Nicht nur in Deutschland ist ein immer totalitäreres Vorgehen gegen Meinungsäußerungen von Bürgern zu verzeichnen. Es geht, das wird auch an der britischen Entwicklung deutlich, dabei nur selten und sicher nicht systematisch um Strafbares, sondern vor allem um missliebige Meinungen. Man fragt sich, an welchem Punkt Behörden in dieser Weise auf Autopilot geschaltet haben, dass sie nicht einmal mehr bemerken, in welche Autokratie sie damit abdriften.

Es war ein freies Land, und man kann das noch an der Reaktion der Bürger auf eine Festnahme ablesen. Ein Mann wird um vier Uhr in der Nacht abgeführt, er hat ein Nierenleiden und braucht deshalb Medikamente. Was daran massiv stört, ist, dass er kein Verbrechen begangen hat. Der Mann hat lediglich online sein Unverständnis über die Allgegenwart der Palästina-Flaggen im öffentlichen Raum geäußert.
Eine solche Online-Aussage gilt auf der Insel heute als „non-crime hate incident“, als Hass-Vorfall unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Vielleicht ist sie auch schon richtiggehend kriminalisiert. Die beiden betroffenen Bürger sind sich einig, dass solche Aktionen des britischen Staats „ekelerregend“ sind und nichts mehr mit der Redefreiheit zu tun haben, auf der sie auch gegenüber der Polizei standhaft beharren.
Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen ein Brite nicht versteht, warum ihn die Polizei festnimmt oder ihm einen Hausbesuch abstattet. Eine Autorin der Tages- und Sonntagszeitung Telegraph, Allison Pearson, bekam ausgerechnet am Remembrance Sunday (dieses Jahr der 10. November) Besuch von der Polizei wegen eines ein Jahr alten Tweets auf X. Bei Pearson ging es definitiv um ein „non-crime hate incident“. Was solche Vorfälle mit der Polizei zu tun haben, mag ein anderes Universum klären. In diesem ergibt das keinen Sinn.
In der Polizeisprache war die Rede von Material, das angeblich „geeignet oder dafür gedacht ist, Rassenhass hervorzurufen“. Dass es sich hier um äußerst dehnbare Begriffe handelt, steht außer Frage. Aber um welchen Tweet genau es ging, wurde ihr am Remembrance Sunday nicht erklärt. Vermutlich ging es aber um einen Kommentar zum Terrorangriff vom 7. Oktober oder den folgenden pro-palästinensischen Demonstrationen in Londons, worüber die Pearson damals viel tweetete.
Nicht einmal den Anzeigeerstatter oder Kläger wollte man Pearson nicht enthüllen. Der Polizeibeamte brachte immerhin die Korrektur an, dass diese Person nicht Kläger genannt wird, sondern „Opfer“. Das macht nochmals deutlich: Es geht nicht um Verbrechen. Kein Bürger (oder Untertan) muss sich eine solche Prozedur gefallen lassen. Pearson nannte den Auftritt der Beamten am nationalen Feiertag „surreal“ und „kafkaesk“.
— Allison Pearson (@AllisonPearson) November 16, 2024
„Meinungsverfolgung“ wächst, Aufklärungsquoten sinken
Auch ihre Kollegin Julie Bindel, eine feministische und trans-kritische Journalistin, bekam einmal an einem Sonntag Besuch von der Polizei, nachdem ein „Transgender-Mann“ aus den Niederlanden einen ihrer Tweets gemeldet hatte. Die Polizei sprach gegenüber Bindel von einem „Hassverbrechen“, was zwei Schummeleien in einem Wort unterbringt. Denn weder könnten die Beamten wohl definieren, worin in diesen Fällen „Hass“ besteht oder nicht, noch handelt es sich, wie schon gesagt, um Verbrechen.
Die Autorin wurde denn auch auf rein freiwilliger Basis darum gebeten, mit auf die Polizeiwache zu kommen, um eine Aussage zu machen. Bindel ging nicht mit, in solchen Situationen braucht man eine grundständige Logik. Sie spricht von der „Orwellschen Lage der Dinge“ in ihrem Land. Aber immerhin rief die Weigerung Bindels eine Art von Erstaunen und Hilflosigkeit bei den Polizeibeamten hervor. Auch Bindel wollte nur zu gern wissen, was sie genau Strafbares getan hatte, das eine Polizeiintervention dieser Art rechtfertigen könnte.
Die Betrauung der Polizei mit solchen Aufgaben ist dabei schon der Anfang der Verfehlung. Derweil wird nur die extreme Minderheit der echten Verbrechen von der britischen Polizei aufgeklärt. Aktuell liegen die Aufklärungsraten in Essex bei Werten wie 6,3 Prozent (bei Einbrüchen) und 9,6 Prozent (bei Sexualstraftaten). Auf diese Kluft machte der Vorsitzende der Free Speech Union, Toby Young, aufmerksam.
