Wenn der Habeck zweimal klingelt

Habeck hält sich für den, der da ist, wo vorn ist. Weshalb er meint: „Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist, und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt.“ Sein Fortschrittsbegriff ist eine Phrase, die verschleiert, worum es ihm geht: um das Ende des Fortschritts, um eine Kulturrevolution.

Der beißende Geruch von Angstschweiß liegt in der Luft. Die Ampel fürchtet um ihre Zukunft, die Bürger fürchten um ihren bescheidenen Wohlstand, und der Bundespräsident fürchtet um die Demokratie, kapiert aber nicht, warum. Am Sonntag steht der Krisengipfel der Bundesregierung an, im Land Berlin hoffen die grünen Puritaner mit einem Volksentscheid auf ein neues Spiel. Habeck rechnet mit einem „Durchbruch“ und damit, dass sich „viele Knoten lösen“. Es läuten alle Alarmglocken.

I.

Habeck beschwert sich darüber, dass seine Wärmepumpenpolitik durchgestochen worden sei. Bullshit! Patrick Graichen, den Habeck von einem grünen Klima-Thinktank als Chef-Strategen ins Ministerium holte, hatte die Angriffspläne der Operation Willkür schon in der Aktentasche, als er Staatssekretär wurde. Sie waren auch nicht geheim, wurden nur von der ehemaligen Arbeiterpartei SPD und von der einstmals liberalen FDP geflissentlich übersehen. Auch die merkelgrüne Oppositionspartei CDU hat darauf verzichtet, sie beizeiten zu bekämpfen. Niemand wollte die Grünen beim Wort nehmen, alle taten ihnen schön. Bis es zu viel wurde: Verbrennerverbot, Enregiechaos, Heizungsdiktat und so fort.

II.

Und nun dreht Habeck durch. „Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist, und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt.“ Er hält sich für den, der da ist, wo vorn ist. Sein Fortschrittsbegriff ist eine Phrase, die verschleiert, worum es ihm geht: um das Ende des Fortschritts, um eine Kulturrevolution. Habeck beklagt „Versuche, den Klimaschutz wieder zu einem Kulturkampf zu machen“. Das ist die dreiste Umkehr der Tatsachen. Die Grünen betreiben mit „Klimaschutz“ als absolutem Dogma etwas, was es nach Ansicht des einstigen grünen EU-Abgeordneten Reinhold Messner gar nicht gibt. Schützen kann man nur die Menschen vor den Wirkungen des Klimawandels. Und vor den Klimaschützern, die ihren Kulturkampf gegen die westliche Zivilisation mit zunehmendem Fanatismus betreiben.

III.

Habeck ist wie alle Glaubenskrieger davon überzeugt, den Weg des Heils zu kennen. Um das Heil muss man sich kümmern. Wie bedauerlich, „dass einige sich darum kümmern und andere weniger“. Er versteht unter „kümmern“, dass sich alle unter der Klimaknute krümmen. Doch offenbar dämmert ihm, dass er es überzogen haben könnte. Sogar die SPD spart neuerdings nicht mit Kritik – abgesehen davon, dass der Kanzler weiter schweigt. Auf dessen „Machtwort“ will Habeck sich nicht noch einmal (siehe Atomausstieg) verlassen. Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Herbst könnten der Kipppunkt der grünen Eiszeit sein. „Eine Bundestagswahl, die diejenigen Politiker belohnt, die am wenigsten gelöst haben – da haben wir keinen Bock drauf“, schimpft Habeck. Die Probleme, die er zu lösen vorgibt, hat er selbst geschaffen. Allmählich haben die Bürger „keinen Bock drauf“, dass eine 15-Prozent-Partei bestimmt, wohin die Reise geht.

IV.

