Xi schwenkt um – Kooperation statt Säbelrasseln

Wenn Xis Signal in Washington verstanden wird, könnte eine neue Phase nicht nur der bilateralen Politik zwischen China und USA beginnen, sondern die gemeinsame Eindämmung des russischen Einflusses die Erde ein wenig friedlicher machen. Der unerwartete Schwenk des chinesischen Staatschefs sollte nicht unterschätzt werden.

IMAGO / ITAR-TASS

Bis gestern schien alles auf die große Konfrontation zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten von Amerika hinauszulaufen. Jetzt – im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht – der Umschwung. Chinas starker Mann, gerade auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in dritter Amtszeit quasi als Alleinherrscher bestätigt, stellt die bisherige Außenpolitik auf den Kopf. In einer Nation, in der Symbolik alles bedeutet, sind die neuen Zeichen nicht zu übersehen: Russland ist out – Amerika ist in. So zumindest ist eine ungewöhnliche Grußadresse zu verstehen, die Xi Jinping am 27. Oktober über den Pazifik gesandt hat.

Eine Friedensbotschaft an die USA

Offizieller Anlass der Friedensbotschaft: ein Galadinner des „National Committee on U.S. China Relations“, einer Organisation mit Sitz in New York, die sich seit 1966 um eine engere Zusammenarbeit der USA mit China – Volksrepublik ebenso wie Republik Taiwan – bemüht. Pekings starker Mann nutzte diesen Anlass, um ein Signal für friedliche Zusammenarbeit an den Konkurrenten zu schicken. Das unerwartete Friedensangebot kommt als Glückwunschbotschaft daher und könnte tatsächlich geeignet sein, die krisengeschüttelte Weltlage auf den Kopf zu stellen.

Mal anders betrachtet
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Wörtlich spricht Xi davon, dass die Zusammenarbeit zwischen China und den USA dazu beitragen wird, die Stabilität und Sicherheit der Welt zu erhöhen und den Weltfrieden und die Entwicklung zu fördern: „Die Welt heute ist nicht friedlich. Als Großmächte wird die Stärkung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen China und den USA dazu beitragen, die Stabilität und Sicherheit der Welt zu erhöhen und den Weltfrieden und die Entwicklung zu fördern“, so der Parteichef des KPCh. „China ist bereit, mit den USA zusammenzuarbeiten, um sich gegenseitig zu respektieren, friedlich zusammenzuleben und eine Win-Win-Kooperation zu erreichen und den richtigen Weg für beide Länder zu finden, um in der neuen Ära miteinander auszukommen, was nicht nur beiden Ländern, sondern auch der Welt zugutekommen wird.“ Er hoffe, dass die bilateralen Beziehungen wieder auf den Weg einer gesunden und stabilen Entwicklung zurückkehren werde.

Da in einem gelenkten Staat wie der Volksrepublik nichts dem Zufall überlassen wird, legt zeitgleich auch das Propagandaorgan der Pekinger Führung einen 180-Grad-Schwenk hin. Die „Global Times“ macht die Grußbotschaft des Staatspräsidenten zum Aufmacher und leitet ihn mit einem symbolischen Foto ein, auf dem die amerikanische und die chinesische Flagge gleich groß und friedlich nebeneinander auf einem gemeinsamen Sockel stehen. Eine solche Symbolik war bis gestern noch undenkbar – und sie findet zeitgleich Anwendung für einen Artikel über die Beziehungen zwischen der VRC und Indien. Verschwunden ist zudem eine über Monate verbreitete, bewusst beleidigende Artikelreihe gegen die USA, in denen die Vereinigten Staaten als globaler Massenmörder und Kriegstreiber diffamiert wurden – und auch die „Taiwan-Frage“ scheint nun einer Annäherung zwischen den beiden Großmächten nicht mehr im Wege zu stehen.

Kurskorrektur auch in der Russland-Politik?

Wenig glücklich sein über diese Entwicklung kann Russlands Präsident Wladimir Putin. Er setzte bislang darauf, dass die Volksrepublik fest an Russlands Seite stünde. Doch offensichtlich hat der Leningrader die Signale aus Peking – und auch aus Neu-Delhi – nicht verstanden. Bereits auf dem Treffen der Shanghai-Gruppe in Samarkand hatte Xi sein Missfallen über das russische Vorgehen in der Ukraine deutlich zum Ausdruck gebracht. Ebenso wie Indien erwartet China von Russland, die kriegerischen Aktionen zu beenden und eine Verhandlungslösung zu suchen.

