Deutlich mehr Migranten über Russland: Polen baut Grenzzaun aus

Während in Deutschland immer mehr Migranten, die via Russland kommen, auffallen, baut Polen seine Grenzbarriere weiter aus, vielleicht bald schon auch gegen Kaliningrad. Derweil hat sich der Streit zwischen Frankreich und Italien um NGOs im Mittelmeer verhärtet.

IMAGO / NurPhoto
Grenze zwischen Polen und Russland bei Kaliningrad, 10. November 2022

Polen hat Mitte November das elektronische Überwachungssystem an einem ersten Teilstück seines rund 200 Kilometer langen Grenzzauns (5,5 Meter hoch) zu Weißrussland aktiviert. Weitere Abschnitte sollen in diesen Wochen folgen, sagte Innenminister Mariusz Kamiński laut der Website The first news. Seit der Errichtung des Zauns sind die Grenzübertritte naturgemäß stark zurückgegangen. Aber offenbar gibt es auch einen Grund für die Installierung der elektronischen Überwachung, die nun aktiviert werden soll – und der kann nur in anhaltenden Übertrittsversuchen bestehen.

Tatsächlich gab es Anfang November Berichte von 148 Migranten – darunter Kongolesen und Syrer –, die versuchten, die Grenze zu überschreiten, wobei nicht mitgeteilt wird, auf welchem Weg das geschah. Die Grenze blieb derweil von polnischer Seite aus bis zum 30. November in einem Umkreis von 200 Metern Sperrzone, was ohne Zweifel dabei helfen kann, illegale Grenzübertreter zu bemerken. Seit die „elektronische Barriere“ installiert ist, gab es laut dem polnischen Grenzschutz keine illegalen Einreiseversuche mehr in den so abgesicherten Grenzabschnitten.

— Straż Graniczna (@Straz_Graniczna) November 28, 2022

Für Polen stand früh fest, dass letztlich Russland hinter der Migrationskrise vom Herbst 2021 steckte, als Zehntausende – vor allem Kurden aus dem Irak, aber auch weitere Asiaten und Afrikaner – versuchten, die weißrussisch-polnische Grenze zu überschreiten und teilweise mit Hilfe von Schleppern in großer Zahl die deutsch-polnische Grenze erreichten.

Die polnische Regierung denkt laut Kamiński über einen ähnlichen Zaun mit elektronischer Überwachung an der Grenze zur russischen Enklave Kaliningrad nach. Aber mehrere Indizien sprechen für eine erneut zunehmende Bedeutung der Einschleusung illegaler Migranten über die Route Weißrussland. Der Flughafen Moskau soll wiederum eines der Drehkreuze sein, über das Migranten nach Polen eingeschleust werden.

Ein kleiner Teil der großen Migrationskrise

Das erste Indiz sind die steigenden Aufgriffszahlen an der deutsch-polnischen Grenze, die bis Oktober kontinuierlich wuchsen, so vielleicht auch einiges übernahmen, was sonst über Tschechien über die Grenze gekommen wäre. Allerdings spricht die unterschiedliche Zusammensetzung der Aufgegriffenen an der deutsch-polnischen Grenze für noch ein anderes Phänomen: die erneute Schleusung über Weißrussland und Russland.

Diese Annahme bestätigte die Bundespolizei laut Spiegel auch explizit. Seit dem September nehmen demnach die aufgegriffenen Migranten zu, die zunächst mit dem Flugzeug nach Russland gereist seien. Zu einem Großteil stammen auch diese Zuwanderer aus dem arabischen Raum, aber offenbar auch aus dem Iran. Auch Ägypter sind auf der Balkanroute weniger vertreten, können sich aber offenbar die etwas komfortablere Einreise über Weißrussland und Polen vorstellen.

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Insgesamt hat die Bundespolizei bereits 8.000 Migranten gefasst, die offenkundig über Russland eingereist sind. Entweder wiesen sie gerade erst erteilte russische Visa vor oder hatten länger in Russland gelebt, zum Beispiel „Studenten“ aus Afrika, Vorder- und Zentralasien. Im September gerieten 1.200 solche Fälle in die Hände der Bundespolizei, im Oktober waren es schon 1.500. Das Mindeste, was man annehmen muss, ist, dass Russland die illegalen Ausreisen zulässt, vielleicht sogar ermutigt.

Zur massiven deutschen Asylkrise – 13.000 Aufgriffe im Oktober, 24.000 Erstanträge im Oktober, seit Januar sind es 160.000 Anträge von allermeistens illegal eingereisten Migranten – tragen diese Zuwanderer, die vor allem die deutsch-polnische Grenze belasten dürften, einen kleineren Teil bei. Die Hauptbelastung kommt nach wie vor auf direktem Weg über die europäische Südflanke, also die Mittelmeerküste und die Landgrenzen zur Türkei in den Schengenraum mit Wegen über den westlichen, aber auch östlichen Balkan.

Erstaunlich bleibt auch, wie noch immer alles „freigeräumt“ scheint für die Migranten, keine Grenze zu hoch, kein Weg zu weit, um schließlich in Deutschland anzukommen. Im Grunde hätte die Bundesregierung schon seit Zeiten mehr Grenzkontrollen an den Außen-, aber auch Binnengrenzen des Schengenraums anregen müssen, um eine weitere, stärkere Belastung des deutschen Sozialsystems zu vermeiden.

Schinas: NGOs können nicht wie im Wilden Westen operieren

Von einer „drastisch gestiegenen Zahl der illegalen Einreisen“ in den Schengenraum spricht auch der österreichische Standard und bietet einige unrealistische Remeduren an. Der EU-Innenministerrat, der am Freitag ohne Nancy Faeser tagen musste (sie schickte einen Staatssekretär), dokumentiert vor allem den Stillstand in der EU-Migrationspolitik. Konkrete Ergebnisse gab es laut dem Tschechen Vít Rakušan nicht. Jedes Land konnte zunächst seine Sicht der Dinge artikulieren. Eine Art Paartherapie auf europäisch also, die wohl vor allem Paris und Rom brauchten.

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Vizekommissionschef Margaritis Schinas betonte nach dem Treffen: „Die Handlungen der NGOs sind ja kein Tabuthema, über das man nicht diskutieren kann. Ich denke sogar, wir sollten genau das tun, weil es um Menschenleben geht.“ Damit hat Schinas allerdings recht, und alle Seiten – auch die strikten Gegner der NGOs – stimmen darin überein.

Es könne aber nicht sein, so der Kommissar weiter, dass „die Operationen im Mittelmeer … in einer Art Wildwestmanier gehandhabt werden, wo jeder irgendetwas tut“. War der Satz gegen die neue italienische Regierung gerichtet, gegen Paris oder doch gegen die NGOs? Man weiß es nicht so genau bei dem konservativen Griechen: „Wir brauchen etwas Ordnung, einen Rahmen für Zusammenarbeit.“ Man brauche einen Dialog zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten und den NGOs, ein „ordentliches System“: „Und ich glaube, das ist möglich.“

Hier vermischt sich etwas der Ton des deutschen Ampel-Koalitionsvertrags, in dem sogar eine Zusammenarbeit von Frontex und den NGOs gefordert wird, und der Wille der Südländer, die NGOs zu zähmen. Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Man wird sehen, wie dieser Ausgleichsprozess enden wird, wer die Sieger und wer die Verlierer sein werden. Offensichtlich ist: Ein wirklich migrantenexportierender Putin – denn noch sind das ja eher Vermutungen – hätte, wenn er es wollte, die EU schnell in die Knie gezwungen.

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