Meloni hat mit ihrer legalistischen Strategie zur Bekämpfung der Mittelmeer-NGOs Recht behalten. Die ersten „Seenotretter“ geben auf – weil Rom ihnen das Geschäft zu teuer macht. Doch der Streit ist nicht vorbei: Am Freitag droht Salvini ein entscheidendes Urteil.
Darf man jetzt ohne Polemik Schlepper sagen? Geht es nach dem Landgericht Berlin, dann bestehe ein „gewisser Sachbezug“ in der Causa Carola Rackete. Die hatte gegen die Brüsseler AfD-Delegation geklagt, weil sie die Ex-Skipperin als „Sea-Watch-Schlepperin“ bezeichnet hatte. „Wer vor der nordafrikanischen Küste Flüchtlinge aufs Mittelmeer lockt und diese dann wie ein bestellter Shuttleservice nach Europa bringt, ist ein Schlepper. Punkt“, sagt der AfD-Abgeordnete Markus Buchheit.
Mit dem Problem des „Shuttleservice“ hadert auch Rom seit Jahren. Als Italien unter der damals neuen Regierung von Giorgia Meloni ihren neuen „See-Codex“ für NGOs erließ, war klar: Bis die Regeln fruchteten, würde Zeit vergehen. Die „Seenotretter“ liefen vom ersten Tag Sturm, weil sie wussten, was die Regeln bedeuteten, indes Kritiker von rechts das Regelwerk wiederum als zu zahm bezeichneten, gar dessen Scheitern angesichts der Migrationskrise des Folgejahres diagnostizieren.
Mit dem Ausscheiden von „Ärzte ohne Grenzen“ (Médecins sans Frontières, MSF) kann Meloni einen Sieg für ihre Strategie verbuchen. Dass die Ministerpräsidentin dabei über den legalistischen Weg gegangen ist, statt sich groß in Szene zu setzen und mit Symbolaktionen zu punkten, hat dabei den Vorteil, dass sie sich weniger angreifbar macht als dazumal Matteo Salvini.
Auch der Vorwurf, Rom würde mit seiner Politik dem Sterben im Mittelmeer Vorschub leisten, spiegelt sich in den Daten nicht wider. Im Oktober ging ein Bericht durch die italienischen Medien, der in den letzten 10 Jahren rund 30.000 Mittelmeertote belegte. Die Hochphase war dabei unter der linken Regierung in den Krisenjahren 2014 bis 2016 (2014: 3.289, 2015: 4.055, 2016: 5.139). Damals konnten die NGOs ungehindert operieren.
Zwar gab es 2023, im Migrationskrisenjahr der Meloni-Regierung auch einen Anstieg der Fälle (3.155 Tote), doch ist diese Zahl mittlerweile deutlich gefallen. Für 2025 geht man von rund 1.500 Toten aus. Das ist einer der niedrigsten Werte in den Aufzeichnungen. Einzig in den Salvini-Jahren war die Zahl geringer. Es zeigt sich also, dass für die tatsächliche Seenotrettung die italienische Küstenwache nicht die Hilfe von außen braucht.
Zugleich hat Meloni mit ihrem Codex die NGOs entlarvt, die Rom vorwerfen, ihre Arbeit ineffizient zu machen. Von Anfang an war die Strategie Roms, durch die Zuweisung eines Zielhafens die Absurdität der eigenen Ambitionen aufzuzeigen. MSF beklagt sich, dass sie bis zu 1.000 Kilometer vom Einsatzgebiet entfernt ankern müssten, bevor sie wieder ins zentrale Mittelmeer reisen könnten. Ginge es den NGOs wirklich um Seenotrettung, dann könnten sie ebenso gut in Tunis ausladen und wieder zügig zurückkehren.
Bezeichnend ist: Teils liegen sogar die Balearischen Häfen näher, aber die NGOs visieren diese trotz der dort regierenden Linkskoalition nicht an. Es geht und ging um eine Machtprobe.
Vor allem hat diese Strategie aber die finanziellen Ressourcen der NGOs überspannt – übrigens eine Langzeitstrategie der Meloni-Regierung, die sehr früh feststand. Ancona liegt rund 1.000 Kilometer von Lampedusa entfernt – Luftlinie. Ärzte ohne Grenzen geben eine Strecke von 1.575 Kilometern an. Die Organisationen müssen dabei nicht nur die Strecke zum Zielhafen hin, sondern auch diese zurückfahren. Angesichts der derzeitigen Treibstoffpreise sind die Kosten höher. Klimabewusste, fossilfreie Schiffe gibt es bekanntlich nicht.
