Erdoğan nutzt Europas Aufrüstung für seine eigenen Pläne – und fordert den EU-Beitritt

Die Türkei nutzt die europäische Aufrüstung als Vorwand für ihre eigenen Pläne. Erdoğan fordert EU-Hilfe – nicht für Europa, sondern für Ankaras militärische Ambitionen. Der Beitritt dient als Türöffner für seine Machtpolitik. Dass die Abwendung von Washington zur Aufwertung Ankaras führt, müssen die Europäer noch lernen.

IMAGO / ZUMA Press Wire

In diesen Tagen kann man folgende Falschmeldung in vielen deutschen Medien lesen: Deutschland sei das größte NATO-Land nach den USA und habe deshalb eine besondere Verantwortung. Es ist nichts weiter als die Wiedergabe von CDU/SPD-Positionen, um die eigenen Projekte zu verteidigen – ob hunderte Milliarden „Sondervermögen“ oder die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Richtig ist: Das zweitgrößte NATO-Land ist die Türkei. Das gilt sowohl für die Gesamtbevölkerung als auch für die Armee. Recep Tayyip Erdoğan hat diese Fakten eher vor Augen als manche Europäer, die eine Abkopplung von den USA mit der Ambition eigener Wehrfähigkeit verwechseln. Ohne die USA hat Ankara nicht nur auf dem Papier die stärkere Militärmacht: Es ist in zahlreichen Konflikten aktiv engagiert – so in Syrien und Libyen – und betreibt eine eigenständige Außenpolitik auf dem Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches.

Diese Außenpolitik steht zwar häufig im Kontrast zu den europäischen Interessen. Bisher hat aber kein europäisches Land geschafft, sich von dem neo-osmanischen Sultan abzukoppeln. Die Türkei ist weiterhin Mitglied der NATO, und Erdoğan hat in der Vergangenheit europäische Regierungschefs zu Bittstellern degradiert, indem er die Massenmigration geschickt als Erpressungsmittel einsetzte. Das gilt nicht nur für das Nachbarland Griechenland, sondern auch für Deutschland, das sich in der Migrationskrise nur zu helfen wusste, indem es der Hohen Pforte Tribute entrichtete, um die Migration nach Europa zumindest abzuschwächen.

Die Türkei nimmt überdies eine Scharnierstellung in der Ukraine ein. Obwohl sie offiziell auf der Seite des Westens steht, bestehen die Kanäle nach Moskau weiter. Dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zur Beilegung des Konfliktes im März 2022 in Istanbul stattfanden, ist kein Zufall. Die Türkei bleibt aufgrund ihrer geostrategischen Lage zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer, zwischen Europa und dem Nahen Osten sowie ihrer militärischen und außenpolitischen Aktivitäten daher sowohl ein möglicher Rivale als auch ein möglicher Verbündeter – für alle Akteure in der Region.

Eine Abwertung der USA im NATO-Kräftespiel bedeutet daher eine Aufwertung der Türkei. Das ignorieren Brüssel, Paris, London und Berlin. Ankara weiß es dagegen sehr genau. Erdoğan hat bereits reklamiert, dass die EU auch die Türkei bei der Aufrüstung unterstützen solle. Wenn Erdoğan sagt, dass es „im Interesse beider Seiten liegt, einen strategischen und langfristigen Ansatz in den Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union zu verfolgen“, geht es ihm nicht nur darum, Brüssel zur formellen Öffnung der Türen zu bewegen. Vielmehr entwirft er eine neue Allianzstruktur.

Parallel dazu stärkt Erdoğan langfristige wirtschaftliche Partnerschaften – etwa die Kooperation zwischen der italienischen Leonardo-Gruppe und Baykar, die ein Kompetenzzentrum für Drohnentechnologie auf dem europäischen Markt geschaffen haben. Diese Allianz könnte helfen, einen der historischen technologischen Rückstände Europas in diesem Sektor zu schließen. Gleichzeitig zeigte Erdoğan eine ungewöhnliche Offenheit und Wertschätzung gegenüber der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, was auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Ankara und Rom hindeuten könnte.

