Lehren aus 2021 ziehen

Ismail Tipi will sich von Rückschlägen und Sorgen nicht kleinmachen lassen, weil er immer auch die guten Seiten sieht.

Albert Einstein sagte einst: „Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs Neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht.“ 2021 hat uns beides geliefert – Höhen und Tiefen. Es gab Erfolge zu feiern, aber auch viele Gründe, besorgt zu sein. Besorgt um unser Land, besorgt um die Verfassung unserer Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit, besorgt um das, was die Zukunft bringen wird.

Und dennoch: Meinen untrüglichen Optimismus konnte mir auch dieses Jahr, das fast vollständig von der Corona-Pandemie bestimmt wurde, nicht nehmen. Ich kann, will und werde mich von den Rückschlägen und den Sorgen nicht kleinmachen lassen, weil ich immer auch die guten Seiten sehe.

Es sind Geschichten und Nachrichten, die mich beeindrucken oder mich alarmieren, die mich zum Nachdenken gebracht haben oder zum Handeln animierten – mein persönlicher Jahresrückblick für das Jahr 2021:

Clankriminalität

„Damit kriminelle Clans nicht Ferrari fahren, sondern Mercedes.“ Mit diesem Slogan im offiziellen Parteitagsspot hat die CDU im Januar für großes Aufsehen gesorgt. Zu der Forderung waren im Video der Union zwei augenscheinlich arabisch-stämmige Männer in einem Ferrari sitzend zu sehen, die im nächsten Moment von einem Mercedes-Mannschaftswagen der Polizei überholt werden.

In den sozialen Netzwerken wurde viel Kritik laut und die angeblichen Verfechter einer „neuen Toleranz“ schlugen wild mit der Rassismus-Keule um sich – und zeigte einmal mehr, dass die Multi-Kulti-Romantik und Grenzenlos-Träumereien scheinbar so weit gehen, die Rechtsstaatlichkeit und unsere Sicherheit zur Disposition zu stellen.

Fakten treten einmal mehr in den Hintergrund: Die Tatsache, dass das Bundeslagebild „Organisierte Kriminalität“ (OK) für das Jahr 2019 mit 63,8 Prozent eine Mehrheit ausländischer Tatverdächtiger ausweist und 73,2 Prozent der Taten von heterogenen Gruppen, also Gruppen der organisierten Kriminalität, denen Personen mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten angehören, begangen wurden, werden mit der Rassismus-Keule zertrümmert.

Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, ganz besonderes gegen kriminelle Familienclans, jedoch ist eine Bewährungsprobe für den Rechtsstaat. Diese patriarchalisch organisierten Clans lehnen den Rechtsstaat und die staatliche Gewalt ab, gehen sogar so weit, ihre Viertel zu „polizeifreien Zonen“ zu erklären, Polizisten auf offener Straße zu beleidigen und anzugreifen.

Schlimmer noch: Ganze Generationen wachsen in dieser Umgebung auf, die dazu noch von drakonischen Strafen und Kriminalität als Normalzustand geprägt ist. Sie wachsen in dem Glauben auf, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für sie nicht gelten.

Deswegen müssen diese Clans mit der vollen Härte des Rechtsstaats verfolgt und bekämpft werden. Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass sich in unserem Land sehenden Auges Parallelstrukturen etablieren, die unserer Verfassung und unsere Werte nicht achten. Deshalb muss die Bekämpfung der Clankriminalität dringend wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Dazu gehört es auch, die Täter beim Namen zu nennen. Falsche Rücksichtnahme und missverstandenen Toleranz sind hier nicht angebracht.

Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz

Im Juli 2021 brachen schwere Unwetter über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz herein und verwüsteten ganze Landstriche. Autos, Brücken, Gleise, Häuser – waren vor den heranflutenden Wassermassen nicht sicher. Aus normalen Bächen, wurden reißende Ströme, die alles mit sich zogen, das ihren Lauf störte.

Besonders schlimm wurde das Ahrtal getroffen. Allein an der Ahr starben mindestens 133 Menschen durch das Hochwasser. Zahllose weitere verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Von Häusern, die sich seit Generationen im Familienbesitz befanden, wurden zerstört – nichts steht mehr. Die Wasser- und Stromversorgung ist zusammengebrochen, Wasserrückhaltebecken drohten überzulaufen.