Dass sich andere „Seenotretter“ noch halten können, hängt nicht zuletzt auch an den Finanzspritzen der Bundesrepublik. Von 2022 bis 2026 werden die Privatorganisationen mit rund 2 Millionen Euro unterstützt. Der Verein „Sea Eye“ bekommt 393.540 Euro, „SOS Humanity“ 500.000 Euro und „SOS Méditerranée“ 492.060 Euro. Aufgrund der Spannungen mit Italien über die deutsche Finanzierung hatte Kanzler Olaf Scholz diese Förderung beenden wollen. Das Auswärtige Amt hielt jedoch daran fest. Er wundere sich, dass das Auswärtige Amt in dieser Frage sein Wort „schnöde ignoriert“, so Kanzler Olaf Scholz zum Handelsblatt im Oktober.
Die Strategie ist auch deswegen ein Gewinn für Meloni, weil sie anders als mit Salvinis Strategie der „geschlossenen Häfen“ bedeutend weniger internationale Negativ-Presse bekommen hat und weder eine Anklage vonseiten der linken Justiz noch Sanktionen aus Brüssel erwarten muss. Der Umgang mit den NGOs entspricht ganz ihrem Politikstil, der die Weichen früh stellt, ohne zu sehr offen anzuecken.
Dass Meloni eher auf Geduld und Langfristigkeit setzt, zeigt sich außerdem daran, dass sie nach langer Planung in die Position des europäischen Unterhändlers für Donald Trump hereinwächst. Bezeichnend ist, dass sie nicht den Kontakt zu Trump direkt gesucht hat, sondern eher auf die Allianz mit Elon Musk setzt. Während andere rechte Politiker den möglichst frühen Hofbesuch in Mar-e-Lago suchten, hat sich Meloni früh mit dem südafrikanischen Milliardär engagiert – wohl wissend, dass Trump in ein paar Jahren nicht mehr Präsident sein wird, indes Musk noch lange die Strippen zieht.
Die Erfolge auf dem Feld sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die italienische Justiz, die bereits beim Albanien-Plan Stöcke in Roms Speichen warf, am Freitag mit einer Bombe aufwarten könnte. Denn dann wird entschieden, ob Ex-Innenminister Matteo Salvini Recht und Gesetz überschritt, als er einem Schiff von Open Arms mit 150 Migranten an Bord die Einfahrt verwehrte. Salvini wird Entführung und Unterlassung von Amtshandlungen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hat eine sechsjährige Haftstrafe beantragt.
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Wenn das nachhaltig Erfolg hat, dann war das ein superintelligenter Schachzug der Senora Meloni. Solche Frauen in der Politik würden auch unserem Land gut zu Gesicht stehen.
Tja. Aber dafür müßte der Michel auch mal solche Politiker wählen!
Da haben Sie recht, auch wenn mir im Augenblick dazu nur eine Einzige einfällt.
Liebe Meloni-Kritiker: Wer sich seit 19 Jahren von Merkel & Ampel regieren lässt, sollte in sich gehen und den Italienern danken, dass wenigstens sie den Schneid haben, der uns fehlt.
Leben wir noch in einer liberalen Rechtsordnung?
Also hier noch einmal für Nicht- Demokraten! In einer liberalen Rechtsordnung ist erlaub was nicht verboten ist und dies grundsätzlich durch ein Gesetz und eben nicht durch die Hintertür durch irgendein Urteil eines Gerichts, welches in der Regel für den Einzelfall zuständig
In einer autokratischen Rechtsordnung ist erlaubt was nicht verboten ist. Das kann man unmöglich alles lernen und ist ein Instrument der Willkürherrschaft.
Daher ist jeder Abgeordnete verpflichtet auch die Freiheit des Wortes zu schützen und nicht stattdessen durch die Hintertür eine ideologisierte, polarisierte Funktionärsmaschine zu schützen.
Gute Idee, die sollen für jeden Angeschleppten erst mal 200.ooo Euro Kaution abdrücken, zur Begleichung dessen, was der kostet. Kommt er trotzdem, dann nur Kost und Logis, auf niedrigem Niveau. Bei Ausreise gibt es die Kaution zurück. Nach Abzug der geleisteten Kosten. „Rent a refugee“, gez. Verleihnix. Keine Geschäfte mehr mit Menschen. Das Asylrecht aber muss bleiben, im Sinne der UN-Flüchtlingskonvention nach den Erfahrungen des WW II. Denn Vorsicht: Der Nachschub ist schier unerschöpflich, „Wir werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns.“ – und: https://www.focus.de/politik/ausland/ajay-banga-in-hamburg-800-millionen-weitere-fluechtlinge-weltbank-chef-mit-duesterer-prognose_id_260374970.html. Mit „Asyl“ hat das alles nichts, aber auch gar nichts zu tun. It’s the… Mehr
„Klimabewusste, fossilfreie Schiffe gibt es bekanntlich nicht.“
Segelschiffe?
