Das ABC von Energiewende und Grünsprech 103 – Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz

In hoher Schlagzahl baut die Regierung neue Gesetze. Da im Energiebereich kaum noch Marktkräfte wirken, muss auf veränderte Bedingungen administrativ und kleinteilig reagiert werden. Die Gasmangellage birgt hohes Risiko, wie die entsprechenden Gesetze auch.

IMAGO / Political-Moments

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

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Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz (EKWG), das

Im liberalisierten Strommarkt reihen sich Kraftwerke nach ihren Grenzkosten ein. Je nach Bedarf und Preis kommen sie zum Einsatz oder auch nicht. Das regelte früher der Markt und eines wie oben angeführten Gesetzes bedurfte es nicht. Nun wird seit vielen Jahren in den Markt hineingegrätscht, es wird gefördert und verboten, was das Zeug hält. EEG-begünstigte Anlagen werden per Einspeisevorrang zwangsweise in den Markt gedrückt, konventionelle Kraftwerke werden durch Sonderlasten wie den CO2-Zertifikatehandel belastet oder gleich ganz verboten.

Der Energiemix im Strombereich wurde zielgerichtet verengt und es blieb Erdgas als einzige „Brückentechnologie“. Wer je über die Unzuverlässigkeit der wetterabhängigen Wind- und Solarstromproduktion sprach, wurde von dauerprogressiven Energiewendern darüber belehrt, dass es bald viele hochmoderne, schnell regelbare Gaskraftwerke geben würde. So hatte es auch die Kohlekommission empfohlen, schon im Januar 2019. Passiert ist allerdings so gut wie nichts, denn der Regierung wohlwollender Blick galt ausschließlich dem möglichst schnellen und umfangreichen Ausbau der Wind- und Solarenergieanlagen.

Die weiteren Abschaltungen von Kern- und Kohlekraftwerken können aufgrund einer zu geringen Zahl an Gaskraftwerken nicht kompensiert werden. 30 bis 50 Anlagen fehlen – eher mehr. Nun mangelt es nicht nur an diesen Kraftwerken, sondern kriegsbedingt am Gas selbst. Obwohl einige Übereifrige nach Zero-Covid schon nach Zero-Gas riefen und selbst den Schieber schließen wollten, löst der sinkende Gasdruck regierungsseitig große Bedenken aus.

Was sich früher über die Merit Order am Strommerkt selbst erledigt hätte, erfordert nun staatliches Handeln. Mit dem EKWG sollen einige der verschmähten fossilen Kraftwerke wieder reaktiviert werden, natürlich nicht einfach so, sondern unter ordentlich bürokratischen Bedingungen. Und so ist das „Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz“ auch nur eine Abkürzung und steht für „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“. Dazu fand im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Bundestages am 24. Juni eine öffentliche Anhörung statt. Es ging konkret um den „Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP“ zu dem Gesetz. Ordnung muss sein.

Wie immer blickt man im Gesetzentwurf nichts aufs Ganze, sondern ausschließlich auf das knappe Gas, dessen Einsatz zur Stromerzeugung auch finanziell bestraft („pönalisiert“) werden soll. Die Technologien Kernkraft wie auch Windkraft kommen im 31-seitigen Entwurf nicht vor. Die eine ist Teufelszeug und soll nicht mehr erwähnt werden, bis sie hoffentlich am 31. Dezember ihr Leben in Deutschland aushaucht, die andere wird peinlich beschwiegen, weil sonst ihre Unfähigkeit zur Versorgung zur Sprache kommen würde. So blieb es mir und nicht der Vertreterin des klimafixierten Ökoinstituts vorbehalten, die CO2-Vermeidung durch Kernkraft zu erwähnen.

Hü und Hott

Einigkeit bestand darüber, dass die Gasmangellage „sehr, sehr ernst“ sei, Putin wurde schuldig gesprochen, tiefer ging man bei den Ursachen leider nicht.
Sollte das Gesetz in Kraft treten, wirken zwei bestehende Gesetze gleichzeitig und gegensätzlich: Über das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) werden Kohlekraftwerke abgeschaltet, über das Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz (EKWG) werden sie teilweise wieder aktiviert. Die deutsche Energiepolitik zeigt Symptome der Konfusion auf höchstem bürokratischen Niveau. Die Schlagzahl der Formulierung neuer Gesetze in immer kürzeren Fristen nimmt zu.

Der alte Römer Tacitus sprach: „Der verdorbendste Staat hat die meisten Gesetze.“ (Um der Gefahr des Vorwurfs der Delegitimierung des Staates zu entgehen, distanziere ich mich umgehend von diesem Zitat und weise daraufhin, dass damit das alte Rom gemeint war.)

