Die richtige Rettungsstrategie für Griechenland

Tsipras stürzt Griechenland ins Chaos. Fünf Jahre Rettungspolitik von EZB, IWF und EU-Kommission haben kontraproduktiv gewirkt. Da Griechenland so oder so, Grexit oder nicht, auf Hilfe angewiesen ist, muss endlich die richtige Strategie, ein solides Aufbaukonzept her.

Die Eklat-Technik der amtierenden Regierung Tsipras/Varoufakis zeigt das totale Unvermögen der griechischen Regierung. Aber das riesige, populistische und in der Sache ganz nebensächliche Spektakel der Links-Rechts-Regierung ist nur das kleine Theater oben drauf und darf auf keinen Fall von den tiefer liegenden immanenten Verwerfungen des Systems ablenken, die das Land in den Ruin getrieben haben.

Man muss Varoufakis und Tsipras dankbar sein, dass sie durch ihre unkultivierten Kindereien und ihr „Tanz den Varoufakis, Tanz den Alexis Tsipras“- Getöse die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Rettungstechnik unübersehbar machen.

Die Methode, das Handwerk, vermittels derer die Troika Griechenland sanieren wollte und Hilfe zur Selbsthilfe gewährte, hat versagt. Und alles spricht dafür, dass sie auch weiterhin versagen wird. Das Ziel, das die griechische Wirtschaft Schritt für Schritt wieder weltmarkttauglich wird, ist mit immer mehr Geld, das aus dem Himmel abregnet, offenkundig nicht zu erreichen.

Griechenland hat seit dem Beitritt des Landes zur EU, 1981, und erst recht seit seinem Beitritt zum Euro-Vertrag und dessen Einführung 2002 weit über seine Verhältnisse gelebt. Griechenland konnte sich in dieser Zeit über Liquiditätszuflüsse, zunächst aus EU-Förderungsprogrammen und dann in Gestalt relativ gesehen grenzenloser Kreditaufnahmen nicht beklagen.

Der Bundesfinanzminister bemängelte kürzlich das notorische Versagen der griechischen Eliten, das allerdings noch viel älter ist, als Schäuble es wahrgenommen haben will. Tatsache ist, dass die Marschallhilfe, die Griechenland nach dem zweiten Weltkrieg bekommen hat und die für Griechenland pro Kopf damals besonders üppig ausfiel, in keinem europäischen Land so spurlos verschwunden ist wie am Peleponnes.

Auch in den vergangenen fünf Jahren seit Ausbruch der Griechenlandkrise hat das Land weiter auf vielfältige Art und Weise unverdiente Liquidität von außen dazu bekommen. Darüber hinaus wurden Griechenland Schulden erlassen und günstige Stundungen gewährt. Fehlendes Geld ist offenkundig nicht das Problem des Landes, so wie immer weitere und steigende Geldzuflüsse auch nicht per se die Lösung der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands sind.

Statt dem Staat und den griechischen Banken von Oben immer mehr neues Geld zuzuschieben, gegen immer neue Versprechungen immer neuer und umfangreicherer Reformen, und darauf zu hoffen, dass der Staat und die Banken das von außen empfangene Geld schon richtig in die Amigo-oder Philos-Kanäle und über die Erbhöfe, derer es viele in Griechenland gibt, verteilen werde und dass die Menschen, bei denen ein paar Tropfen vom warmen Regen ankommen, das Geld sinnvoll ausgeben würden, mit dem Nebeneffekt einer Konjunkturanregung, muss eine Schubumkehr des Geldflusses her.

Griechenland von seiner selbstverständlich gewordenen Rolle als Alimentenempfänger befreien, das ist der erste Schritt einer qualitativ neuen Aufbaupolitik für Griechenland.

Mein Vorschlag:

1. Der griechische Staat wird sofort auf Diät gesetzt. Die griechische Regierung bekommt kein Geld mehr von der Troika, die der Einfachheit halber wieder so genannt wird. Die griechische Regierung muss mit ihren Steuereinnahmen, die sie in Griechenland beitreibt, auskommen.

2. Auch die griechischen Banken werden auf Diät gesetzt. Sie müssen sich auf ihr höchst eigenes operatives Geschäft kümmern und sich aus den banküblichen Gewinnen selber tragen.

3. Griechenland und auch den griechischen Banken werden, falls krasse Entzugserscheinungen auftreten auf sehr kurze Dauer strikt zweckgebunden in geringst möglichem Umfang Übergangshilfen gewährt, um reine Liquiditätsengpässe, hinter denen in Wahrheit Misswirtschaft, reine Reformunwilligkeit oder Reformunfähigkeit stehen, auszugleichen.

4. Die griechischen Schulden, die nicht entstanden sind, weil böse Finanzmärkte oder böse Kapitalisten Griechenland einfach eine Rechnung geschrieben haben, sondern weil Griechenland auf Pump über seine Verhältnisse gelebt hat, werden zu 50 % erlassen. Geschenkt. Die restlichen 50% werden umgeschuldet auf ein neues Darlehen, an dem sich alle Gläubiger entsprechend ihrem Verhältnis beteiligen. Das Darlehen ist mit zum Beispiel 2,5 % und einer festen Tilgungsrate von 4% fest zu verzinsen. Und daraus errechnet sich die Laufzeit.

5. Das faktische Verhalten der Euro-Länder und der EZB hat sich von den Vertragsbestimmungen und von den nationalen Rechtsordnungen so weit entfernt, dass dieser Tatsache offen und ehrlich im Sinne eines soliden Neustarts allseits Rechnung getragen werden muss. Das systematische Umlabeln der Realität, das alle Troika-Mitglieder emsig betreiben, zu dem einzigen Zweck sich selbst und dem Rest der Welt wenigstens in einer rein formalistischen Weise noch vorzutäuschen, dass das Recht eingehalten würde, muss sofort beendet werden.

6. Die Geldschöpfung der EZB durch Anleihekauf in Billionenhöhe aus dem Nichts, die der EuGH jüngst sanktioniert hat, für die allerdings die Gesellschafter der EZB haften, muss drastisch reduziert werden.

7. Die Tatsache muss anerkannt werden, dass es unterschiedliche Niveaus und Geschwindigkeiten innerhalb der „Schulklasse“ der Eurostaaten gibt. Deswegen muss auch anerkannt werden, dass die Haftung der starken Euroländer für den Euro im Zweifel faktische 100% beträgt. Auf dem Euro-Vertragspapier steht, dass beispielsweise die Bundesrepublik mit 27 % am EZB-Kapital beteiligt ist. Wenn aber Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Irland oder gar Frankreich oder andere im Krisenfall ihren Haftungsanteil gar nicht auf den Tisch legen können, dann stehen die starken Euroländer vor der Frage, ob sie allein mit ihrem Geld retten, was zu retten ist. Das ist kein auf die Dauer zu vermittelnder Zustand, aber die Realität muss klar auf den Tisch und benannt werden. Es war ein Fehler, der sich rächt, den Euro allzu unterschiedlich entwickelten und funktionierenden Volkswirtschaften überzustülpen – und das auch noch mit dem verquasten politischen Ziel aus dem sich bis dahin phantastisch entwickelt habenden Europa irgendeinen imaginären Einheitsstaat zusammenpressen zu wollen. Auch dieser naive und kontraproduktive Ansatz, der dem Euro zugrunde liegt, muss klar benannt werden.

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