Inmitten des Chaos und der Verwüstung rollte eine noch weitaus größere Welle der Solidarität durch das Land: Innerhalb kürzester Zeit wurden Spenden in unglaublicher Höhe gesammelt, aus dem ganzen Land rückten Hilfskräfte der Feuerwehren, der Rettungsdienste und des Technischen Hilfswerk an, um die Menschen mit dem notwendigsten zu versorgen und die Aufräumarbeiten sowie den Wiederaufbau der Infrastruktur zu unterstützen.

Diese Geste der Mitmenschlichkeit hat mich zutiefst beeindruckt und schenkt gerade in Zeiten, in denen von gesellschaftlicher Spaltung und einer zunehmenden Entfremdung immer mehr zu spüren ist, Hoffnung. Sie beweist: Wir können als ein Volk zusammenstehen, trotz aller Meinungsverschiedenheiten und aller Unterschiede.

Corona-Pandemie

Selbstverständlich hat die Corona-Pandemie wie kein anderes Thema, die Nachrichten und das gesellschaftliche Leben dieses Jahres geprägt und bestimmt. Wir alle hatten uns ein schnelleres Ende der Pandemie erhofft. Ärzte, Kranken – und Altenpfleger und viele mehr sollten endlich entlastet werden, ein normaler Alltag wieder in greifbare Nähe rücken.

Hierfür wurden mehr und mehr Impfstoffe zur Verfügung gestellt – und dennoch herrschte zunächst eine große Knappheit. Einmal mehr, mussten wir unsere Solidarität unter Beweis stellen und Kranken, Alten und besonders gefährdeten Mitbürgern den Vortritt in Sachen Impfung lassen.

Die Corona-Pandemie hat viel Solidarität und Miteinander offenbart, aber sie hat auch Gräben aufgetan. Es sind Rissen entstanden zwischen Befürwortern und Gegnern der Maßnahmen, zwischen Wissenschaftsgläubigen und Impfskeptikern. Der Ton ist immer rauer geworden, Demonstrationen sind in Gewalt ausgeartet und Polizisten wurden wahllos angegriffen und verletzt. Das Diskursklima scheint heute vergifteter denn je.

Die Fackelmärsche und die Morddrohungen sind zwei traurige Beispiele dafür, wie verkommen die Diskussionskultur geworden ist und wie wir von unseren Werten wegdriften.

Dies wird eine der größten Herausforderungen im neuen Jahr sein: Wir müssen das gesellschaftliche Miteinander neu erlernen, müssen die Gräben schließen, die die Pandemie aufgetan hat und die sich nicht einfach kitten lassen. Es gilt aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören. Gerade diese Fähigkeit jedoch scheint uns verloren zu gehen.

Presse- und Meinungsfreiheit

Weltweit erleben wir, dass die Presse- und Meinungsfreiheit bedroht sind. Journalisten werden verfolgt und eingesperrt, weil sie ihrer Arbeit nachgehen und auf Missstände aufmerksam machen.

Diktatoren auf aller Welt schicken sich an, die Narrative zu bestimmen, die Grenzen des Sagbaren neu zu definieren. Kritik lassen sie nicht zu. Negative Berichterstattung ausgeschlossen. Wer seine eigene Meinung äußert wird verfolgt und abgeurteilt.
Die Bedrohung der Meinungsfreiheit findet sich aber auch im Kleinen: Überall dort, wo Debattenräume eingeschränkt werden, wo Argumente „gecancelt“, wo Sprache „geframet“ wird, um einen angeblich höheren Idel zu dienen. Insbesondere die Anhänger einer falsch verstandenen Toleranz im Sinne einer Multi-Kulti-Romantik sind die Vorreiter dieser Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Die Fälle der Einschränkung der Meinungsfreiheit werden immer häufiger, die Kultur des demokratisch gepflegten Streits hat sich verändert und bedarf einer Neujustierung.