Der „Mann auf der Straße“ wird abgeführt
Die Verfahren rund um „non-crime hate incidents“ wurden verändert, nachdem der ehemalige Polizeibeamte Harry Miller einen Prozess gewonnen hatte, in dem es um seine Kommentare zur Gendertheorie ging, die als „gender-kritisch“ und „non-crime hate incident“ eingestuft wurden. Miller bekam Recht, und einige Bestimmungen wurden gestrichen. Die neue Innenministerin Yvette Cooper scheint daran zu denken, diese Änderungen wieder rückgängig zu machen. Cooper will die Feststellung von „nicht strafbaren Hassvorfällen“ durch die Polizei stärken.
Festzustellen ist zudem etwas anderes: Die britischen Journalisten und Autoren verteidigen ein Gut, auf das auch einfache Briten – der sprichwörtliche „man in the street“ – Wert legen. Eine Pflegerin aus den West Midlands wurde festgenommen, weil sie im vergangenen August ein Video von einigen Männer auf TikTok veröffentlicht hatte. Die teils maskierten Männer machten darin Kommentare, die teils als rassistische bewertet wurden. Warum die Pflegefachkraft deshalb ins Gefängnis musste, bleibt nur solange unklar, wie man von individueller Verantwortung für eigene Taten als zentrales Kriterium für Strafbarkeit ausgeht.
In Großbritannien geht es aber längst um etwas anderes, das vergleichbar ist mit dem Schlagwort der „öffentlichen Gesundheit“. Die Kommentare anderer, die die 23-jährige Cameron Bell auf TikTok teilte waren geeignet dazu, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu schmälern. Vielleicht waren sie ja sogar gewagt und verletzten die Grenzen des Anstands. Daher hatten sie zu unterbleiben. Gemäß dieser Logik könnte aber auch das Weitererzählen süffiger Anekdoten aus dem Bekanntenkreis bald in den Bereich der Pseudo-Kriminalität hineinrutschen. Das Orwellsche Element macht sich damit definitiv bemerkbar.
Die britische Polizei als „Freund und Helfer“ scheint Geschichte
In Amerika ist man derweil froh darüber, einen Präsidenten gewählt zu haben, der sich für die Redefreiheit als amerikanischen Wert per se einsetzen will. In Deutschland wuchert das System der Meldestellen. Auch für Grüne in Deutschland ist „Hassrede“ durch das Strafgesetzbuch „klar definiert und illegal“. Vertreter der FDP machen dabei mit, wie TE-Recherchen zeigen, verurteilen aber die zurückgehende Meinungsfreiheit in der Türkei durch ein Spionagegesetz, das „kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft“ unterdrücken könnte. Im Inland spielen die „Liberalen“ jedoch aktiv mit beim Ampel-Blockflötenkonzert.
Es geht, das wird auch an der britischen Entwicklung deutlich, dabei nur selten und sicher nicht systematisch um Strafbares, sondern um missliebige Meinungen, die dort sogar von der Polizei verfolgt werden, ohne dass die Beamten – anscheinend – genau wissen, was sie tun. Man fragt sich, an welchem Punkt, die britischen Behörden in dieser Weise auf Autopilot geschaltet haben, dass sie nicht einmal mehr bemerken, in welche Autokratie des Opferstatus sie durch das Buckeln vor angeblich verfolgten Minderheiten sie abdriften.
Auch so kann eine Institution der Bürgerschaft ihre Rolle als „Freund und Helfer“ verlieren und sich und alle anderen staatlichen Behörden, denen sie angeblich dient, gründlich desavouieren. Und richtig ist natürlich der Hinweis, dass all dies nicht über Nacht über Britannien hereinbrach, sondern sich über Jahrzehnte vorbereitet hat. Alles begann wohl mit den ersten „freundlichen“ Bestimmungen gegen Diskriminierung und Hass, die schon in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in britische Gesetze eingingen, ohne dass man sich damals oder seitdem Gedanken über ihren tieferen Sinn gemacht hätte. Das Ergebnis dieser „Schlafkur“ für Frösche im allmählich sich erhitzenden Badewasser können die Briten heute begutachten und teils am eigenen Leib erleben.
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Sie zerstören die Meinungsfreiheit via Twitter, facebook etc. zwar nicht direkt so per Gesetz im Wortlaut sondern als Umgehungstatbestände mit Verfolgung unterhalb der Strafbarkeitsgrenze und der freihändigen tagesaktuellen Definition, was Hass und Hetze sei.
Bei den Russen durfte der Krieg nicht Krieg genannt werden bis er doch Krieg genannt wurde, Aber es ist eine „Militäroperation“.