Bundespräsident Steinmeier hat zum runden Jahrestag des Ermächtigungsgesetzes einen Aufsatz veröffentlicht, der die ganze Verlogenheit der Debatte unfreiwillig auf den Punkt bringt. Steinmeier: „Jede Demokratie braucht ein Mindestmaß an Anerkennung von Tatsachen über die politischen Lager hinweg … Wenn nur die eigene Ansicht als ‚wahre‘ Volksmeinung gilt, obwohl am Wahltag Millionen mehrheitlich für andere Politik votiert haben, dann ist das Gift für jede Demokratie … Sind die Verächter der Demokratie erst einmal in Schlüsselstellen des Staates gerückt, missbrauchen sie dessen Machtmittel …“ Wie wahr! Habeck könnte sich die Worte an den Spiegel stecken. Nur leider fühlt er sich nicht gemeint. Selbstverständlich sprach Steinmeier nur über die Gefahr von rechts – damals wie heute. Nur ist die Freiheit heute von grünem Fanatismus bedroht und von der Blindheit des Volks – und seines Präsidenten – gegenüber einer radikalen Minderheit, die Habeck noch immer für einen ganz Großen hält.

V.

Und dann noch der obskure Volksentscheid morgen in Berlin. Er könnte der schwarz-roten Koalition den Boden unter den Füßen wegziehen, noch ehe sie begonnen hat. Falls lediglich ein Viertel der Stimmberechtigten „Ja“ sagt – in Berlin sind das etwa 610.000 –, ist „Berlin 2030 Klimaneutral“ erfolgreich. Dann wäre der Senat gezwungen, mehr als hundert Milliarden Euro für energetische Gebäudesanierungen zu verpulvern. Es würden in der sogenannten Hauptstadt alle Habeckschen Schrecken übertroffen und Verbrenner schon ab 2030 verboten. Aber in der Stadt ist nur Propaganda für „Ja“ zu sehen. Niemand, der „Wahlkampf“ für „Nein“ macht, schon gar nicht die Parteien, die doch eigentlich diese Stadt regieren wollen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine grün-fundamentalistische Minderheit dem dumpfen, desinteressierten Volk, das nicht schon wieder wählen will, und der Regierung ihren Willen aufzwingt. Mit direkter Demokratie hat das Verfahren nur dem Anschein nach etwas zu tun, denn es findet so gut wie keine öffentliche Debatte über die Konsequenzen des wohlfeilen Slogans „Berlin 2030 Klimaneutral“ statt. Diejenigen, die das Mittel des Volksentscheids missbrauchen, sind an Auseinandersetzungen mit der tumben Mehrheit gar nicht interessiert. Sie wollen die Ökodiktatur auf „legalem“ Weg durchdrücken. Das Heulen und Zähneklappern wird gewaltig sein, wenn es wieder einmal zu spät ist.

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Kommentare ( 108 )

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Maunzz
1 Jahr her

Beim Bundespräsidenten Steinmeier bin ich mir nicht sicher, ob der überhaupt was meint. Dass er niemanden direkt beim Namen nennt, liegt in seiner Position: Bundespräsident Deutschlands und nicht einer politischen Strömung oder nur für Hilflose, Verwirrte, Gutgläubige. Letztlich ist die Aufgabe des Bundespräsidenten im bestehenden System keine Reden zu halten oder zu schreiben, sondern das, was sein Aufgabengebiet lt. Grundgesetz vorsieht. Es werden dem Bundespräsidenten viel zu viel Aufgaben angedichtet, so als ob diese Position der Herrscher persönlich oder der liebe Gott sei. Richtig ist, dass er als letzte juristische und politische Instanz verabschiedete Gesetze prüft, um diese abzusegnen. Heutzutage… Mehr

Dyl Ulenspegel
1 Jahr her

„Habeck hält sich für den, der da ist, wo vorn ist“
Man kann sich drehen und winden, der Ar..h bleibt immer hinten!
alte deutsche Volksweisheit

Moses
1 Jahr her

Man darf nicht vergessen, dass die Grüne schon von mehr als 20 Jahren von einem Politologen als die Partei mit den besonders ausgeprägten totalitären faschistischen Merkmalen. Das wurde leider nie genug ernst genommen, was vermutlich daran liegt, dass viele Deutsche nach wie vor glauben, dass NSDAP keine rechte sondern klassische linke Partei gewesen war.

Carl22
1 Jahr her

Ein entschiedenes Nein zu Ihrer Charakterisierung der Nichtwähler als „dumpf und desinteressiert “! Der CDU-Vorsitzende Merz verkündet unaufhörlich, eine Koalition mit der AfD kommt für ihn und „seine “Partei niemals infrage. Folglich interessiert mich Wählen nicht. Aber „dumpf “bin ich deshalb nicht. Mein Vaterland ist an mir und generell an konservativen Bürgern schon lange nicht mehr interessiert, und meiner inneren wird baldmöglichst eine Emigration ( nein, keine „Flucht “) in ein Land meiner Wahl folgen. Wo ich alt, weiß, und ein Mann sein darf.