Die Klimaziele sollen unberührt bleiben, offenbar vermutet man nur einen kurzfristigen Einsatz von Kohlekraftwerken, weshalb die Regelungen im Gesetz nur bis 31. März 2024 gelten sollen. Inwieweit und warum sich bis dahin die Lage grundlegend geändert haben sollte, wurde in der Anhörung an keiner Stelle deutlich. Dafür gab es die Idee, die zwangsläufig steigenden Emissionen schnellstens wieder „zurückzuholen“, natürlich durch die zügige Beschleunigung des schnelleren Ausbaus der „Erneuerbaren“.

Deutlich wurde, dass auch neue Gaskraftwerke nötig sind. Niemand versuchte, die Sektoren Strom und Wärme zu trennen, wie es einige Politiker und Pseudowissenschaftler und –innen tun, um die Kernkraft aus der Diskussion herauszuhalten. Spätestens wenn egoistische Menschen bei administrativ abgesenkten Raumtemperaturen ihren Heizlüfter mit der Steckdose verbinden, wird die Überlappung der Sektoren deutlich. Zudem bleiben Gaskraftwerke für die Spitzenlast im Stromnetz weiter nötig, denn die reaktivierten Kohlekraftwerke müssen zunächst den entfallenden Strom aus Kernkraft ersetzen.

Noch sind Heizlüfter käuflich zu erwerben, aus guten Gründen gab es sie im DDR-Einzelhandel nicht. Besser wäre, die Bevölkerung würde von selbst auf den Einsatz solcher Geräte verzichten und Pullover überstreifen, aber der Weg zum klimagerechten Menschen dürfte noch viel grüne Erziehungsarbeit erfordern.

Ob die unter Zeitdruck zu verabschiedenden Energie-Gesetze nutzen oder eher schaden, wird die Zeit zeigen. Unverändert gilt, dass kleinteilige administrative Regelungen unweigerlich zum Bedarf weiterer Regulierung führen, denn man kann ihre Wirkung und mögliche Umgehungstatbestände nicht in Gänze vorhersehen.

Darf`s etwas weniger sein?

Zunächst führt die planmäßige und angekündigte Revision der Nordstream-1-Leitung zum Stopp der russischen Gaslieferungen. Damit dürfte das Auffüllen der Speicher unterbrochen werden. Ob die Leitung wieder termingerecht in Betrieb geht, ist angesichts der politischen Unwägbarkeiten unklar. Die Liefereinschränkung durch einen fehlenden Verdichter wird auf jeden Fall bestehen bleiben, was Klimaminister Habeck als politisch verursacht feststellt. Inzwischen bestätigte Kanada allerdings, dass tatsächlich eine überholte Gasturbine für einen Verdichter aus Sanktionsgründen nicht zurück geliefert werden kann. Russland wird sich kaum bemühen, eine alternative Turbine einzusetzen. Gazprom-Chef Miller sagt, man könne über Nordstream 2 liefen. Das wollen wir natürlich nicht.

Unterdessen erweckt unsere Situation in der Ukraine Mitleid. Seit dem 16. März ist das Land mit dem europäischen ENTSO-Stromverbundnetz gekoppelt und Energieminister Haluschtschenko bietet Deutschland Strom aus ukrainischen Kernkraftwerken an. Etwa 50 Prozent des Stroms in der Ukraine hat seinen Ursprung in der Kernspaltung. Das größte europäische Kernkraftwerk (KKW) steht bei Saporischschja, ist derzeit allerdings unter russischer Kontrolle. Etwa 14 Gigawatt KKW-Leistung stehen zur Verfügung, es gibt eine Vereinbarung mit Westinghouse zur Optimierung von zwölf Reaktoren und zum Bau weiterer neun Blöcke. Eine Reaktion unserer Regierung auf das Angebot ist nicht bekannt, natürlich müsste man es aus Gründen der Sicherheit (in der Ukraine) ablehnen.

Die Aussichten sind trüb wie ein Gurken-Smoothie mit Banane und Rucola. Die Energiepolitik der Ampel wird durch die Grünen dominiert. Das hilft „dem Klima“ nicht, denn die Grünen sind keine Klimaschutz-, sondern eine Antiatompartei. Das Festhalten an einer Achtziger-Jahre-Ideologie ist reaktionär und kontraproduktiv, bestimmt aber den Kurs der Ampelregierung. Es wird noch mindestens zwei Politikergenerationen brauchen, bevor wie bei den finnischen Grünen ein Umdenken einsetzt.

Bis dahin wird es noch eine Fülle neuer Gesetze geben müssen, um die Energieplanwirtschaft zu gestalten. Bürokratie und Preise steigen, Versorgungssicherheit und Lebensniveau sinken. Grün wirkt.


Die Dokumentation zur Veranstaltung incl. Video (1:24h)
Meine Stellungnahme zum Gesetzentwurf.


