Olaf Scholz bekennt sich als Inflationskanzler

Olaf Scholz verspricht zum Tag der Arbeit, auf sozialpolitische Vorhaben trotz zusätzlicher Belastungen durch die Aufrüstung nicht zu verzichten. Nun wissen wir es: Er ist der Kanzler der akzeptierten Inflation. 

IMAGO / Panama Pictures
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht auf der DGB-Veranstaltung am Tag der Arbeit in Düsseldorf, 01.05.2022.

Olaf Scholz hatte in Düsseldorf am 1. Mai einen erstaunlichen Auftritt. Nicht nur, weil er gegen ein dauerndes Pfeifkonzert und „Frieden-Schaffen-Ohne-Waffen“-Sprechchöre im Sinne seines Ukraine-Kurses anreden musste. Er bekannte sich in Düsseldorf nicht nur zur Unterstützung der Ukraine mit Waffen und „dieser armen Länder“, denen womöglich Nahrungsmangel in Folge des Krieges droht, sondern auch indirekt zur Inflation.

Die wohl wichtigste Botschaft des Kanzlers an diesem Maifeiertag lautete: „Wenn wir zusammenhalten wollen, wenn wir solidarisch sein wollen, dann geht das nur, wenn wir das als Gesellschaft auch insgesamt zustande kriegen. Und wenn wir jetzt mehr Geld ausgeben für Sicherheit und Verteidigung, dann weil wir das müssen angesichts dieser Aggression. Dann gilt aber auch das Folgende: Wir werden keines unserer Vorhaben beenden, das wir für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg bringen wollen.“

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Das soll wohl eine beruhigende Botschaft sein. Diejenigen, die sich von der SPD-geführten Bundesregierung mehr sozialstaatliche Umverteilung erhofft haben, sollen nicht enttäuscht werden, auch wenn die Vorgängerregierung mit einer Sozialstaatsquote von 33,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Coronajahr 2020 hier schon einen Rekord vorgelegt hat. Ähnlich wie schon 2015ff die damalige Große Koalition die exorbitanten Mehrausgaben für Migranten zu keinerlei Sparanstrengung an anderen Stellen veranlasste und damit der Eindruck erweckte, die Willkommenspolitik sei umsonst zu haben, soll nun auch die „Zeitenwende“ niemandem in Deutschland weh tun.  

Scholz und die gesamte deutsche Politik haben sich völlig von der Vorgabe gelöst, dass die Haushaltslage die Ausgaben begrenzen muss. Ludwig Erhard schrieb in einer lang vergangenen Zeit, als die Grundlagen für den Wohlstand geschaffen wurden, von dem wir nun zehren: „Wenn ich den Raum, den die Haushaltslage der kommenden Jahre für soziale Leistungsverbesserungen offenlässt, in Beziehung zu den Vorstellungen setze, die in dieser Richtung gehegt werden, zwingt das Gebot der Stabilität zu der Feststellung, dass wir, wie schon gesagt, nach Wertigkeit, Dringlichkeit und Nützlichkeit im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ein Bezugssystem und einen längerfristigen Zeitplan aufstellen müssen. Lassen Sie mich ein offenes Wort sprechen: Wir müssen uns entweder bescheiden oder mehr arbeiten.“

Natürlich weiß der frühere Finanzminister Scholz, dass dieses Versprechen – mehr für Verteidigung auszugeben und zugleich auch mehr für Soziales, ohne mehr zu arbeiten – auf Kosten der Zukunft teuer erkauft ist. Zusätzliche Ausgaben lassen sich nur durch Verschuldung heben – also durch die Opferung des Erhardschen Gebotes der Stabilität. Im Instrument des „Sondervermögens“ hat die Bundesregierung einen Weg gefunden, wie sich die Neuverschuldung oberflächlich verschleiern und pro forma vielleicht sogar die Schuldenbremse einhalten lässt. Der Begriff allein ist schon eine glatte Lüge geradezu Orwellscher Ausprägung: Es gibt keine Sondervermögen, sondern nur Sonderschulden – zusätzlich zu jenen des Bundeshaushaltes.   

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Dabei wird gerade in diesen Monaten der sich überschlagenden Inflationsmeldungen überdeutlich, wie schmerzhaft diese Schulden dereinst beglichen werden, nämlich auf dem indirekten Weg der Geldentwertung. Deutschland, das einstige Hartwährungs- und Haushaltsdisziplinwächterland der EU tut es nun den einstigen Weichwährungsländern des EU-Südens gleich und greift sich verschuldend in die Vollen. 

Dass die EZB den Verschuldungsorgien, bei denen nun mit dem Wiederaufbaufonds auch noch die EU selbst mitmacht, noch irgendwelche Hürden aufstellen wird, ist absolut unwahrscheinlich. Die Zinswende wird spät kommen, wenn überhaupt und sehr gemäßigt. Es gibt also, nachdem Deutschland endgültig das Sparen aufgegeben hat, keine stabilitätspolitischen Halteseile mehr. 

Der Kanzler hat sich, indem er sich von den öffentlichen Sparanstrengungen verabschiedet, indirekt zur Inflationierung bekannt. Die ist ohnehin schon in vollem Lauf. Und sie trifft vor allem jene Bevölkerungsschichten besonders hart, für die Sozialdemokraten wie Scholz eigentlich Politik zu machen versprechen: Menschen mit geringen Einkommen ohne nennenswerte Vermögen. Was jetzt „für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg“ gebracht wird, muss von ihnen und ihren Nachkommen morgen umso teurer bezahlt werden – und die Milliarden für die militärische Zeitenwende auch.

