Österreich: Ohne FPÖ auf der Straße würden weit mehr demonstrieren

Kickl und seine Partei "schützen" – ohne dies selbstverständlich zu wollen, aber im Ergebnis – Grüne, Rote und Schwarze vor noch mehr Demonstranten, als bisher in Wien, Graz, Innsbruck und anderswo gegen die Impfpflicht auf die Straße gingen.

IMAGO / ITAR-TASS

Was mir viele meiner alten Freunde in den verschiedenen Teilen Österreichs aus ihrem Umfeld erzählen, fand ich heute im Morgenbriefing von Oliver Pink, des Ressortleiters Innenpolitik der Tageszeitung Die Presse in spezieller Form wieder:

»Die Nationalratsabgeordneten werden derzeit, über die Regierungsparteien hinaus, mit einer Flut an persönlich adressierten Briefen aus allen Landesteilen überschwemmt. Der Inhalt dieser seitenlangen Schreiben ist mehr oder weniger ident. Die Kurzversion: Impfen ist schlecht. Stimmen Sie der Impfpflicht nicht zu. Sonst werde ich mir das merken.«

Meine alten und neuen Gesprächspartner quer durch Österreich sind außer einer Freundin gegen jede Art von Impfpflicht, die Mehrzahl hat zwei, einige schon drei mRNA-Dosen hinter sich. Von ihnen haben sich nur drei dazu entschlossen, weil ihnen ihre Ärzte Schutz vor Ansteckung versprachen – für sich selbst und ihr Umfeld. Alle anderen sind „geimpft“, um an ihrer Arbeit und/oder am Leben teilnehmen zu dürfen.

Oliver Pink fügt dem obigen in seinem Briefing an:

»Das wird noch ein toxischer Mix werden. Aus Impf(pflicht)gegnern und Omikron. Omikron spielt argumentativ auch den Impf(pflicht)gegnern in die Hände: Die Impfung wirke eh nicht, jedenfalls nicht so toll wie angekündigt.«

Pink selbst meint wie die mehreren meiner Gesprächspartner, dass die versprochene Wirkung zwar »jedenfalls nicht so toll wie angekündigt« einträte, aber halt ein wenig schon, nach dem Motto: »Ein Antikörper ist besser als kein Antikörper«.

Auf die Wirkungsfragen der eingesetzten mRNA-Dosen will ich hier nicht eingehen, sondern auf die Frage, wie groß oder klein die Ablehnung, wie laut und leise der Widerstand gegen die Impfpflicht bei SARS-CoV-2 in Österreich ist. Nach Umfragen ist konstant rund ein Drittel der Bevölkerung gegen die Impfpflicht.

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In meinem Österreicher-Netz halten sich Wähler und Nichtwähler die Waage, aber übereinstimmend sagen alle: Würde die FPÖ auf den Demonstrationen in den größeren Städten nicht sichtbar auftreten, kämen doppelt so viele, um ihre Ablehnung der Impfpflicht – vorzugsweise ruhig und dezent – zum Ausdruck zu bringen. Anders ausgedrückt, Kickl und seine Partei „schützen“ – ohne dies natürlich zu wollen, aber im Ergebnis – Grüne, Rote und Schwarze vor noch mehr Demonstranten, als bisher in Wien, Graz, Innsbruck und anderswo gegen die Impfpflicht auf die Straße gingen.

Und da sind die nicht dabei, für die eine TE-Leserin aus Österreich repräsentativ für Viele schreibt: „Ich weiss nicht, wie es anderen in Österreich geht, aber ich bin seit Monaten in die innere Emigration abgewandert.“ Allein in meiner näheren Umgebung sind das die Meisten – das Gleiche erzählen mir meine Freunde und Gesprächspartner weiter weg zwischen Neusiedler See und Bodensee, Donau und Drau über ihre Kontakte.

Noch einmal Oliver Pink. Er erinnert an »die immer wieder als Vergleich herangezogene Spanische Grippe«, die in drei Wellen verlaufen sei, »die dritte schon deutlich abgeschwächt«, und lässt dann sein Morgenbriefing so enden:

»Wir haben mittlerweile eine noch stärkere vierte, bald sogar die fünfte, mutmaßlich noch heftiger. Trotz Impfung. Trotz Tests. So viel zum Thema: Die Politik ist schuld. Sie ist eher machtlos.«

Na ja, »schuld« und »machtlos« schließen sich nicht aus.

Wie so oft verhindert die Parteipolitisierung aller Themen – von Corona bis Klima, von Infrastrukturkrise bis Massenzuwanderung –, dass über sie sachorientiert diskutiert werden könnte, und jene handelten, die im Gegensatz zu Politikern kompetent sind. Die überfällige Kurskorrektur in Westeuropa kann von überall her kommen, nur nicht aus den Parteien.


Fußnote: Bitte sehen Sie die AfD nicht mit der FPÖ als gleich oder auch nur ähnlich an. Die AfD wurde von Enttäuschten aus CDU, FDP, SPD usw. gegründet. Die FPÖ gründet in ihrem Kern in einem eigenen Milieu seit Beginn der zweiten Republik.

