Der Ausverkauf geht weiter – Kabinett beschließt Einstieg Chinas in den Hamburger Hafen

Das Bundeskabinett hat den Einstieg Chinas in den Hamburger Hafen beschlossen. Noch während sich die Regierung uneins war, hatte sich Kanzler Scholz längst entschieden, in Kürze nach China zu reisen. Investitionen des asiatischen Landes sind nicht neu: Seit mehr als zehn Jahren kauft China deutsche Unternehmen. Von Julian Marius Plutz

IMAGO / Winfried Rothermel
Ein Containerschiff des chinesischen Staatskonzerns Cosco fährt mit voller Ladung elbaufwärts in den Containerhafen in Hamburg (Archivbild).

Kaum sprach Olaf Scholz im Zuge der Verlängerung von drei Kernkraftwerken in Deutschland ein „Machtwort”, schien es, als würde das nächste folgen. Kern des Streits innerhalb der Bundesregierung: der Einstieg des chinesischen Unternehmens Cosco in den größten deutschen Seehafen, Hamburg. Der Vertrag hierfür wurde bereits im vergangenen Sommer unterzeichnet. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Handelskammer der Hansestadt hatten sich zuletzt stark für den Einstieg der Chinesen ausgesprochen.

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Nun hat das Bundeskabinett entschieden: Der chinesische Staatskonzern Cosco soll 24,9 Prozent statt der anberaumten 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort erhalten. Scholz hatte versucht, den ursprünglichen Deal zu schützen, indem er eine Kabinettsentscheidung hinauszögert. Hätte das Bundeskabinett keinen Beschluss gefasst und wäre keine Fristverlängerung vereinbart worden, wäre das Geschäft laut Gesetz zum 31. Oktober automatisch zustande gekommen.

Die Koalitionspartner FDP und Grüne kritisierten die Investition, während sich die SPD bedeckt hielt. Dabei ist das Engagement Chinas in Deutschland nicht neu. Spätestens ab 2010 begann die große Einkaufstour des Landes in Europa. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young investierte das Reich der Mitte rund 10,75 Milliarden US-Dollar. Vier Jahre später verdoppelte sich die monetäre Aufwendung. Wiederum zwei Jahre später, im Jahr 2016, betrug das gesamte Transaktionsvolumen 85,8 Milliarden Euro.

Deutschland mit das beliebteste Land für China

In den anschließenden Jahren ging das Transaktionsvolumen zurück. Ein Hauptgrund war hier sicherlich die restriktive Coronapolitik Chinas. “In China, wo sich die Pandemie zuerst ausbreitete, hat im letzten Jahr eine flächendeckende Lohn- und Gehaltssenkung stattgefunden“, zeigt eine Studie des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Hinzu komme, so die Publikation, dass sich viele chinesische Mutterkonzerne selbst in einer Neuausrichtung der Unternehmensstrategie befinden, was die künftige Rolle der deutschen Standorte im Konzern beeinflussen werde. Fazit: „Der finanzielle Engpass, die veränderten internationalen Marktbedingungen, lockdownbedingten Störungen in der globalen Lieferkette (…). Die Herausforderungen gehen über das Abwenden der unmittelbaren finanziellen Bedrohung hinaus.“

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Die Talsohle scheint jedoch erreicht zu sein. Laut der Studie von Ernst & Young haben die Chinesen ihr Engagement vom Tiefpunkt des Jahres 2020 von 132 auf 155 Übernahmen gesteigert. In Summe beträgt das für das Jahr 2021 rund 12,4 Milliarden Dollar Investitionsvolumen. Die meisten chinesisch-europäischen Transaktionen des Jahres 2021 wurden in Großbritannien verzeichnet. Deutschland liegt mit 35 Übernahmen auf Platz zwei. Den dritten Platz belegt die Niederlande mit 13 Transaktionen.

Von Kuka bis Tom Tailor

Die Liste der Unternehmen ist lang und traditionsreich. Die bekannteste Übernahme war wohl die des Maschinenbauers Kuka. Im Jahr 2016 übernahm der chinesische Konzern Midea die Firma aus Augsburg. Vier Jahre zuvor kaufte das Pekinger Unternehmen Lenovo den Konkurrenten Medion aus Essen. Medion ist für eine breite Masse bekannt geworden, da das Unternehmen den Discounter Aldi mit vergleichsweise günstigen Computern belieferte.

Ebenfalls unter chinesischer Kontrolle: der Autozulieferer und erfolgreicher Kalenderhersteller Pirelli, das Modelabel Tom Tailor, der Hersteller für Gabelstapler Still, der Aschaffenburger Maschinenhersteller Linde und einer der weltweit führenden Hersteller von Maschinen für die Herstellung und Verarbeitung von Kunststoff, Krauss-Maffei.