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Kommentare ( 40 )

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Kantig
1 Jahr her

Naja, weglaufen können wir Deutschen nicht vor der Inflation und all den anderen Problemen. Da wird schon aufgepasst das Deutschland nicht zu gut dabei wegkommt. Die Probleme sind global und es wird einen Kollaps geben früher oder später. Ich habe für mich die Hoffnung, je früher desto besser dann können wir neu anfangen und wir könnten dann auch unabhängiger sein. Wenn bei uns nichts mehr abzugreifen ist sind wir den anderen Europäern gleichgültig und die sind mit sich selbst beschäftigt.

Orlando M.
1 Jahr her

Vorhaben, die wir für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg bringen wollen.“
Die fünfköpfige rumänische Familie unter mir, wo die Mutter Hausfrau ist und der Vater seit sechs Monaten auch immer daheim sitzt, möchte gern wissen, um wieviel das Kindergeld, Muttergeld, Coronageld etc. erhöht wird? Die möchten auch gern einmal Urlaub in Monaco machen, so reicht das Geld vom Steuerzahler grad so zum Leben und für kleine Ausflüge im Familien-SUV und das ist höchst unfair!

A rose is a rose...
1 Jahr her

Leider kann man eben doch nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Irgendwann sind die Sohlen löchrig und der Geldbeutel leer, wegen der vielen Hochzeitsgeschenke. Ich frage mich wirklich, ob eigentlich irgendein Mitglied der Regierungsparteien mal den Grundsatz „Prioritäten setzen“ gehört hat. Nicht dass es so schwer sein dürfte, diese zu bestimmen. Denn schliesslich steht es ja groß geschrieben über dem Eingang ihrer Arbeitsstätte. Und zumindest Herr Scholz hat sogar einen Eid darauf geleistet, dies umzusetzen.

lube
1 Jahr her

Sozialisten können immer nur das Geld anderer Leute ausgeben.

Oneiroi
1 Jahr her

Eigentlich ist es egal ob und wiviel teurer es wird. Momentan scheinen ja noch alle mit der Inflation recht zufrieden zu sein. Die Türken kommen mit 60% super klar. Erdogan sitzt fest im Sattel. Ich hatte früher gedacht, einem Volk kann es irgendwann zu „bunt“ werden…aber dann hätte es wohl nicht das Leid in der Menschheitsgeschichte gegeben. Man wird akzeptieren müssen, dass die Masse mehrheitlich treue Untertanen sind, die der jeweiligen Regierung bis zum Ende folgen werden. Wenn das Hunger und Armut bedeutet, dann ist das eben so. Relevante Änderungen sind heute nicht mehr von innen heraus, sondern nur durch… Mehr

Autour
1 Jahr her

Die Deutschen wollen es so, die Mehrheit wählt diese Sch…! Unfähige Personen in Positionen die sie nicht ausfüllen können aber sich die Taschen Vollstopfen. Diätenerhöhung während die Bevölkerung immer weniger zum Leben hat!
Aber wie gesagt die Deutschen wollen es so. Sie wollen es wie schon immer auf die harte Tour! Mal sehen wie lange es dauert bis endlich auch der Letzte Trottel kapiert was diese Politversager angerichtet haben.

Iso
1 Jahr her

Dank Merkel und Scholz schlittern wir in Krisen, die wir ohne unsere „Partner“ nicht haben würden. Wahrscheinlich wäre Europa ein viel ruhigerer Kontinent, wenn Deutschland stark und zu vielen Dingen Nein sagen würde. Dieses links-sozialistische Rumgeeiere bringt nur Ärger. Das beginnt doch schon mit dem Euro und jetzt könnte ich noch 25 weitere Punkte aufzählen, die einfach falsch entschieden wurde und uns das Leben schwer machen.

Kuno.2
1 Jahr her

Von Willy Brandt ist der Spruch überliefert: „Mir sind 5% Inflation lieber wie 5% Arbeitslose“.
An diesen Spruch haben sich Bundesbank, EZB und Regierungen weltweit gehalten und keine ernsthafte Rezession mehr zugelassen.
Der Preis ist die Inflation. Sollten FED und EZB die Zinsen in diesem Jahr nicht deutlich erhöhen, wird eine Hyperinflation wie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg die Folge sein.

Watzmann
1 Jahr her
Antworten an  Kuno.2

Dieser Spruch stammt aus dem Munde des Weltökonomen Helmut Schmidt himself!

Kuno.2
1 Jahr her
Antworten an  Watzmann

Beide sind aus der gleichen Partei und was Schmidt sagte, hätte Brandt auch unterschrieben. Aber es geht eher darum, dass fast die ganze Welt nach dem Tode dieser Beiden genau diese Politik verfolgte.

Thorsten
1 Jahr her
Antworten an  Kuno.2

Eine Hyperinflation gibt es nur durch „Geld drucken“. Die aktuelle Inflation geht auf den Ukraine-Krieg und die uns aufgezwungenen Embargos zurück.
Das lässt sich rückgängig machen, der Schlüssel liegt aber in Washington.

Thorsten
1 Jahr her

Solidarität“ bedeutet doch nur, dass der Arbeitende seine Arbeitsleistung an andere vergibt. Am liebsten profilieren sich Politiker doch darüber den Leistungsträger zu nehmen

Blanker Hans
1 Jahr her

Ich stimme Ihnen voll zu, glaube inzwischen aber, dass es nie wirklich anders war. Die vielen (hausgemachten) Krisen legen den Zustand nur deutlicher bloss. Solange aber die „Mitbürger“ für eine Bratwurst bereit sind ihre Gesundheit für einen gentechnischen Feldversuch zu opfern und bereit sind diejenigen zu diskriminieren und denunzieren, die sich dagegen wehren, wird sich am politischen System nichts ändern. Mitleid ist also fehl am Platz!