Presse bespricht Phantom-Studie: Erinnerungskultur für Vergessliche

Auf die Frage an die Studien-Leute, warum die Presse denn berichtet hätte über etwas, das ihr noch gar nicht vorliegen würde, kam die fast schnippische Antwort, danach müsse man schon die Presse fragen.

© Getty Images

Im Februar 2018 berichteten die Leitmedien und weitere Presseorgane ausführlich über eine Studie, die allerdings auch heute, Monate später, nicht vorliegt. Wie ist das möglich? TE hatte damals schon kritisch nachgefragt und die Information erhalten, die Studie würde noch folgen. Was uns für einen Bericht über diese nicht vorliegende Studie nicht ausreichte, war den berichtenden Medien allerdings genug. Sie berichteten von einer „Studie“, zitierten aus einer „Studie“, wo nur ein Memo und eine Pressemitteilung der Studienmacher vorlag. Ein mehr als fragwürdiger Vertrauensvorschuss.

Konkret geht es hier um die Studie „Trügerische Erinnerungen – Wie sich Deutschland an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert“ für die Stiftung EVZ (Erinnerung, Verantwortung, Zukunft) aus dem Köcher der Universität Bielefeld, die den Status quo der deutschen Erinnerungskultur untersucht haben will. In Bielefeld verantwortlich sind Prof. Andreas Zick und Dr. Jonas Rees.

Schlicht und ergreifend unlauter
Stiftungen und Studien: Medien lassen sich am Nasenring führen
Als die Presse im Februar 2018 berichtete, gab es lediglich ein Memo als pdf-Datei mit im Stil einer Power-Point-Präsentation gefällig aufbereiteten Grafiken und Statistiken und einer angehängten Pressemitteilung. Diese Waschzettel reichten der Presse aus, zu berichten, was die Studienmacher als Fazit in Memo und Pressemitteilung anboten. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen, da die Studie ja nicht vorlag. Blind vertrauten also die Journalisten, dass sich solche Ungereimtheiten schon in Wohlgefallen auflösen würden, dann, wenn die Studie erschienen ist und die Medien also sagen können: Seht her, es stimmt alles, was wir geschrieben haben.

Wozu Studie, Presse-Waschzettel über angebliche Studie reicht doch

Nun der GAU: Die versprochene Studie erscheint einfach nicht. Und diese Quertreiber von TE besitzen die Unverfrorenheit, Monat für Monat nachzufragen, wie lange es noch dauert. Wie lange es noch dauert, bis fertig wird, was man mutmaßlich klammheimlich unfertig ad acta legen wollte. Wir hatten unseren Lesern versprochen, nachzuhaken. Und wir haben mehrfach nachgehakt: Der Ton der Gesprächspartnerinnen der Uni Bielefeld und der Stiftung wurde deutlich rauer. Die Stiftung sprach zuletzt von weiteren Studien, die zum Themenkomplex erscheinen würden, da würden – versprochen – die Ergebnisse der ersten Studie berücksichtigt werden. Es sind also bereits weitere Studien einer Studienserie in Arbeit, bevor der erste Teil überhaupt vorliegt, über den die Presse gutgläubig berichtete, was die Studienmacher ihnen hinwarfen?

Auf die Frage, warum die Presse denn schon berichtet hätte über etwas, das ihr noch gar nicht vorliegen würde, kam die fast schnippische Antwort, danach müsse man schon die Presse fragen. Zwar haben die Studienmacher diese Reaktion der Presse kalkuliert, dennoch eine berechtigte Frage. Also haben wir exemplarisch mit zwei über die Phantom-Studie berichtenden Redakteuren der Leitmedien gesprochen, die sofort verstanden haben, was hier passiert ist. Wo also erwartbar war, dass die Studienmacher die peinliche Lücke schnell füllen würden, indem sie die Studie nachlegen, haben diese auch Monate später nicht geliefert, die Presse also im Regen stehen lassen. Beide versprachen, der Sache intensiv nachzugehen. Einer der beiden Gesprächspartner meinte in etwa, es könne ja sein, dass, wenn jemand von Tichys Einblick nachfragen würde, dass dieser Absender bei Stiftung und Uni eher misstrauisch behandelt würde. Wir lassen diese Aussage hier unkommentiert.