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Um dem russischen Nationalismus einen deutlichen Riegel vorzuschieben, hatte Peking zudem noch während des gemeinsamen Treffens in Samarkand Putin wissen lassen, dass es die Souveränität und territoriale Integrität Kasachstans garantiere. Dieser Mitteilung waren Äußerungen aus Moskau vorangegangen, wonach keine der Ex-Sowjetrepubliken ein Existenzrecht habe. Da Moskau den Konflikt mit der Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine weiter eskaliert hat, kamen in jüngster Zeit aus Peking wiederholt unmissverständliche Aufforderungen, einen Verhandlungsweg einzuschlagen.

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat offenbar der russische Versuch, mit herbeigefakten Atombombenplänen und Biowaffenlabors der Ukraine die nächste Eskalationsstufe einzuleiten. Entgegen früherer Zeiten, in denen die VRC Russlands Begründungen für den Terrorüberfall auf das Nachbarland ungeprüft als eigene Position übernommen hatte, ist ein entsprechendes Vorgehen hinsichtlich der aktuellen Moskau-Märchen nicht zu erkennen. Sowohl China als auch Indien haben Moskau gegenüber deutlich gemacht, dass sie jedwedes Atom-Abenteuer strikt ablehnen und die Verantwortung für eine atomare Eskalation an Russland festmachen werden.

Eine realistische Chance, das Ruder herumzureißen

Wenn nun die gemeinsame Verantwortung und der gemeinsame Friedenswille von VRC und USA als „Großmächte“ betont wird, bedeutet dieses auch: Russlands Aggression hat aus chinesischer Sicht ausgespielt. Zwar steht nicht zu erwarten, dass Peking den „Freund“ umgehend wie eine heiße Kartoffel fallen lassen wird – dazu sind die wirtschaftlichen Interessen vor allem an den Rohstoffen Sibiriens zu ausgeprägt –, doch Russland ist nun auch aus chinesischer Sicht auf den Status einer unberechenbaren Regionalmacht geschrumpft: ein ehemaliges Kolonialreich, das zunehmend mehr um sein Überleben und anachronistisch um seine verlorene Bedeutung kämpft.

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Und das zudem mit einem unsinnigen Krieg Chinas Interessen vor allem an einem funktionierenden, globalen Wirtschaftssystem unmittelbar gefährdet. Xi braucht den Welthandel und eine prosperierende Weltwirtschaft, um die Bedürfnisse seines mittlerweile an Wohlstand gewöhnten Milliardenvolkes befriedigen zu können. Nach den überzogenen Corona-Lockdowns befand sich Chinas Wirtschaft in diesem Jahr gerade wieder auf dem Weg der Erholung, als Russlands Überfall für tiefgreifende Erschütterungen sorgte, die letztlich sogar zu einer Gefahr für die Zukunft der KPCh werden könnten.

Zudem hat Xi offensichtlich verstanden, dass Russland als militärischer Partner in einem möglichen Krieg gegen die USA ausgespielt hat. Dass nach der desaströsen Waffenschau Moskaus in der Ukraine nun auch der für Russland wichtige Export seines Kriegsgeräts zusammenbricht, wird zudem den Niedergang Russlands weiter beschleunigen – das haben die Analysten der VRC ebenso erkannt wie den langfristigen Einbruch des Energieexports, nachdem die Hauptabnehmer gezwungen waren, sich von den russischen Exporten zu lösen.

Wenn Xis Signal in Washington verstanden wird, könnte tatsächlich eine neue Phase nicht nur der bilateralen Politik zwischen den beiden verbliebenen Großmächten beginnen, sondern die gemeinsame Eindämmung des russischen Einflusses auch tatsächlich die Erde ein wenig friedlicher machen. Der unerwartete Schwenk des Roten Mandarins darf insofern in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Dem Angebot zur Kooperation zweier entscheidender Mächte auf Augenhöhe, die gegenseitig ihre unterschiedlichen Gesellschaftsvorstellungen akzeptieren, wohnt die Chance der Abkehr vom gegenwärtig beschrittenen Weg der globalen Selbstdemontage der Menschheit inne.

