Nur drastisch weniger Politik wäre bessere Politik

Es war schon bei der Beurteilung der Corona-Politik so, dass es eine Diskussion in der Sache zwischen Anhängern der Regierungspolitik und ihren Kritikern bis Gegnern nicht gab. Seitdem die gesetzliche Impfpflicht im Raum steht, ist der Umgang mit Corona vollends zur Glaubensfrage im wortwörtlichen Sinne degeneriert.

Wer es noch nicht wusste, kann es hier beispielhaft studieren. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck weicht von der vorherrschenden Corona-Sicht so gemäßigt ab, dass er im Expertenrat der Ampel-Regierung mitwirken darf. Aber schon seine Ausführungen bei Markus Lanz, dass sich Kinder weniger häufig mit Corona infizieren als Erwachsene, reichten aus, um auf Twitter unflätige Beschimpfungen über ihn hereinbrechen zu lassen.

Jeder könnte wesentlich schlimmere Beispiele nennen, die zeigen, eine auch nur einigermaßen sachliche Diskussion über den Umgang mit Corona ist öffentlich und oft auch privat nicht möglich. Die Verantwortung dafür tragen jene Politiker, Experten und Journalisten, die jede andere als die von ihnen vertretene Herrschaftsmeinung mit einem Bannfluch belegen wie weiland der Papst Abweichler vom wahren Glauben als Ketzer.

Es war schon bei der Beurteilung der Corona-Politik im eigenen Land und anderswo so, dass eine Diskussion in der Sache zwischen Anhängern der Regierungspolitik (und loyaler Opposition) und ihren Kritikern bis Gegnern nicht stattfand. Doch seitdem die gesetzliche Impfpflicht als Zwang mit Strafandrohung im Raum steht, ist der Umgang mit Corona vollends zur Glaubensfrage im wortwörtlichen Sinne degeneriert.

In diesen Tagen zeichnet sich nach meiner Wahrnehmung eine Entwicklung ab, die völlig irrational wird. Die Herrschenden in Deutschland und Österreich bleiben einerseits bei der „Impf“-Strategie als zentraler „Waffe“ ihrer Corona-Politik. Die österreichische Regierung treibt ihre diesbezügliche Propaganda gar auf die absolut lächerliche Spitze, ihren Bundesheer-General (Logistiker) im „Pandemiekrisenstab GECKO“ im Kampfanzug auftreten und Kampfansagen verbreiten zu lassen.

Screenprint ORF

Einerseits bleiben die Herrschenden also bei ihrem Instrument Nr. 1, der bisher dreifachen, bald schon vierfachen Verabreichung von mRNA- oder Vektor-Stoffen. Andererseits schrumpfen Zeitraum und Grad, in dem diese Stoffe vor Ansteckung schützen und/oder schwere Verläufe mildern sollen. Schon gibt es Überlegungen und Forderungen, dass auch „Geboosterte“ sich allgemein oder in bestimmten Feldern testen lassen sollen, weil auch sie sich und andere anstecken können.

Zähle ich eins und eins zusammen, ist der Zeitpunkt erreicht, wo sich für eine staatliche Corona-Politik nur noch eine Testpflicht für alle als einzige logische Maßnahme begründen lässt. Für die Verabreichung der mRNA-, Vektor- und Proteinstoffe, die zugelassen sind, aber auch für diejenigen anderen Proteinstoffe und „Totimpfstoffe“, die noch kommen werden, gilt dann allein das Argument des milderen Verlaufs einer Corona-Erkrankung. Sobald sich auch dieses Versprechen in ähnlicher Weise relativiert wie bisher alle „Impf“-Versprechen, werden die Herrschenden in vielen Ländern der Welt – auch wenn sie es nicht zugeben – vor den Scherben ihrer Panik-getriebenen Coronapolitiken stehen mit erschreckenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und menschlichen „Kollateralschäden“.

Der eingangs genannte Virologe Streeck spricht sich dieser Tage gegen eine Impfpflicht mit folgender Begründung aus: Eine solche wäre nur dann sinnvoll, wenn man dadurch ein Virus ausrotten könne. Das sei bei Corona jedoch nicht möglich. Ich darf anfügen: Nur beim Pocken-Virus scheint das gelungen zu sein.

Italien präsentiert sich gerade als Paradefall für Streeck. Rom hat Impfzwang angeordnet, wer nicht gehorcht, kommt nicht an seinen Arbeitsplatz, ist suspendiert. In Italien sind fast 90 Prozent aller über 12 Jahren „geimpft“, trotzdem bringt Omikron die Zahl der positiv Getesteten – wie überall Inzidenz genannt – wie überall auf Höchststände. Die Experten sagen ebenfalls überall, Omikron ist durch nichts aufzuhalten (und verläuft milder). Aber gleichzeitig bleiben die Herrschenden bei ihrem Dogma, nur „Impfen“ hilft. Glaube und Vernunft kommen eben selten zueinander.

Dass Schweden einen anderen Weg geht als Deutschland, Österreich, Italien und andere, hat keine politisch-ideologischen Gründe, da die dort Regierenden in praktisch allen Feldern keine andere Politik machen als sonst in Westeuropa. Der einzige Unterschied ist, dass die Politik sich in Schweden aus dem Umgang mit Corona weitestgehend raushält und das Medizinern überlässt. Das gilt auch für viele Bundesstaaten der USA. Und deshalb wird über diese Länder in Europa nicht berichtet. So viel aber immerhin dringt ab und zu durch: Die Corona-Todesraten dort unterscheiden sich kaum von denen in den Ländern mit massiven politischen Corona-Maßnahmen rund um einen Lockdown nach dem anderen.

Dass, wie Ferdinand Knauß meint, die Herrschenden in Deutschland nun von dem Vorhaben der Impfpflicht leise abrücken, glaube ich erst, wenn das amtlich ist. Wenn es so kommt, hätte die Kraft des Faktischen die Herrschenden vor ihrem in den Sackbahnhof rasenden Panikzug gerade noch vor dem Gleisende oder kurz danach gerettet. Aus eigener Kraft schaffen sie es nicht.

Die Lehre weit über Corona hinaus: Nur drastisch weniger Politik weist den Weg in bessere Politik. Jenseits des Parteienstaats, versteht sich.

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