Blutiger Terror im Herzen von Tel Aviv – Palästinenserführer jubeln und verharmlosen

In Tel Aviv kam es am Donnerstag zu einer blutigen Attacke: Drei junge Männer starben. Die israelische Regierung reagiert auf die anhaltende Welle bis dato sehr zurückhaltend – während Hamas & Co. jubeln. ARD-Anstalt nennt es "Kneipenschießerei".

IMAGO / Xinhua
Die anhaltende Terrorwelle in Israel hat das pulsierende Herz des Landes erreicht: Am Donnerstagabend, zum anlaufenden Wochenende, ermordete ein Palästinenser in der Disengoff-Straße im Zentrum Tel Avivs bei einer Bar zwei Männer Ende 20 und einer Mitte 30, weitere wurden verletzt, einige kämpften im Krankenhaus um ihr Leben.

Armee und Polizei, die mit mehr als 1.000 Personen im Einsatz gewesen sein sollen, gelang es zunächst nicht, den Täter ausfindig zu machen. In den großen TV-Sendern des Landes war die Suche nach dem Terroristen live zu verfolgen: Reporter rannten hinter Sicherheitskräften her und hielten ihre Kameras auf das Geschehen. Dies sorgte zum Teil für Kritik, weil die Sender damit die Einsatzkräfte und deren Vorgehen für den Feind offengelegt, aber auch pietätlos agiert hätten.

Am Morgen gelang es schließlich, den Täter ausfindig zu machen, der dabei ums Leben kam. Es handelt sich um einen Palästinenser Ende 20 aus dem nördlichen Westjordanland, nicht um einen arabischen Bürger Israels wie bei zwei der jüngsten Attentate.

Für Israel ist es der vierte schwere Anschlag im Kernland binnen weniger als drei Wochen (TE berichtete). Das Land zählt nun 14 Tote. Eine derart heftige Terrorwelle hat es seit vielen Jahren nicht mehr erlebt, nimmt man den terroristischen Raketenbeschuss aus Gaza aus. In der vergangenen Woche hat der islamische Fastenmonat Ramadan begonnen, der immer wieder Anlass für erhöhte Spannungen ist.

— כאן חדשות (@kann_news) April 7, 2022

Die israelische Regierung hielt auch nach den jüngsten Anschlägen an der Strategie fest, dem Terror und der Zunahme von Spannungen neben der harten Hand des Staates auch durch Konzessionen an die palästinensische Zivilbevölkerung Einhalt zu gebieten. So wurden zusätzliche Arbeitsgenehmigungen für Bewohner des Gazastreifens in Aussicht gestellt. Zudem erlaubt die Regierung vielen Palästinensern die Einreise nach Jerusalem auf den Tempelberg. Dort ist am heutigen Freitag für das erste Freitagsgebet im Ramadan mit zehntausenden Palästinensern zu rechnen.

Jubel bei Terrororganisationen

Unklar ist, welche Rolle genau die Terrororganisationen der Region bei der Eskalation spielen. Bei zwei Anschlägen hatte es überraschende Bezüge zum Islamischen Staat gegeben, der bislang in Israel eine untergeordnete Rolle spielte. Der Attentäter von Tel Aviv hat nach ersten Erkenntnissen keinen bereits bekannten „Sicherheitshintergrund“ und lässt sich nach Regierungsangaben keiner Terrororganisation zuordnen. Israelische Journalisten berichten, dass der Vater vor Jahren bei den palästinensischen Sicherheitskräften gedient haben soll.

Auffallend ist die Ruhe, die im Gebiet rund um Gaza herrscht. In den vergangenen Jahren waren es stets die Bewohner dort, die aufgrund ständigen Raketenbeschusses die Hauptlast des palästinensischen Terrors zu tragen und dabei bisweilen auch das Gefühl hatten, die Israelis im Zentrum das Landes würden ihre Lage nicht verstehen.

Seit Beginn der Terrorwelle im Landesinneren hat es jedoch keinen Raketenbeschuss gegeben. Zuletzt hatte es im israelischen Fernsehen geheißen, die Hamas habe den Islamischen Dschihad davon abgehalten, mit Raketen auf die Tötung dreier Mitglieder in einer israelischen Anti-Terror-Operation zu reagieren.

Verbal jedenfalls heizen die Organisationen die Terrorwelle jedoch weiter an: Die Hamas, die ganz Israel als besetzt ansieht und alle Israelis für „Soldaten“ oder „Siedler“ hält, sprach auf ihrer Hochglanzwebseite mit Blick auf Tel Aviv von einer „legitimen Reaktion auf die Verbrechen der Besatzung“. Der Islamische Dschihad jubelte über eine „heldenhafte Operation“. Der Vater des Attentäters wurde in israelischen Medien mit den Worten zitiert, mit Allahs Hilfe werde es „Freiheit und Unabhängigkeit“ für die Palästinenser geben.

Halbherzige Verurteilung

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde von der konkurrierenden Fatah-Partei, Mahmud Abbas, verurteilte den Terroranschlag am Freitagmorgen. Die offiizielle palästinensische Nachrichtenagentur „Wafa“ sprach allerdings erneut verharmlosend von einer „Schießoperation“. Abbas habe wiederholt, dass die Tötung „von palästinensischen und israelischen Zivilisten“ zu einer Verschlechterung der Lage führe. Anschließend ging Abbas auf „provokative Aktionen extremistischer Siedlergruppen“ ein, als wolle er den Anschlag doch indirekt rechtfertigen.

Eine uneingeschränkte Verurteilung des Terrors will sich Abbas nicht leisten: Umfragen zeigen, dass die Vorstellung von Gewalt als legitimem Mittel gegen Israel in der Breite der palästinensischen Bevölkerung verankert ist. Zudem wird auch in seiner eigenen, oftmals als gemäßigt dargestellten Fatah-Partei sowie im offiziellen palästinensischen Fernsehen Gewalt befürwortet, wie etwa die Organisation „Palestinian Media Watch“ immer wieder berichtet. Wie üblich gingen nach dem Anschlag in Tel Aviv zudem wieder Meldungen über Jubelfeiern und das Verteilen von Süßigkeiten in den Palästinensergebieten ein, wo die Verehrung von ausgeschalteten Terroristen als „Schuhada“ (Einzahl: Schahid, Märtyrer) gang und gäbe ist.

Die Israelis hoffen nun, dass die Terrorwelle endlich abebbt und sie das Pessach-Fest, das am kommenden Freitag beginnt, in Ruhe begehen können. Leider muss mit dem Gegenteil gerechnet werden. Premierminister Naftali Bennett schwört seine Landsleute auf einen „langen und schweren“ Krieg gegen den Terror ein: „Wir werden gewinnen.“

Der Bayrische Rundfunk, der das ARD-Studio in Tel Aviv betreibt, berichtete von einer „Kneipenschießerei“. Gerade so, als ob in Bayern so ziemlich jeden Tag in den Wirtshäusern zur Waffe gegriffen werden. Der Täter sei erschossen worden, so heißt es weiter. Man nennt es „Framing“: Aus „Terrorismus“ wird eine nebensächliche Schießerei, und das Mitleid ist beim Täter.

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