Scholz wird nach China reisen

Die Strategie von China beschreibt Rolf Langhammer, Handelsforscher am Institut für Weltwirtschaft Kiel (ifw): „Chinas Ziel ist es, sich vom Ausland und speziell dem systemischen Rivalen USA unabhängiger zu machen und Schlüsseltechnologien selbst produzieren zu können. Dafür braucht das Land Know-how, das es bislang noch nicht hat“, so der Experte. Ausländische Investoren müssten sich vergegenwärtigen, dass sie diesem Ziel dienen sollen und durch heimische Anbieter abgelöst werden, sobald diese über die notwendigen Technologiekenntnisse verfügen.

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Deutsche Unternehmen, vor allem aus der Automobilindustrie, hätten laut Langhammer in China lange Jahre Gewinne gemacht, nun kann die Abhängigkeit vom chinesischen Markt zum Problem werden. „Sie haben chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert, um von diesen zukünftig ersetzt werden zu können, und China damit zu einer mächtigeren Verhandlungsposition im geopolitischen Wettstreit verholfen“, erklärte der Forscher in einer Veröffentlichung für das ifw.

Die Autoren der Studie von Ernst & Young zeigen sich davon überzeugt, dass Deutschland für chinesische Investoren ein attraktiver Markt bleibe: Viele chinesische Unternehmen hätten mit ihren Investitionen in Deutschland gute Erfahrungen gemacht. Zudem werden die Beziehungen zwischen beiden Ländern immer besser. Olaf Scholz hat bereits einen Besuch in China angekündigt. Er ist damit der erste G7-Staatschef, der das Land nach den Corona-Lockdowns besucht. Es wird erwartet, dass der deutsche Bundeskanzler, wie bei solchen Besuchen üblich, mit einer Wirtschaftsdelegation anreisen wird.

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Kommentare ( 35 )

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Orlando M.
1 Jahr her

Die ganze Sache ist denkbar simpel, die Chinesen würden in Hamburg nicht einsteigen, wenn sie sich davon keine finanziellen Vorteile versprechen würden und die liegen normalerweise nicht falsch.
Das zeigt uns nur an, wie sehr der Sozialwahn für die ganze Welt das deutsche Land ruiniert hat, bis ins innerste Knochenmark angefault!

Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat: „Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Handelskammer der Hansestadt hatten sich zuletzt stark für den Einstieg der Chinesen ausgesprochen.“ > Ich bin nun ja kein Fachmann für Wirtschaft und Politik. Dennoch finde ich es schon mal etwas seltsam wenn ein Unternehmen Geschäftsanteile von sich verkauft weil das zumindest mir sagt das es diesem Unternehmen wirtschaftlich schlecht gehen muß. Denn warum sollte sonst ein wirtschaftlich gut laufendes Unternehmen Anteile von sich verkaufen wollen(müssen)?? Und mit Blick auf die diesem Geschäft zusagenden Politik gedacht: Das gerade an Länder wie auch China keinerlei wirtschaftliches „Tafelsilber“ aus dem eigenen Land verkauft werden sollte… Mehr

bauerjosef
1 Jahr her

Also ich finde die Idee unseres glorreichen Kanzlers sehr vorausschauend. Was braucht unser grünes Reich in wenigen Jahren noch so zahlreiche Anlegestellen für Frachtschiffe.Für diese, dann noch anfallenden Warenumschläge reichen wenige hundert Meter Frachtkai. Dort werden dann die Nahrungshilfen der UNO für unser Land auf Lastfahrräder verladen und von (wegen der mangelhaften Bionahrung) ausgemergelten Gestalten zu den Verteilerstellen geschafft wo sie an die hungernden Deutschen ausgegeben werden.

89-erlebt
1 Jahr her

A h jetzt benötigt die Stadteigene HHLA INVESTITIONEN … haben wir aus ?️‍????️‍? nicht erst kürzlich 10 Mrd an Indien wegen Kliima verschenkt, oder 700 Mio an Südafrika wegen Kohle Ausstieg … oder die 600 Mio jährlich an China – für tolle Aufbau Hilfe?
Aber bei Containern macht uns niemand etwas vor, Container für flüchtende aller Länder – auch Hamburg investiert da ganz dolle.