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Kommentare ( 102 )

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Johheim
2 Jahre her

Da stimme ich ihne bei. Es ist jedoch eine gute Strategie, die Demonstranten als Neonazi, Faschisten, Staatsund Demokratieverweigerer rufschädigend hinzustellen. Dann mit dieser List, bekommt man alle ehemaligen Gruppen und Parteien, die sich zuvor für die Einhaltung von Menschenrechten eingesetzt haben, in das neoliberale Lager. Denn wer hätte jemasl geglaubt, dass sich die Grünen mit einer Partei ins Bett legen, die einen Dollfußfanatiger zum Innenminister macht. Wo ist der Aufschrei der israelischen Kukltusgemeinde, wo ist der moralische erhobene Zeigefinger des Bundespräsidenten, der Herrn Kickjl als Innenminister entlassen hatte, ohne dass der sich etwas zu schulden hat kommen lassen. Selbst die… Mehr

Monostatos
2 Jahre her

TE hat vor der Bundestagswahl Reklame für die FDP gemacht und sollte sich für diese erwartbar komplett falsche Empfehlung schämen. Jetzt macht TE – vielleicht in Anlehnung an Olaf Sundermeyer – Stimmung gegen die FPÖ. Alleine der Satz: „ Die FPÖ gründet in ihrem Kern in einem eigenen Milieu seit Beginn der zweiten Republik.“, spricht Bände. Abgesehen von der noch nicht im Nationalrat vertretenen MFG gibt es in Österreich keine wirkliche Oppositionspartei außer der FPÖ.

Schonclode
2 Jahre her

Regiert die Angst bzw die Feigheit bei Ihren Freunden nicht mit. Herr Goergen? Frei nach Valentin: Dürfen hätten sie schon können, aber wollen haben sie sich nicht getraut.

Nibelung
2 Jahre her

Das mag ja sein, daß sich viele nicht mit der FPÖ identifizieren wollen, das gleiche würde auch bei uns stattfinden, aber das tritt nur deshalb in den Vordergrund, weil deren Ruf schon so geschädigt wurde, daß man sich aus der Angst heraus mit einen nicht zeigen will, weil man persönliche Nachteile befürchtet und da soll noch mal jemand sagen wir hätten noch eine Demokratie, das ist hier wie dort schon ein Repressionsstaat und was alles noch kommen kann, weiß doch derzeit niemand . Das einzige was man erahnen kann sind die Zeichen des Sturms, denn das ungute Gefühl ist weit… Mehr

Johheim
2 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Ich hoffe und wünsche, dass sie Recht behalten.

Bunte Kuh
2 Jahre her

Wegen der FPÖ nicht zu einer Demonstration zur Wahrung seiner Interessen zu gehen? Ich glaube es handelt sich um das Stockholm-Syndrom.

Monika Medel
2 Jahre her

Meine „rote“ österreichische Verwandtschaft ist merkwürdig zahm geworden. Vor einigen Wochen noch voll fürs Impfen. An allem angeblich die FPÖ schuld welche die Leute aufwiegeln würde, nur darum die Gefahr. Jetzt eher Müdigkeit, „Arbeiten darf man, ausgehen nicht!“ Die vielen Demos behindern den Verkehr, „Die meisten sind friedlich, dürfen das ja auch, es gibt halt ein paar Extreme!“ Ich staune. Mein ältester Verwandter hat das Boostern auch nicht so gut vertragen wie mit unberechtigter Vorfreude vermutet. Die gemeinsame Weihnachtsfeier wird flachfallen. „Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen!“ Hoffen auf den Frühling: „Dann kommst Du auf Besuch, und wir… Mehr

bkkopp
2 Jahre her

Man sollte sich auf die Sachargumente gegen die Impfpflicht konzentrieren. Das Virus und seine unbekannten und unvorhersagbaren Variationsmöglichkeiten, die beschränkte Effektivität der Impfstoffe bezogen auf diese Variationsmöglichkeiten, die Unsicherheit betreffend die Notwendigkeit zu Auffrischungsimpfungen, wann und wie oft, und, die Erkenntnis, dass auch Geimpfte, wenn auch reduziert und ohne großes, eigenes Risiko, weiterhin an Infektionsketten und Erkrankungen beteiligt sind – all dies ist im Fluss und bietet keine solide Grundlage um auf demokratisch legitime Weise eine Impfpflicht zu verhängen. Es ist auch völlig unklar, wie eine Impfpflicht ohne Nötigung und Zwang rechtlich und praktisch umgesetzt werden sollte. Die Sachlage kann… Mehr

Chlorhahn
2 Jahre her

Nun ja, noch mehr Menschen würden vermutlich für die Impfpflicht demonstrieren.

Marco Mahlmann
2 Jahre her

Irgendeinen Vorwand findet man immer, mit dem Hintern im einstweilen noch warmen Zimmerchen zu bleiben. Es geht nicht um die FPÖ, sondern um die Feigheit.
Ein wenig geht es auch um Prioritätensetzung. Findet zeitgleich eine Demo gegen „rechts“ und eine andere für den Umweltschutz statt, gehen Grünen garantiert geschlossen zur Demo gegen „rechts“.

Franz O
2 Jahre her

Ist nur eine Rationalisierung für Untätigkeit. Wenn es die FPÖ nicht gäbe, dann würde man eine andere Ausrede finden um auf der Couch liegen zu bleiben und zu jammern. Angst vor Reichsbürgern oder Angst vor Skinheads oder Angst vor Antifa oder Angst vor Repressalien oder Angst vor der Polizei oder Angst keinen Parkplatz zu finden usw…