Noch ist nichts vom Eise befreit – auch nicht die CDU von ihrer inneren Zerrissenheit zwischen Prinzip und Pöstchen. Carsten Linnemann mag ein Frühlingsbote sein – aber ob seine Standhaftigkeit den Dauerfrost parteipolitischer Anpassung wirklich zu tauen vermag, bleibt offen.

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Tale grünet Hoffnungs-Glück …“
I.
So fängt es immer an. Und wenn es mit der neuen Regierung nicht so anfängt, dann bleibt doch immer noch ein Rest von Hoffnung, die wir uns von notorisch missgelaunten Kommentatoren und Dystopikern nicht nehmen lassen wollen. Ostern ist das Fest der Hoffnung – auf Wiederauferstehung freiheitlich-bürgerlicher Politik, ans Kreuz des woken Zeitgeists geschlagen. Hoffnungs-Glück? Der aufgeklärte Konservative macht sich keine Illusionen um die conditio humana. Der Mensch ist ein konformistisches, feiges Herdentier, das seine Seele verkauft, wenn er glaubt, dass dabei etwas für ihn herausspringt. Warum sollte Friedrich Merz eine Ausnahme sein? Skepsis und Kritik sind immer angebracht.Trotzdem sollten wir nicht alles in den Boden rammen, was noch gar nicht geschehen ist. Ein Koalitionsvertrag ist noch keine Bilanz. In diesem Sinne ist Carsten Linnemann ein klassischer Frühlingsbote. Er vermittelt Hoffnung.
II.
Ich schrieb vor ein paar Wochen an dieser Stelle: „Merz ist ein postideologischer Hallodri, der – gäbe es so etwas – den Chefideologen seiner Partei in die Verzweiflung treiben müsste. Ist Linnemann jetzt eigentlich suizidgefährdet?“ Ziemlich gut getroffen. An politischen Selbstmord reicht das durchaus heran, was er jetzt tut. Sieht „keinen Sinn“ darin, in dieser Koalition ein Amt auszuführen, das ihm keine Gestaltungsmacht lässt. Linnemann erinnert an einen Generalsekretär der CDU namens Heiner Geißler, der mit Helmut Kohl durch Dick und Dünn gegangen war, aber dann auch einmal ein Ministeramt ausschlug. Er verstand sich nicht als Sekretär des Kanzlers (und Parteivorsitzenden), nicht als dessen Erfüllungsgehilfe, sondern als Diskurs-Motor und Programmchef seiner Partei – die er nicht zu einem Kanzlerwahlverein verkommen lassen wollte.
Auch Linnemann hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass seine Partei weder verbonzt noch verkalkt. Als Wirtschaftsliberaler steht er natürlich weit rechts von Geißler, aber dessen Ratio teilt er. Kurzum: Er zeigt Charakter. Wenn es gut geht, wird er ein unbequemer Mahner des nachgiebigen Frühstücksdirektors im Kanzleramt, der die Republik im tiefen Tal weiter grünen und die Sozialdemokraten machen lässt. Linnemann riskiert viel. Er weiß, dass Kohl Geißler als Generalsekretär gefeuert hat im Sommer ’89. Kohl war damals so gut wie am Ende. Unversehens rettete ihn der Fall der Mauer. An den Mantel der „Geschichte“ geklammert, überstand er weitere acht Jahre im Amt. Das wird nicht noch einmal passieren. Fallen könnte allenfalls die Brandmauer – Merz nicht vor, sondern auf die Füße. Es sei denn, er risse sie selber ein. Wann feuert er Linnemann? Wenn der Generalsekretär seinen Job gut macht, wird er nicht lange warten müssen.
III.
Kein Zweifel: Die Restaurierung der programmatisch verwahrlosten Merkel-CDU hat mit Merz begonnen und nun mit Merz einen Rückschlag erlitten. Er ist falsch abgebogen. An dieser Kreuzung geht Linnemann nicht mehr mit. Seine Absage an einen Kabinettsposten offenbart Distanz gegenüber dem Kurs des künftigen Kanzlers. Er hat sich von Merz emanzipiert. Wenn Linnemann das überlebt, kann er Merz gefährlich werden. Ihm bei seinem Ausstieg in den Einstieg eine raffinierte Karriereplanung zu unterstellen, ist voreilig. Er geht ein hohes Risiko ein. Es ist gar nicht gesagt, dass die Partei bereit ist, den Kanzler zu erden und an die Hoffnungen seiner Wähler zu erinnern. Wenn Linnemann den Politikwechsel wirklich will, muss er dafür kämpfen, und darf nicht in den üblichen Kriterien von Posten und Ämtern denken. Das ist in der verkommenen classe politique eine bemerkenswerte, vorbildliche Ausnahme. Vom Eise befreit ist noch nichts, und ein Linnemann macht noch keinen Sommer. Aber er lässt hoffen.
IV.