usalloch
1 Jahr her

„Sie haben den chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert- – -„ Na und? Was haben die deutschen Firmen nach dem 2. Weltkrieg getan? Genau das was die fleißigen Chinesen jetzt auch machen. Sie schauen sich in der Welt um. Lernen und Kopieren . Und wenn sich genug Bares angesammelt hat, geht man weltweit shoppen. Oder investiert in anderen Ländern. Der Unterschied der Kulturen zwischen China und dem Rest der Welt ist seit der Zeit bekannt, als Deng Xiaoping 1977 das Risiko einging, die Marktwirtschaft einzuführen. Allerdings mit kommunistischen Label. Auch das China nach den Tian’anmen Aufstand weiterhin auf die Kommunismus… Mehr

imapact
1 Jahr her
Antworten an  usalloch

Man kann den Technologietransfer (z.T. auch „Technologieklau“) nach China nun kaum mit dem Deutschland nach 1945 vergleichen. Es war sogar so, daß sich beide Hauptsiegermächte, USA und UdSSR brillianter deutscher Wissenschaftler versicherten, um von deren Errungenschaften zu profitieren.

Memphrite
1 Jahr her
Antworten an  imapact

Man kann aber die Industrialisierung des deutschen Reiches seit ca. 1850 damit vergleichen.
Da wurde soviel wie möglich von England kopiert.
Na und? Das war schon immer so seit die Menschen das „Feuer“ der anderen „kopiert“ haben.
Wichtig ist das man selbst innovativ bleibt und neues erfindet. Dann braucht man das kopieren nicht zu fürchten.

Endlich Frei
1 Jahr her

Scholz ist ein äußerst schwacher Kanzler. Und wer bei der AKW-„Verlängerung“ überhört hat, dass dies mit dem endgültigem „Aus“ im April 2023 erkauft wurde, hat etwas mißverstanden.
Was für die Energie in Deutschland im Verhältnis zu seinen Nachbarn und den USA gilt, gilt auch für China: Deutschland raus – China rein.

Peter Pascht
1 Jahr her

beachtenswert !!!
Selbst der Bundespräsident Steinmeier hat vor diesem Deal gewarnt !
Nach der Erfahrung mit der Russland Abhängigkeit hat er zu mehr Eigenständigkeit aufgefordert.
Es hagelt Kritik aus allen Ecken, aber Scholz redet sich seine eigene Welt weiterhin schön. Allerdings ist das was er behauptet schlichtes Unwissen und Naivität.
Heftige verbale Kritik kam auch aus der FDP, aber wie üblich ohne Fakten. Ja sogar bei den Grünen gibt es heftige verbale Gegenwehr, aber auch ohne Fakten.
Olafs Sturkopf ist nicht zu erweichen.

Last edited 1 Jahr her by Peter Pascht
Markus Machnet
1 Jahr her

Ich kann! Und ihre Sichtweise ist von grenzenlosem Naivität gekennzeichnet. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Alleine die deutsche Automobilindustrie generiert inzwischen die Hälfte ihres Umsatzes in China. Für andere Industriebereiche ist die Abhängigkeit geringer aber immer noch existenziell. Russland ist dagegen für den Export relativ unbedeutend. Für den Import von Rohstoffen dagegen umso mehr. Ja wir leben in einem Rechtsstaat – und China? Ein lupenreiner Rechtsstaat? China hat die deutsche Solarindustrie durch Dumpingpreise ruiniert. Warum hat die deutsche Regierung nichts dagegen unternommen? Ganz einfach: Importzölle auf chinesische Solarpanelen hätten sofort Sanktionen gegen deutsche Importe in China oder gegen deutsche Firmen… Mehr

Schoenberg
1 Jahr her

Scholz oder Politik nach dem Motto – wer Cum-Ex überlebt, denn wird auch Cum-Xi nicht umbringen? Ernsthaft: Jede Diktatur – nicht nur China -, deren Schicksal an einem einzigen Mann hängt, ist ein höchst riskanter Geschäftspartner, siehe Russland. Schlaue Unternehmen lösen sich gegenwärtig von China.

humerd
1 Jahr her

die Demontage des Kanzlers Scholz nimmt Fahrt auf und Annalena übt schon mal. Der Terz um Cosco und deren Beteiligung am Hamburger Container Terminal ist lächerlich. Was in Duisburg stillschweigend akzeptiert wurde, führt jetzt zu lautem Geplärre, besonders aus dem Auswärtigen Amt. Zu E&Y: nach dem Wirecard Versagen hat der damalige Finanzminister Olaf Scholz folgende Regelungen in ein Gesetz gießen wollen: „Wirtschaftsprüfer: Abschlussprüfer sollen künftig auch bei Kapitalmarktunternehmen alle zehn Jahre wechseln, damit sie nicht betriebsblind werden. Sie sollen ein Unternehmen auch nicht mehr zugleich prüfen und beraten dürfen. Außerdem werden die Prüfer stärker in Haftung genommen: Die Haftungshöchstgrenzen bei… Mehr