Nun haben wir damals selbstverständlich auch dieses Power-Point-artige Memo und die Pressemitteilung angeschaut. Schon ein erster Blick reichte hier aus, um eine Idee zu entwickeln, warum es schwierig werden könnte, dieses Memo zur Phantom-Studie mit einer Studie nachgereicht zu unterfüttern:

Ungeklärt ist nämlich die Frage, wie viele der rund eintausend zufällig telefonisch für die Studie Befragten aus Migrantenfamilien stammen. Personen also, die logischerweise interfamiliär überhaupt keine „Erinnerung“ an die Zeit des Nationalsozialismus haben können, die beispielsweise nicht aus Ostpreußen vertrieben wurde oder einen Vorfahren „im Feld“ verloren haben. Familien, denen man beim besten Willen keine „Erzählung“ aus dieser Zeit nachsagen kann, schlicht, weil es keine geben kann. Wurde das überhaupt abgefragt? Sind es zwanzig Prozent? Oder gar dreißig?

Propaganda braucht keine Fakten

Aber genau das ist doch entscheidend, wenn man zum Schluss kommen will: „In der Rückschau sind die Deutschen von einem Volk der Täter zu einem der Helfer, Helden und Opfer geworden.“, wie Andreas Eberhardt, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ für Die ZEIT zusammenfasste. Auch die Migranten in Deutschland Teilmenge des Volkes der Täter? Oder wurden die „zufälligen“ Telefonate gar ethnisch bereinigt geführt? Hier wäre der Skandal wider die politischen Korrektheit noch größer. Aber was für ein Unsinn ist das dann insgesamt? Welche Aussage wird da gefällt, wenn die Vorfahren von zwei- oder dreihundert von eintausend Befragten mit dem Nationalsozialismus so viel zu tun haben, wie alle anderen befragten Deutschen mit beispielsweise der Geschichte des osmanischen Reiches und seinen Verwerfungen? Was sagt das über die Ergebnisse aus?

Wird die Studie überhaupt jemals erscheinen? Wir fragen einfach immer weiter. Und auch wenn die Antwortbereitschaft immer knapper, die Antworten immer schriller werden, dann steigern wir eben unsere Penetranz und warten derweil, was Stiftung und Uni Bielefeld nun den Redakteuren der Leitmedien erzählen werden, die TE gegenüber erklärt haben, überprüfen zu wollen, ob ihre Gutgläubigkeit gegenüber Memo, Pressemitteilung und versprochener Nachreichung der Studie eventuell ausgenutzt worden sein könnte. Immerhin.

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Kommentare ( 27 )

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Hansano
5 Jahre her

Das Wort „Studie“ suggeriert einen Grad an Wissenschaftlichkeit und Objektivität, den derartige Untersuchungen fast nie haben. Sie sind meistens Auftragsarbeiten, selten werden Interessenskonflikte klar dargestellt (also Auftraggeber, politische Voreingenommenheiten der Verfasser etc.), und eine Vorabveröffentlichung über die Presse, ohne dass eine Arbeit in einem peer-reviewed Journal bereits angenommen wurde, muss dem geneigten Leser die Nackenhaare aufstellen. Vergessen Sie aber nicht: Der Begriff „Fake News“ ist im deutschen Sprachgebrauch für konservative Verlautbarungen reserviert.

klanger
5 Jahre her

Auch ich bin auf der Suche nach einer Studie, über die Ende Juni sowohl im Stern (www.stern.de/wirtschaft/job/fluechtlinge–so-gut-sind-die-jobchancen-fuer-gefluechtete-in-deutschland-8147910.html) als auch im Capital jubelnd berichtet wurde. Das Whitepaper „Voraussetzungen einer gelingenden Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen im deutschen Mittelstand“ wurde von Roland Berger (Berater u.a. BAMF) im Auftrag der UNO-Flüchtlingshilfe erstellt und weist im Gegensatz zu den verbreiteten Erwartungen erstaunlich positive Zahlen zur Qualifikation der Flüchtlinge auf (16% „High Potentials“, 54% „Potentials“, also exakte 70%, die lt. Studie „im besten Fall nach 9 Monaten“ dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten). Leider konnte ich die Zahlen nicht weiter verifizieren, denn außer den beiden links fand… Mehr