Interessant auch, wie die westlichen Länder orchestriert die Meinungsfreiheit zerstören, auch gerne via EU und wie selbst die ausgetretenen Briten den Lauf aller Dinge beschreiten. Es ist alles so arm.
„Typisch für ein gegen das eigene Volk gerichtetes System ist es, Kriminelle zu schonen, aber politische Gegner wie Kriminelle zu behandeln“, A. I. Solschenizyn.
Es scheint, als hätten die Briten vergessen, daß sie seit 1679 durch das Habeas-Corpus-Gesetz davor geschützt sind, einfach von der Polizei zuhause abgeholt zu werden. Genau vor solchen willkürlichen Auftritten der Obrigkeit sollen die Bürger bewahrt werden. Schöne Grüße aus dem 17. Jahrhundert.
Daß es in GB, für mich einem ehemaligen Hort der Freiheit und freien Meinungaäußerung soweit kommen könnte, hätte ich mir nicht vorstellen können.
Heute muß ich sagen, die Briten sind schon einen Schritt weiter als wir.
„Man fragt sich, an welchem Punkt Behörden in dieser Weise auf Autopilot geschaltet haben, dass sie nicht einmal mehr bemerken, in welche Autokratie sie damit abdriften.“
Meiner Meinung nach wissen die ganz genau, was sie tun.
Der annähernd gleichgeschaltete Angriff auf die Meinungsfreiheit in der westlichen „Werte“-Gemeinschaft ist m.E. direkt auf das Davos-Treffen im Frühjahr dieses Jahres zurückzuführen, wo explizit „Desinformation“ zur größten gegenwärtigen Gefahr erklärt wurde.
Und „Desinformation“ meint m.E. letztlich nichts anderes als dem linksgrünen Establishment verhasste Meinungen zu den Kernthemen Migration, Klima-Narrativ und Ukraine-Krieg, z.T. auch noch oder wieder Corona.
Die Definition als „non crime“ und ein Polizeieinsatz sind ein Widerspruch in sich. Wenn es sich nicht um ein Verbrechen handelt, ist es auch kein Fall für die Polizei. Und Polizeibesuche mitten in der Nacht gehören zum Standardrepertoire jeder Diktatur. Das, was mittlerweile in den sog. „progressiven“ Gesellschaften Westeuropas praktiziert wird, unterscheidet sich allenfalls noch graduell vom Vorgehen „anerkannter Diktaturen“. Ausgerechnet diejenigen, die sich lautstark als Verfechter der Menschenrechte anpreisen, schaffen eine Atmosphäre der Einschüchterung und staatlicher Willkür. Ausgerechnet das Kernland europäischer Demokratie, GB, ist hierbei führend. Bezeichnend auch, daß die lange Herrschaft der Tories diesen von den Linkswoken geschaffene… Mehr
Egal wo Linke auf der Welt schalten und walten, sie dulden keine Gegenrede, keine Kritik an ihnen, dann werden sie hysterisch und schalten mit allen Mitteln solche Kritiker aus! Die DDR und andere kommunistische Diktaturen lassen grüßen. Es steht die Vermutung im Raum, britische Verhältnisse werden wir auch hier bald erleben, dafür wird auch ein Merz sorgen!
Aus eingestandermaßen oberflächlicher Sicht stellt sich die Frage, warum die Tory-Regierungen seit 2010, immerhin 14 Jahre bis zum Wechsel dieses Jahr, die Rechtslage und Verwaltungspraxis nicht geändert haben. Ausser dem Brexit, der mit knapper Abstimmungsmehrheit von 52%, bei einer Abstimmungsbeteiligung von 72%, also tatsächlich nicht von einer Mehrheit der Wahlberechtigten, beschlossen und mit viel Chaos durchgezogen wurde, und noch wird, hatten die wohl nicht viel am Kasten. Vielleicht sollte man trotzdem die Frage beleuchten, was den Bürgern im UK mehr bereits geschadet hat, und noch viele Jahre schaden wird : der Brexit oder die “ Wokeness „. Dazu natürlich die… Mehr
In Deutschland hat das sehr genau mit Mutti Erika angefangen. Sie ist ja so erzogen worden, dass es nur eine einzige Meinung gibt, die richtig ist. Alternativlos ist genau das richtige Stichwort. Genau da hat die Verfolgung und Abschaltung der Meinungsfreiheit begonnen. Ganz offensichtlich wurde es 2015, als es richtigen Gestapo Charakter bekommen hat. Es wurde noch schlimmer, als die Masken zwangsweise eingeführt werden sollten und das Grundgesetz mit Füßen getreten wurde. Leider haben die meisten mitgemacht, jetzt ist das Kind im Brunnen fast weltweit.