Da kann es kaum jemanden wundern, wenn der türkische Präsident diese Woche fordert: „Die EU muss jetzt handeln und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei schnellstmöglich wieder aufnehmen.“ Die Ansage ist auch deswegen klar, weil Ankara damit Europa die – vielleicht letzte – Möglichkeit bietet, doch ins europäische Konzert einzutreten, statt seine eigenen hegemonialen Absichten durchzusetzen. Wie Europa damit umgeht, bleibt unklar. Bekanntlich rekrutiert man in Deutschland bald wieder Wehrpflichtige, während die Türkei Drohnen produziert.

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Kommentare ( 28 )

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lube
18 Tage her

Die BRD wird unter Leitung von Claudia Roth ein unbegrenztes Sondervermögen für den Sultan installieren.
Der verteidigt uns dann am Hindukusch oder wo immer gewünscht.
Zuvor noch die Scharia in D einführen und schon läuft es.
EU Beitritt ohne Auflagen sofort.

Ben Clirsek
18 Tage her

Türkei in der EU und zack, die Islamisierung ist binnen kürzester Zeit vollendet. Ob dann das Christentum noch zu Deutschland gehört?

K.Behrens
18 Tage her

Wie niedlich, klein Erdogan als Diktator, gefeierter Kriegsheld im nahen Osten? Das bedeutet vor allem noch mehr „Türken“ in Deutschland, ohne überhaupt „Asyl“ zu schreien. Nach „Syrern“ die höchste Kriminalität noch vor „Rumänen“ und „Afghanen“.

Wäre allerdings neu, dass Moslems wie Erdogan über mehr verfügen als Wehrpflicht. Mir wäre es zumindest neu, dass Wüstensöhne über ausreichend IQ verfügen, überhaupt einen „Bentley“ zu entwicklen.

hert
18 Tage her

Diesem Erdogan ist wirklich nicht zu helfen. Ich stehe hier voll hinter unserem großen Altkanzler Helmut Schmidt, der meinte, man könne „aus Deutschland mit immerhin einer tausendjährigen Geschichte seit Otto I. nicht nachträglich einen Schmelztiegel machen.“ Und weiter: „wer die Zahl der Moslems in Deutschland erhöhen will, nimmt eine zunehmende Gefährdung unseres inneren Friedens in Kauf.“ Und 1982 sagte er: „Ihm komme kein Türke mehr über die Grenze.“
Und heute ist das Fass übervoll. Was war Schmidt doch für ein weiser Kanzler!

cernunnos
18 Tage her

Die Ansage ist auch deswegen klar, weil Ankara damit Europa die – vielleicht letzte – Möglichkeit bietet, doch ins europäische Konzert einzutreten, statt seine eigenen hegemonialen Absichten durchzusetzen. „

Ich verstehe nicht ganz wie man darauf kommen kann, dass Erdogan die „eigenen hegemonialen Absichten“ einstellen würde bei Aufnahme in die EU. Im Gegenteil würde dann Geld fließen für eben diese Absichten (natürlich kaum direkt) und der Einfluss darauf Europa weiter zu islamisieren würde vergrößert.

Mausi
18 Tage her
Antworten an  cernunnos

Schon die Formulierung des Satzes, den Sie zitieren, ist für mich unverständlich: Ankara bietet Europa die Möglichkeit ins europäische Konzert einzusteigen?
Und natürlich will Herr Erdogan damit seine hegemonialen Absichten durchsetzen. Wer kann schon die Möglichkeit auslassen, die EU von innen zu übernehmen? Das versucht Herr Erdogan doch mindestens mit D schon seit einiger Zeit.