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Kommentare ( 40 )

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1 Jahr her

Pardon, Herr Spahn … „Das Fass zum Überlaufen gebracht hat offenbar der russische Versuch, mit herbeigefakten Atombombenplänen und Biowaffenlabors der Ukraine die nächste Eskalationsstufe einzuleiten.“ — ist das jetzt Ihr Ernst? Was ist daran offenbar? Offenbar ist, dass die USA in der Ukraine seit 2005 mit Biowaffenforschung zugange sind, fragen Sie ruhig den US-„Friedensengel“ Frau Nuland, die hat’s nämlich schon zugegeben. Denn woran und womit forschen Labore wohl, wenn sie „biologische Risiken minimieren“ wollen? Und wie weit würden Sie einem allseits beliebten, so beispielhaft dauerbesonnenen Herrn wie Selenski da nur Gutes zutrauen? Und eines möchte ich zumindest aus meiner Sicht… Mehr

F. Hoffmann
1 Jahr her

Schaun mer mal. Ob Konfrontation oder mal wieder liebe Worte, bei der KP Chinas hat alles seinen Zweck und Grund. Her Xi lächelt immer, egal ob er gerade Zuckerbrot oder Peitsche auspackt. Abwarten und Tee trinken, bis man sieht was sich da entwickelt.

RauerMan
1 Jahr her

China läßt sich seinen lange erkämpften Wohlstand nicht durch Putins Krieg zunichtemachen, das ist doch logisch.
Nach außen steht XI zu Putin, intern wird er ihm schon den Kümmel gerieben haben, was sich über kurz oder lang,wie auch immer, zum Einlenken Rußlands entwickeln wird.
Jetzt geht es doch um das Gesichtwahren von Putin.

Anne
1 Jahr her
Antworten an  RauerMan

Das glaube ich nicht. Denn China weiß, dass der eigentliche Angriff China gilt. Nach dem Fall/der Niederlage Russlands werden die „westlichen Speere“ gegen China gerichtet. Wer bspw. die Äußerungen unserer größten Außenministerin aller Zeiten verfolgt, kann das klar herauslesen.

StefanB
1 Jahr her

Das blitzartige Freundschaftsangebot von Xi scheint seitens der Noch-Hegemonialmacht nicht wirklich auf Gegenliebe zu treffen: USA halten China trotz Russlands Krieg für größte Gefahr https://www.n-tv.de/politik/USA-halten-China-trotz-Russlands-Krieg-fuer-groesste-Gefahr-article23680061.html Interessant die Begründung: „Die größte Herausforderung würden gleichwohl Chinas „mit Zwang verbundene und zunehmend aggressive Bemühungen“ darstellen, „die Indopazifik-Region und das internationale System so umzugestalten, dass sie zu seinen Interessen und autoritären Präferenzen passen“, heißt es in dem Dokument.“ …Das sagen ausgerechnet die Amis. Mutig. Man kann im Übrigen deutlich erkennen, dass es für die USA um alles geht. Sie danken gerade in ihrer sich selbst zugeordneten Rolle als Welthegemonialmacht ab und schlagen deshalb wild… Mehr

Last edited 1 Jahr her by StefanB
humerd
1 Jahr her

als Rohstoff reiches Land, in dem Tag & Nacht die Sonne scheint und immer genügend Wind bläst, sollte Deutschland mit gutem Beispiel voran gehen und China hart sanktionieren – keine Importe aus China mehr. Wie bei der Energiewende, werden dann alle anderen Länder der Welt unserem Beispiel folgen, sehen sie doch, dass die Supermacht der Moral erfolgreich ist.

bani
1 Jahr her

Was für eine Fehleinschätzung. War der Autor jemals in China? Scheint mir nicht so. Die machen knallharte Interessenpolitik. Und die russischen Rohstoffe gehen jetzt woanders hin. Europa wird zum Wirtschaftszwerg, profitieren tuen nur die USA von diesem Krieg der seit 2014 tobt und vom Westen finanziert wird.