Es ist von allergrößter Wichtigkeit, sich für unvoreingenommene Diskussionen und offene Debattenräume einzusetzen. Wir dürfen die Fähigkeit des demokratischen Streits nicht verlernen. In dem Meinungsstreit, dem Ringen um das bessere Argument, liegt der Wesenskern unserer Demokratie, liegt die Garantie unserer Freiheit.

Islamismus und Terrorfinanzierung

Leider haben auch in diesem Jahr wieder islamistische Anschläge unser Land erschüttert. In Würzburg ersticht ein islamistisch-motivierter Attentäter drei Menschen und verletzt neun weitere. Er kann nur aufgehalten werden, weil Passanten engagiert einschreiten und den Mann in Schach halten, bis die Polizei eintrifft.

In einem ICE nahe Regensburg sticht ein Mann Anfang November auf Fahrgäste ein, verletzt mehrere schwer. Auch er soll ein extremistisches Motiv gehabt haben.

Radikale Islamisten, Salafisten und Dschihadisten stellen weiterhin ein großes Problem für unser Land dar. Ihre Ideologie, die Hass über Frieden, die Gewalt über Freundschaft und Macht über Miteinander stellt, ist mit unseren gemeinsamen demokratischen Werten unvereinbar.

Diese Menschen sind Feinde unserer Demokratie und unserer Art zu leben, sie verabscheuen unserer Freiheit und unseren Wohlstand. Ihr erklärtes Ziel ist es die westliche Lebensweise mit allen Mitteln zu bekämpfen und zu zerstören – zugunsten eines radikal-islamistischen Kalifats, das weder Grundfreiheiten noch Gleichberechtigung, dass weder politische Partizipation noch Minderheitenschutz kennt.

Durch Internetpropaganda, Kampagnen und durch Hassprediger vergiften radikale Salafisten und Konservative unsere Jugend und gehen auf Seelenfang. Sie werben gezielt junge Menschen an, die wegen ihres Alter noch leicht zu formen, zu begeistern und somit auch einfach zu manipulieren sind.

Gerade sie müssen wir besonders schützen. Immer wieder fordere ich daher ein Kopftuchverbot für junge Mädchen und eine verstärkte Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Wir müssen ein Gegenangebot zu den hasserfüllten Thesen und Programmen der Dschihadisten bieten, dass demokratische Werte wie Freiheit, Toleranz und Solidarität in den Mittelpunkt stellt.

Ein ebenso bedeutendes Thema ist es, die Terrorfinanzierung zu beenden. Noch immer fließen Milliarden in die Taschen der Dschihadisten, halten den „heiligen Krieg“ am Leben, stellen die Versorgung mit Waffen, Munition und dergleichen sicher.

Ein wichtiger Schritt ist es, Vereinsverbote weiter voranzutreiben. Lobend hervorzuheben ist das im Mai erfolgte Verbot des Vereins „Ansaar International“, der über mehrere Jahre hinweg Spendengelder gesammelt und damit den Terror im Nahmen Osten finanziert hatte. Dennoch gilt es weiterhin wachsam zu blieben und Finanzierungsquellen der radikalen Islamisten und Dschihadisten trockenzulegen. Hier braucht es zukünftig noch mehr Entschlossenheit.

In diesem Zusammenhang muss auch die mehr als fragwürdige Kooperationen mit den Terrorfinanciers aus Katar genannt werden. Die Katarischen Ölscheichs gelten als eine der wichtigsten Einnahmequellen für die radikal-islamischen Dschihadisten, die im Nahen Osten Menschen vertreiben, versklaven, foltern und ermorden.

Dennoch war nicht nur während der UEFA-Europameisterschaft auf Trikots, Banden und Reklametafeln die Werbung der staatlichen Airline Qatar Airways zu finden. Auch der deutsche Rekordmeister FC Bayern München beharrt auf seinem Sponsoring Vertrag mit der Katarischen Airline – dem Protest zahlreicher Mitglieder und Fans zum Trotz.

Ebenso der Weltfußballverband FIFA: Auch hier hält man an der Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2022 im Wüstenstaat Katar fest.