 

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Kommentare ( 27 )

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Kindermund
1 Jahr her

Erschreckend. Das Video ist einfach nur erschreckend. Mit welcher Naivität und Weltfremdheit unsere Regierung ihre Gesetzesentwürfe strickt. Anstatt den Brand zu löschen, den sie selber entfacht haben, wollen sie Brandbeschleuniger in das Feuer schütten. Und die Grünenfraktion? Bildet mit der Frau vom Ökoinstitut eine Parallelveranstaltung, bei der es nicht um die Versorgungssicherheit sondern allein um der Klimatod durch Kohlekraftwerke geht. Bei so viel Weltuntergangsgefahr muss man sich auch nicht an simple Spielregeln wie z.B. die Redezeit halten.

November Man
1 Jahr her

So ein Theater wegen nichts und wieder nichts. Die Grünen sollen erst mal zweifelsfrei beweisen warum Co2 für das Klima schädlich sein soll. Und das können sie nicht, aber Geld abzocken.

StefanB
1 Jahr her

„Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz“ – Ein Wortungetüm wie aus der DDR 1.0 (Weihnachtsschmuck hieß dort ja u.a. „Jahresendzeitfiguren“). Im Erfinden immer neuer Begrifflichkeiten waren und sind die Sozialisten und Kommunisten zweifelsohne Weltklasse. Leider dienen sie nur dazu vom allumfassenden Mangel abzulenken.

Last edited 1 Jahr her by StefanB
Guzzi_Cali_2
1 Jahr her

Es ist vollkommen egal, mit was für Bürokratie- und Wortmonstern man die schlichte Realität zu bekämpfen versucht – die Realität hat die (für die Grünen) unangenehme Eigenschaft, unverblendet und frei von Weltanschauung zu sein. Und: Sie ist einfach und unkompliziert. Wenn die Realität die Gründbraunlinken einholt, zerfallen die neu erfundenen Begriffe und Gesetze nebst ihren Kreatoren im selben Moment zu Staub.

Iso
1 Jahr her

Deutschland ist doch wie Luhansk. Eine kleine Gruppe von Klimaseparatisten verübt einen Staatsstreich und erlässt täglich neue Gesetze, um ihn unumkehrbar zu machen. Aber nichts ist für die Ewigkeit.

Medienfluechtling
1 Jahr her

Was durch die verspätete Reaktion eines Herrn Harbeck aufgrund ideologischer Scheuklappen tatsächlich ausfallen wird, werden wir sehen. Irgendwann wird in den Lehrbüchern zur großen Krise stehen, wie zu den durch den Ukraine Konflikt verursachten Problemen, Deutschlands Politik hinzukam.

H. F. Klemm
1 Jahr her

„Der verdorbendste Staat hat die meisten Gesetze.“ (Um der Gefahr des Vorwurfs der Delegitimierung des Staates zu entgehen, distanziere ich mich umgehend von diesem Zitat und weise daraufhin, dass damit das alte Rom gemeint war.)
Zwecklos Herr Hennig.
Bereits der gesamte Artikel stellt die Regierungspolitik negativ dar. Daher ist die Verwendung dieses Zitates, auch unter Verwendung Ihres offensichtlich unglaubwürdigen Disclaimers im gesamten Kontext Ihres staatsdelegitimierenden Artikels, nur eine weitere Steigerung dieses neuen strafbewehrten Tatbestandes und dürfte demzufolge strafverschärfende Wirkung haben.
(Frag nach bei Harbarth, am besten bei einem gemeinsamen Abendessen)

Last edited 1 Jahr her by H. F. Klemm
LadyGrilka55
1 Jahr her

„In hoher Schlagzahl baut die Regierung neue Gesetze.“

Corruptissima republica plurimae leges. (Tacitus)

Der korrupteste Staat hat die meisten Gesetze. (Hat der Römer Tacitus behauptet.)

Last edited 1 Jahr her by LadyGrilka55
H. F. Klemm
1 Jahr her

Das „Gute-Kraftwerke-in-Betriebnahme-Gesetz“ wirds schon richten. Auch wenn Version 2 „..auch für Kernkraftwerke ? „ aber wohl noch ein Weilchen auf sich warten lässt. R.H. im für die deutsche Wirtschaftssituation passenden Anzug des Grabredners mit schwarzer Krawatte und Leichenbittermiene, sogar frisch und seriös rasiert macht das schon – der Vizekanzler , wie er salbungsvoll in den MSM/ÖR nur noch betitelt wird. Wie auch der von ihm ausgerufene „Notfallplan Gas“ , er sieht eine Gaspreiserhöhung in laufenden Verträgen – allerdings noch nicht in Kraft – durch die Versorger(GVS) vor. Das obwohl das Gas welches derzeit noch geliefert wird, und auch bereits in… Mehr

Last edited 1 Jahr her by H. F. Klemm
Wuehlmaus
1 Jahr her

Vor Jahren war es mal so, dass das Wasserkraftwerk in Rheinstetten vom Netz gehen musste, wenn genügend Solar- und Windstrom vorhanden war, Vorrangregel!
Dabei ist das Flußwasserkraft ein umweltfreundliches mit den niedrigsten Erzeugerkosten. Wind- und Solar die mit den höchsten. Und die Leute machen mit!