Tom Homan im Interview bei Tucker Carlson – mit Untertiteln in englisch: https://x.com/TuckerCarlson/status/1869442509610623251
Ach. Der/die/das Außenministernde darf also tun und lassen, was er/sie/es will und Scholz hat da nur quasi eine beratende Stimme?
Ich dachte immer, der sei als Kanzler Chef der ganzen Regierung!
Scholz und Chef der Regierung!? Er ist ein gigantischer Blender und Dampfblasenplauderer. Und die Trampeline weiß sowieso nichts von der Realität.
Ich bezweifle, dass Giorgia Meloni so gezielt strategisch vorgegangen ist, wie von Marco Gallina beschrieben. Es war, soviel ich weiß, nicht Meloni, die den Kontakt zu Elon Musk gesucht hat, sondern umgekehrt, Musk hat in Italien ganz konkrete wirtschaftliche Interessen, weil Italien Musks Starlink-Satellitensystem testen will, um entlegene Gebiete des Landes mit Internet zu versorgen. Musk war letztes Jahr mindestens zweimal Mal in Italien, und hat sich, wie Fotos beweisen, mit Meloni ganz ausgezeichnet verstanden, wie auch eine Preisverleihung an Meloni Ende September in New York bewies. Elon, der Laudator, über Giorgia: „Eine Frau, die innen noch schöner ist… Mehr
Melonis Vorgehen ist geradezu ein Lehrbeispiel für die Macht der Bürokratie. Keiner konnte den NGO-Schleppern bisher das Handwerk legen. Zu moralisch aufgeladen war ihr Tun, um direkt angreifbar zu sein. Man konnte sie nicht auf dem Meer stellen, das Einlaufen in die Häfen verbieten, die Schiffe beschlagnahmen o.ä. Alles wurde sofort von einer Empörungswelle niedergewalzt. Aber bürokratische Verordnungen, Erlasse, Gesetze sind nicht greifbar, besonders wenn sie indirekt wirken und gar nichts mit der „Seenotrettungssituation zu tun haben, diese aber bis zur Unmöglichkeit erschweren. Eine Empörungswelle läßt sich nicht aufbauen, da der Zusammenhang nicht griffig zu publizieren ist. Physisch bietet sich… Mehr
naja…. die Messerverbotszone ist auch eine bürokratische Verordnung und beweist genau das Gegenbeispiel. Sie ist unnötige Bürokratie die dem normalen Bürger nichts als unnötiges Unheil beschert und wahrscheinlich nicht eine Tat verhindert.
Nur ist die Intention beim Messerverbot eine ganz andere.
Genau das sagt J.Thiel doch: Bürokratie lässt sich als Waffe einsetzen, die wahre Intention dahinter wird unsichtbar gemacht, indem eine Anordnung als „wertneutrale“, objektiv notwendige Maßnahme erscheint, der Folge zu leisten ist. Das war unter den Nationalsozialisten auch so; erst mussten sich alle Juden in Listen registrieren lassen, mit Adresse etc., und später konnte man sie ganz einfach zur Deportation dort abholen. Die Waffenverbotszonen sind eine Offensiv-Attacke – nicht gegen die importierten Messermänner, sondern um einen Vorwand zu haben, die normalen einheimischen Bürger zu jeder Zeit zu durchsuchen und unter Kontrolle zu bringen. Und, ganz wichtig: um uns zu entwaffnen… Mehr
Hallo Herr Gallina, kurzer Zwischenruf: Der hier angepriesene „legalistische“ Weg hatte enorme Kollaterlaschäden, die nicht die Italiener, sondern die Deutschen zu tragen hatten. Hundertausende von Zuwanderern sind über Italien nach Deutschland gelangt, weil die Italiener sie gerne und schnell zum Brenner eskortierten und dann ciao, bello, ciao. Dazu kommen zehntausende, die unbekannt im Mittelmehr abgesoffen sind, weil sie die italienische Politik aufs Meer lockte. Die Italiener haben sich stets genauso geweigert wie die Deutschen, ihre Grneze (die nun halt einmal das Meer ist) zu überwachen. Sie hätten auf die Migranten schießen müssen, und wenn das die Küstenwache wegen der Bilder… Mehr
Das ist aber nicht das Verschulden Melonis, sondern unser eigenes Verschulden. Man kann ja der italienischen Ministerpräsidentin nicht vorwerfen, dass sie Politik für Italien macht. Italia first halt.
Wir müssen schon Politik für uns selbst machen. Germany first. Aber das begreifen hier die Wenigsten.