Das Blutgeld der Kataris ist für die Fußballprofiteure am Ende des Tages scheinbar auch nur Geld. Welche Werte man hiermit unterstützt, welchem Regime und welcher Politik man hiermit die Weltbühne bietet ist auch nach tödlichen Anschlägen in 2021 weiterhin eine unangenehme Nebensache, nicht weiter als eine bittere Pille, die es zu schlucken gilt. Ich verachte diese Doppelmoral.

Afghanistan

Fast 20 Jahre lang waren Deutsche Soldaten am Hindukusch im Einsatz, haben für die Sicherheit der Menschen vor Ort ihr Leben riskiert. Nun sind sie abgezogen und die radikal-islamistischen Taliban haben das Land wieder unter ihre Gewalt gebracht.

Die Bilder des Truppenabzugs haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Unzählige Menschen probieren auf den Flughafen der Hauptstadt Kabul zu gelangen, können nur mit großer Mühe von den verbliebenen US-Soldaten zurückgehalten werden. Sie rennen auf das Rollfeld, klammern sich sogar an startende Flugzeuge – es gilt alles oder nichts: Sie fliehen vor den Terroristen der Taliban, vor ihrem sicheren Tod.

Wenig später gelten in Afghanistan neue Regeln. Frauen dürfen nicht mehr zur Universität, Nachrichtensprecherinnen werden abgesetzt, der Ton der neuen Taliban-Regierung wird immer schärfer – internationale Kritik scheint ungehört zu verschallen.

Derweil entbrennt in Deutschland eine Diskussion: Die Bundeswehr ehrt die Soldatinnen und Soldaten des Afghanistan-Einsatzes mit ihrem höchsten Ehrenzeremoniell: Dem großen Zapfenstreich auf dem Platz der Republik, unmittelbar vor dem Reichstag.

Linke Politiker und Aktivisten protestieren lautstark, fordern gar die Abschaffung der Bundeswehr. Ich sage: Alles richtig gemacht. Es ist in diesem Moment nicht wichtig, ob der Einsatz ein Erfolg oder Misserfolg war. Es gilt die Gefallenen und Verwundeten zu ehren, den Soldaten zu danken, die Geburtstage, Weihnachtsfeste und vieles mehr fernab der Heimat und ohne ihre Familien und Freunde verbringen mussten, die tagtäglich ihr Leben riskiert haben.

Für mich gibt es keinen besseren Ort dies zu tun, als vor den Toren des Parlaments, des demokratischen Gesetzgebers, dass das Souverän unseres Landes repräsentiert: Das Volk.

Ich wünsche uns allen, dass wir unsere Lehren aus diesem Jahr ziehen und lernen, neu als Gesellschaft zusammenzustehen. Ich wünsche uns, dass wir die wahren Bedrohungen von Freiheit und Demokratie erkennen und bekämpfen, statt Schreckgespenstern und Nebelkerzen hinterherzujagen.

Liebe Freunde, kommen Sie gut in das neue Jahr 2022. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien Gottes Segen, viel Gesundheit, Erfolg und alles Gute für das neue Jahr.

Ihr
Ismail Tipi

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Kommentare ( 5 )

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H. Reich
2 Jahre her

Heute in Überlingen mehrere Tausend, alle Altersgruppen, viele Familien, verschiedene Hautfarben, alles sehr friedlich und aufbauend…

DW
2 Jahre her

„Polizisten wurden wahllos angegriffen “ Sie meinen sicher, Polizisten HABEN wahllos angegriffen, z.B, alte Menschen, Kinder, Frauen, die friedlich gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten?

giesemann
2 Jahre her

Sie haben recht, Herr Tipi: Wir dürfen uns nicht so viel gefallen lassen.

Reinhard Peda
2 Jahre her

„Schadensregulierung“ Versicherung – keine „Mehrwertsteuer“ fällig.
„Schadensregulierung“ durch Spenden – „Mehrwertsteuer“ fällig?
Dieser Staat plündert seine Bürger aus, so meine Meinung!

Politkaetzchen
2 Jahre her

Nur eine Lehre konnte ich aus dem Jahr 2021 ziehen:

Nämlich, dass ein Großteil der Menschen kindliche Konsumtrottel sind, denen man jeden Quatsch erzählen kann und sie selbst ihre eigene Verwandten, Partner und Freunde für die heilige Solidarität verkaufen wollen.