Der Person
18 Tage her

Die Frage ist, wird die EU ihre antidemokratischen und freiheitsfeindlichen Instrumente in Zukunft so perfektioniert haben, dass jegliche Opposition im Keim erstickt wird oder werden sie auf bewährte Mittel wie eigene Truppen zur Unterschlagung von Volksaufständen zurückgreifen? Im Vertrag von Lissabon wurde ja schon der Einsatz tödlicher Gewalt vor(her)gesehen, Zitat „Erläuterung zu Artikel 2 — Recht auf Leben“: „Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um […] c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“. Und dann haben wir ja noch die militärische Europäische Gendarmerietruppe, bei der die… Mehr

Ananda
18 Tage her

Erdogan träumt davon wieder ein osmanisches Großreich zu errichten. Wahrscheinlich mit ihm als „Sultan“. Immer wenn es in Nachbarländern Krieg (z.B. Irak) gab hat er versucht sich Rand-Gebiete zu krallen. Drohungen gegenüber Griechenland und Zypern. Das Schickanieren von Nato Truppen im eigenen Land. Sein berühmtes Statement von dem Zug der Demokratie auf den er aufspringt bis er sein Ziel erreicht hat. Das Bombardieren von Kurden. Die Mauscheleien mit den Deutsch Türken, seine fünfte Kolone. Die Ankündigung Europa per „Gebärmuttern“ zu erobern. Ein aggressiver, machtorientierter, heimtückischer Politiker. Mit einem EU Beitritt würden wir uns eine Natter an die Brust legen, der… Mehr

Chris Groll
18 Tage her
Antworten an  Ananda

Sie haben mit allem recht, was Sie hier sagen. Aber wer stoppt diesen Menschen. Die Deutschen sicherlich nicht. Die können gar nicht genug von dessen Landsleuten bekommen. Diese Landsleute haben die deutsche Politik schon unterwandert. Und nicht nur die Politik. Ich kann immer wieder nur an die Sieben Sendschreiben, die in der Offenbarung des Johannes im 2. und 3. Kapitel überliefert sind, erinnern. Alle Städte, an die diese Sendschreiben gerichtet waren, sind heute mohammedanisch. Obwohl urchristliches Gebiet, gibt es dort keine Christen mehr.

Konradin
18 Tage her

Die Türkei wird politisch, ökonomisch, technologisch, militärisch und auch demographisch überschätzt. Das Land ist gesellschaftlich gespalten zwischen chauvinistisch-islamistischen Osman-Nationalisten, weltoffenen, modernen, westlich orientierten Liberalen sowie ethnischen, kulturellen Minderheiten, vor allem Kurden, die ca. 20-25% der Gesellschaft in der Türkei ausmachen. Die Geburtenrate der Türkei ist darüber hinaus seit Jahren im rapiden Sinkflug. Wobei die Fertilität der Kurden immer noch doppelt so hoch (ca. 2,5 Kinder je Frau) ist wie die der ethnischen Türken (nur noch ca. 1,4 Kinder je Frau – Tendenz sogar weiter fallend). Der Traum vom 100-Millionen Turkvolk ist ausgeträumt. Die Türkei ist heute eine der am stärkst… Mehr

EinBuerger
18 Tage her
Antworten an  Konradin

Na, wie viele es von diesen „weltoffenen, modernen, westlich orientierten Liberalen“ gibt, weiß ich nicht.
Es gibt neben der islamisch-orientierten Gruppe um die AKP die eher kemalistisch orientierte Gruppe, die den Einfluß des politischen Islams als rückschrittlich ablehnen. Die würden aber in Europa als Rechtsaußen, ultranationalistisch, chauvinistisch und imperialistisch gelten.

RMPetersen
18 Tage her

Ja, warum nicht Türkei in die EU? Ukraine sowieso, Georgien, dann vielleicht Afghanistan?

Ananda
18 Tage her
Antworten an  RMPetersen

Genau. Und die deutsche Bundesregierung „subventioniert“ dann noch die Errichtung von Sklavenmärkten als kulturelle Teilhabe.

Retlapsneklow
18 Tage her

Europa muss noch lernen, welchem Mächtigen es um seine (Vorwärts-)Verteidigung geht und welchen Möchtegernmächtigen um die Vergrößerung ihres Machtbereichs.