Es sieht ganz so aus, als sei dieser Funktionär des politischen Betriebs, dieser vermeintliche Musterknabe des Systems, ziemlich klar im Kopf. Das ist es übrigens, was viele Politiker an ihm hassen. Er zeigt, dass es anders ginge. Er demonstriert das, was in diesem Betrieb am wenigsten zu finden ist: Eigensinn. Individualismus geht vor Gefolgschaft. Oder um die letzte Zeile des Osterspaziergangs zu paraphrasieren:
„ Hier bin ich Mensch, hier soll ich’s sein.“
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Linnemann Entscheidung bleibt undurchsichtig und hat für meine Begriffe nichts mit Eigensinn oder dgl. zu tun. Merz hat Linnemann mehrfach vor den Kopf gestoßen und dieses Verhältnis dürfte nachhaltig zerrüttet sein, ohne daß ein Mann mit Linnemanns Intelligenz dieses nun groß hinausposaunt. Ich habe den Eindruck, daß sich in der CDU eine Gegen-Merz-Fraktion kristallisiert, weil ein paar „Übriggebliebene“ eines gesunden bürgerlichen Menschenverstandes ziemlich klar sehen dürften, daß mit Merz der Karren gegen die Wand fährt.
Leider hat Herrn Herles keine Belege für seine Aussage geliefert, daß „mit Merz die Restaurierung der programmatisch verwahrlosten Merkel-CDU begonnen hat“. Oder gibt es möglicherweise keine Belege und Herr Herles ist nur auf die Selbstinszenierung von Merz hereingefallen? Aber nun hat er in Carsten Linnemann einen neuen Messias gefunden, der die vermerkelte CDU wieder auf rechte Spur führen wird. Möglicherweise ist Herr Herles diesmal einer Selbsttäuschung erlegen.
Er hat sie früher gelesen…im Alter ist die Resilienz herabgesetz, Selbsschutz! Dann doch lieber mal in Himmlers Mediathek reinschauen.
Oh, ein Idealist unter Karrieristen? Bin sehr gespannt.
Ja, der Testosteron Mangel, zeigt Breitenwirkung. Mutti braucht keine Männer, Luschen gehen immer.
Das ist ein Pfund!
Muttis Gernegroß, immer am Ball der persönlichen Begierden. Nur er scheut das Offizielle, das liegt ihm partou nicht. Subversive, monetäre Demokratur, das wär was. Da mache ma mit!
Linnemann hat sich damit als klarer Kopf erwiesen.
Bevor er seine Reputation an einen offensichtlich genauso egomanischen wie verkommenen Deutschland-zerstörenden „Charakter“ wie Merzel kettet, hält er sich tunlichst raus und empfiehlt sich als konservativen Hoffnungsträger für die nächste Wahl und vermeidet jedwede Kontaktschuld mit dem ergrünten Sauerland-Hasardeur.
Damit muß er sicher nicht bis 2029 auf seine Chance warten, denn der kommende Kanzler wird nicht mal zwei Jahre geduldet werden.
Herr Herles, von den „notorisch missgelaunten Kommentatoren“ lebt TE doch ganz formidabel, sollte man meinen.
F. Merz sollte schon allein deshalb vom „konformistischen, feigen Herdentier, das seine Seele verkauft“ eine Ausnahme sein, weil er ein ganzes Land regieren will !
Linnemann Eigensinn, Individualismus? Loben Sie mal besser nicht den Morgen vor dem Abend.
Was mit dem Begriff Parteisekretär so geschwollen klingt ist im Prinzip nicht anderes als der Zuträger und Verwalter und Diener für den Vorsitzenden und hat keinerlei politische Entscheidungsbefugnis und ist für Generalisten im Prinzip eine Luftnummer, denn die wirklichen Entscheidungen treffen andere und wer damit zufrieden ist, dem sei es gegönnt, andere würden sich dafür nicht hergeben und gleich nach dem Vorsitz oder der Kanzlerschaft greifen, weil es ein lästiges Beiwerk für die wahren Entscheidungsträger ist. Damit entlastet man sich an höchster Stelle um noch mehr Unsinn zu produzieren, was das eigentliche Problem im Lande ist und das geht schon… Mehr
Der deutsche Rentner, der bei 48,1% vom Netto haust, wundert sich. Die Krankenschwester, die keine bezahlbare Wohnung mehr findet, wundert sich. Der Bäckermeister, der die Stromrechnung nicht mehr aufbekommt fragt sich: „Für wen genau retten wir hier eigentlich was ?“ Wie kann ein Staat, der seine eigenen Dissidenten bombardiert hat, in dem Milliarden an Dollar und Euro in dunklen Kanälen der Korruption versickern, zum moralischen Leuchturm Europas erklärt werden mit irgendwelchem diffusen Wertegeschwafel? Bezahlt wird alles vom deutschen Steuer- und Beitragsknecht und verkauft von den MittelStrahlMedien als „Verteidigung unserer Freiheit am Dnjepr.“ Ein Volk, das sich nicht selbst verteidigt, wird… Mehr