Alfons Donat
5 Jahre her

Prof. Zick hat eine klare Mission. Mit seiner Forschung zu rechten Ansichten in Deutschland belegt er schlüssig, dass dieses Land immer weiter nach Rechts abrutscht. Blöd nur, dass jeder Normalo, der den Zickschen Fragebogen ausfüllt, mehr oder weniger deutlich als Rechts eingestuft wird. Wieso finanzieren wir Studien, die so eindeutig interessengeleitet sind? Und dieser Wissenschaftler stellt seine Ergebnisse immer wieder in Gremien des Bundestages vor.

benali
5 Jahre her

Aber einen Sturm im Wasserglas inszenieren und sich über ungerechtfertigte Verleumdungen beschweren, selbst dann, wenn Fake News produzierende Medien „Fake News Medien“ genannt werden…

Berndi
5 Jahre her

Und wie klagt man jetzt gegen diese Steuerverschleppung?

Ingolf Paercher
5 Jahre her

Lieber Herr Wallasch,
für mich war das 2011 eine Art des Erwachens, als mir jede Menge Fake- Studien, die es niemals gab, um die Ohren gehauen wurden. Ging um das Thema E-Zigarette, in das ich mich aber wissenschaftlich intensiv eingelesen habe. Seitdem weiß ich, daß nichts leichter ist, Propaganda nur die Worthülse „Studie“ zu packen ist, um ohne Inhalt medienwirksam aufzutreten, Inhalte aber nie nachgeliefert werden müssen.
Das ist systematisch mittlerweile, ich glaube primär gar nichts mehr. Mein Grundvertrauen in die Standard- Medien ist jedenfalls nachhaltig zerstört.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass nicht nur Merkel weg muss.

Alexander Wallasch
5 Jahre her
Antworten an  Ingolf Paercher

Erzählen Sie bitte mehr zur E-Zigarette. Ich qualme selbst so ein Ding. Sind wir auf der sicheren Seite? ?Mal unabhängig vom Gesundheitsaspekt: ich halte das Suchtpotenzial für etwas größer als bei Normalkippen. Herzlich

Regina Lange
5 Jahre her

Wenn Stiftungen wie Bertelsmann und auch Statistiker eines gut können dann ist das drehen, wenden, ziehen, zerren, knoten, schnürren, rotieren, eiern, bis die Studie, bzw. Statistik zu den jeweiligen Wünschen passt!! Was nicht passt, wird passend gemacht

Marco Mahlmann
5 Jahre her

Als ehemaliger Student der Uni Bielefeld weiß ich, daß es Bielefeld gar nicht gibt. Die Uni steht wie ein Raumschiff auf der Wiese, und so geht’s drinnen auch zu.
Zick ist meines Wissens mit der Amadeo-Antonio-Stiftung verbandelt; der wird er wohl Flankenschutz geben.

Der Ketzer
5 Jahre her

Hallo Herr Wallasch, haben Sie mal bei der Beauftragten für Kultur und Medien nachgefragt? Da sich Frau Grütters dort intensiv mit Erinnerungs- und Denkmalkultur befasst, könnten von dort Fördergelder für die Erstellung der Studie geflossen sein.
Das Thema der Studie, die es nicht gibt, von einer Universität in einer Stadt, die es nicht gibt (Bielefeld), passt trefflich zu den folgenden Reden von Frau Grütters:
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/10/2016-10-27-gruetters-gedenkstaette-ploetzensee.html
und
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/09/2016-09-06-gruetters-denkmalkultur.html

Die zweite Rede gibt übrigens den Hinweis auf die Quelle der viel gescholtenen Höcke-Rede zum „Mahnmal der Schande“ („Deutschland. Erinnerungen einer Nation“ von Neil MacGregor) …

bfwied
5 Jahre her

Schon öfter geschrieben: Sie haben nur zu rd. 1/3 Hitler (1932: Juni 37 %, Herbst 32 %) gewählt, viel zu viele, aber sie sind feige nahezu alle verbraunt. Sie taten nichts, Opferlämmer sehen die Wirklichkeit besser und sind mutiger! Wir Heutigen sind keine Täter von damals, genauso wenig wie die heutigen Schweden die Täter im 30-jährigen Krieg sind oder die jungen Chinesen die Täter unter Mao. Heute winden sie sich, weil sie der grünen Presse/ÖR glauben wollen – weil die Wahrheit ihre Aktivität ja fordern würde -, dass die AfD ja rechtsradikal wäre, dass CDU-Protestler Nestbeschmutzer und Möchte-gern-Putschisten wären. Man… Mehr