RauerMan
1 Jahr her
Antworten an  bani

Nun mal langsam. China und RU machen „knallharte Interessenpolitik“. JA. China inzwischen aus eigener Stärke, erzeugt durch auch deutsche Naivität. RU liefert z.Zt.seine Rohstoffe gezwungenermaßen verbilligt in Länder wie z.B.Indien, , hat sich selbst ins Knie geschossen. Die trauern jetzt insgeheim um ihre bisherigen zahlungskräftigen Kunden. Die USA profitieren zwar momentan von der Energieknappheit der EU, sind aber Teil der westlichen Gemeinschaft und sind letztlich nicht unabhängig davon, schon ideologisch nicht. Die EU, oder vielleicht danach, wird es wieder starke innovative eigenständige Staaten geben. Die Mär vom zu kleinen D ist durch die CH widerlegt. Philosophisch gesehen gehen wir jetzt… Mehr

der_chinese
1 Jahr her

Alles Schall und Rauch meiner Meinung nach. Aber wer weiss. Ich denke, dass das Ukraine Abenteuer gestartet wurde als Experiment um zu sehen, wie reagiert der Westen und was können die Russen. Dies hat sich China genau angeguckt. Falls die Austreckung von Xis Hand ehrlich ist, dürfte dies ein Anzeichen dafür sein, dass die Analyse des Experiments den Herren in Peking nicht gefallen hat. Immerhin betreiben China und Russland dann und wann gerne Kriegsspiele zusammen und wissen, theoretisch, was der andere kann. Und vielleicht weiss China, dass die eigene Armee beim den Spielereien nicht sonderlich besser abschneidet als ihr Partner… Mehr

Memphrite
1 Jahr her

Hier wird so getan als ob die USA das Unschuldslamm sind und diese nur „Frieden und (gleichberechtigte) Zusammenarbeit“ der Nationen anstrebt. Klar die USA wollen Frieden, solange sich alle Länder an die „internationale Ordnung“ „Made in USA“ halten, wobei die USA und ihre angeschlossenen „internationalen Organisationen“ als alleinige Großmacht diese Regeln festsetzt und sich gleichzeitig jederzeit über diese Regeln hinwegsetzen kann. :)) China hat doch immer die ganze Zeit von friedlicher Zusammenarbeit gesprochen. Man hat die USA gewarnt und angeraten in Taiwan keine zweite Ukraine zu fabrizieren. Aber eins ist auch klar: In einer friedlichen Welt der internationalen Zusammenarbeit wird… Mehr

erwin16
1 Jahr her
Antworten an  Memphrite

Die Amis haben den kriegsunerfahrenen Kinesen gezeigt, was sie mit wenigen Waffenlieferungen erreichen können! Des weiteren ist Kina extrem abhängig von Lebensmittelimporten aus aller Welt. Rein finanzpolitisch hat sich Kina auch übernommen und soll wohl kurz vor dem Kollaps stehen. Die ganze Seidenstraßenpolitik ist wirtschaftlich ein Desaster. Eben Staatswirtschaft mit 10 fachWumms. Allein die Coronapolitik der Kinesen ist irre und niemand, niemand fordert mal Schadensersatz für das ganze Desaster, was wir denen zu verdanken haben. Wenn die Kinesen einigermaßen denken können, lassen sie es erstmal gut sein, mit Drohgebärden. Denn ansonsten stehen die selber vor dem Abgrund. An den Überlegungen… Mehr

Deutscher
1 Jahr her

Tja. Die Chinesen sind halt kluge Geschäftsleute, was man von uns leider nicht behaupten kann. Man ist nicht gut beraten, wenn man wichtigen Partnern auf den Schlips tritt und sich als Moralweltmeister aufspielt. Es spricht sich auch herum: Wer will schon mit Klugscheißern Geschäfte machen, die heute was gegen die Saudis und Katar haben, morgen gegen Großbritannien, übermorgen gegen Russland und nächste Woche gegen Kanada und die USA? Warten wir mal ab, ob die Grünroten noch amerikanisches Gas wollen, falls Trump nochmal gewählt wird. Geht Habeck dann zu Putin, um den Kotau zu machen?

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
erwin16
1 Jahr her
Antworten an  Deutscher

Wenn die Ukraine einen Friedensvertrag hat, kommt das Gas von da und auch die ganzen schönen gesunden Bioprodukte.
Unter dem Donbass liegen riesige Gasreserven.

fishman
1 Jahr her

Das ist die Gutenachtgeschichte für Sleepy Joe, mehr wohl nicht. Aber Konfuzius würde auch sagen, solange du keinen Krieg mit deinem Handelspartner willst, lächle ihn an und sei stets bemüht, auch wenn´s noch so schwer fällt. Und wer ist hier konkret auf das neue Lächeln hereingefallen?