine diente zum Testen). Nach dem Aus aus Holland wird der Füllstand merklich sinken, auch wenn über Umwege RUS Gas und LNG weiter fließen. Auch der größte Betrug fliegt irgendwann einmal auf, dauert hier halt noch.