Talleyrand
1 Jahr her

Mir ist angesichts der sehr transparenten Zielsetzung Habecks nicht ganz einsichtig, warum und wofür Kubicki sich jüngst bei Habeck entschuldigt hat.

gmccar
1 Jahr her
Antworten an  Talleyrand

Na, weil er auch durch die Schwabsche WEF-Schule gegangen ist wie Merkel, Lindner und Bärbock.

Klaus D
1 Jahr her

Und!….WIR wählen laut umfragen ein weiter so und auch wenn die DieGrünen nicht mehr mit mitspielen (regieren) dürfen wird sich doch NICHTS ändern. Ich meine WIR sind an einen punkt angekommen wo die politik/die regierenden nichts mehr ändern können. Das kind muss wohl erst in den brunnen fallen!

Gerro Medicus
1 Jahr her

Die Grünen, wie übrigens alle politischen Parteien, agieren nach dem Motto: Wo wir sind, ist vorn. Und wenn wir hinten sind, ist hinten vorn. Eigentlich müssten sie aber sagen: Wo wir sind, geht alles den Bach runter, aber wir können nicht überall sein. Leider ist die aktuelle Situation erneut ein Beleg dafür, dass die träge Masse sich von einigen wenigen Aktivisten dominieren lässt, die mit Lautstärke und Reichweite den Takt vorgeben. Dass es sich dabei um einen Trupp Zivilversager handelt, die nichts wissen und nichts können, verschwindet im Nebel der Propaganda und des Weltrettungswahns. Vielleicht wäre es ja nicht das… Mehr

MariaundJosef
1 Jahr her

Ach, lieber Herr Herles, es macht keinen Spaß mehr in diesem Land.Ich mag keine linksblinden „Reden“ von diesem Bundesprä hören, den Kauderwelsch einer Trampolina, die „Ölmoleküle“ des Märchenonkels, die „Vergesslichkeit“ eines kommunistischen Kanzlers, die Armbinden einer Faeser, all diese „ fachlich ausgebildeten“ Minister mit ihrem unausgegorenem Geschwafel. Ich mag vor allem nicht von einer 15% -Partei drangsaliert werden. Ich bin meiner Würde beraubt, da solche Leute in Berlin regieren, nachdem sich die sogenannte FDP prostituiert hat. Und zum Schluss… das schlimmste Übel sitzt in Brüssel!

Riffelblech
1 Jahr her

Irgendwann ,so scheint es mir ,muß man sich auch mal ehrlich machen und nachfragen warum so eine Blockadehaltung und „ no Go „ Einstellung gegenüber der AfD nicht zur Hauptfrage gemacht wird . Immerhin sind etwas 13—15 % AfD Wähler in diesem Lande vorhanden . Macht mehrere Millionen Menschen — die wirklich nichts zu sagen haben ? Aber eine andere 15 % Prozent Partei ziehtdas Volk mitsamt der Regierung am Nasenring durch die Manege? Zumal diese 15% Partei noch das eigenständige Privileg hat ,die am weitesten Berufsfernen , Studienabbrecher und Moralisiernden in sich zu vereinen. Diese Gemengelage aus der Resterampe… Mehr

Melly
1 Jahr her

In der DDR lebten ca. 17 Millionen Menschen. Die allmächtige Partei hatte 2 Millionen Genossen. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch diese Zahl gefälscht war. Sei es wie es Sei, es bleiben ca. 10 % die glaubten Sie wären mit der Weisheit des Manifestes gesäugt worden. (in den Parteischulen war das wohl auch so) Die Parallelen sind erschreckend und trotzdem haben wir aus der Geschichten gelernt, dass sind keine Heiligen Allwissenden. Wer sich so aufbläht verbreitet nur faule Luft! Es ist an jedem einzelnen von uns, diesen Leuten die Stirn zu bieten, einfach mit ein paar Fakten bewaffnen… Mehr