Vorsicht „Lügenpresse“: Glaube keinem Foto

Die samstägliche Netzlektüre ist immer wieder für Überraschungen gut: Eine Recherche über die Berichterstattung zur Causa Edathy und einen älteren Artikel des Richters Thomas Fischer führt zur »Politik«, dem deutschen Ableger der Plattform »Blastingnews.com«, die sich als Plattform für »Social Journalism« versteht. Dort greift ein Beitrag den Artikel von Thomas Fischer (aus dem Jahr 2014) unter der Überschrift »Zweifelhafte Rechtsauslegung« auf.

Das eigentlich Interessante: Der Text ist illustriert mit einem Foto eines Jungen – ohne Quellenangabe, mit einer eher diffusen Bildunterschrift. Ein Déjà-Vu für mich, denn dieses Bild ist mir bereits bei einer anderen Recherche im Netz begegnet. Die Google Bildersuche hilft zunächst weiter: Das Bild des Jungen führt zu einer Vielzahl von Treffern. Überall das Gleiche; keinerlei Urhebernennung, keinerlei Verweis auf eine Bildquelle. Die Nutzung des Fotos offenbart eine erstaunliche Bandbreite; von Berichten über ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit in einer Gemeinde über Asylbewerber in Deutschland bis zu Blogs, die angebliche »Schmarotzer« anprangern, wird das Gesicht eines Kindes in unterschiedlichsten Zusammenhängen veröffentlicht. Selbst gefühlige Sinnsprüche im Sozialen Netz fehlen nicht im Sammelsurium der Suchmaschinentreffer.

Ein genauerer Blick auf die Fundstellen des Fotos offenbart ebenfalls Interessantes: Mit einem Browser-Plugin, das den Zugriff auf die Metadaten (IPTC und EXIF) ermöglicht, wird schnell klar, dass in den meisten Fällen keinerlei Metadaten im Bild vorhanden sind, die Aufschluss geben könnten über Aufnahmedatum und -ort, den Kontext oder den Autor des Bildes. In zwei Fällen werde ich jedoch fündig: Die EXIF-Daten geben Aufschluss über die Kamera, mit der das Bild gemacht wurde, über Brennweite, Verschlusszeit, ISO, Blende. Und ein Aufnahmedatum. Die zweite der beiden Fundstellen ist ein Volltreffer: Das Foto stammt aus dem Fundus von pixabay.com, einer Plattform für kostenlose Bilder.

Dort hochgeladen vor drei Jahren, wird das Bild des Kindes in unterschiedlichen Auflösungen zum Download angeboten. Sämtliche Daten von Kameratyp über Brennweite bis Verschlusszeit und Aufnahmedatum stimmen mit den EXIF-Daten der ersten Fundstelle überein. Die Suchbegriffe, mit denen das Foto versehen ist (»Junge, schlecht, Angst, traurig, Person, Kinder, Krieg, Afghani«) bieten zumindest einen gewissen Rückschluss auf den Zusammenhang, in dem es aufgenommen wurde. Vertrieben wird das Foto unter einer CC0-Lizenz (Nachfolge-Lizenz der früheren Public Domain); ausdrücklich beinhaltet diese Lizenz beinhaltet die kommerzielle Nutzung, ein Bildnachweis (der üblicher Weise auf Bildautor und/oder die Bildquelle verweist) ist nicht erforderlich.

Die »Weltreise« des Bildes zu den unterschiedlichsten Zusammenhängen von Flüchtlingsarbeit über Sinnsprüche bis zu diffamierenden Texten über »Schmarotzer« zeigt zum einen, wie ein Foto seinem ursprünglichen Kontext entrissen und zu einer bloßen Illustration umgewidmet wird. Keines der Blogs, keine der Fundstellen erwähnt, dass es sich um ein Symbolfoto handelt. Die Bildbeschreibungen sind diffus und reichen von Kindesmissbrauch über Kinderarmut bis zur Flüchtlingsproblematik (in diesem Fall in höchst unterschiedlicher Ausrichtung bis hin zur rassistischen Diffamierung als Schmarotzer). Das vor zwei Jahren bei pixabay veröffentlichte Foto ist nicht nur hinsichtlich seiner vielfältigen Verwendung problematisch.

Diese Bandbreite macht die Nutzung des Bildes zugleich zu einem Beispiel für einen äußerst fragwürdigen Umgang mit Persönlichkeitsrechten. Das Stichwort dazu lautet hierzulande »Recht am eigenen Bild«, nachzulesen im Kunsturheberrechtsgesetz §21 oder auf der Website »Recht am Bild« (http://www.rechtambild.de/2010/03/das-recht-am-eigenen-bild/): Die Veröffentlichung von Personenaufnahmen bedarf normalerweise der Zustimmung der abgebildeten Person (oder deren Erziehungsberechtigten). Dabei definiert das »Recht am eigenen Bild« durchaus eine Reihe von Ausnahmen – wie beispielsweise eine Zulässigkeit von Porträtveröffentlichungen im Rahmen journalistischer Berichterstattung. Dazu gehört allerdings, Bilder korrekt in ihren Zusammenhang zu verorten, Quellen und Bildautoren zu nennen.

Nach deutlicher Kritik auf Facebook, die sich unter anderem auf die fehlende Kennzeichnung als Symbolbild und ebenso fehlende Quellennennung bezog, wurde das Foto bei »Politik« mittlerweile ausgetauscht gegen ein anderes Bild; es ist ebenso wenig als Symbolbild gekennzeichnet wie sein Vorgänger, etwas weniger im Netz bekannt, da jüngeren Datums – und stammt aus der gleichen Quelle pixabay.com …..

Ergänzende Links:

Die Originalquelle des Fotos auf Pixabay.com
»Recht am eigenen Bild« – ein lesenswerter Beitrag auf der Website RechtamBild.de
Zur Lizenz CC0 – http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons#CC0
http://creativecommons.org/about/cc0 (englische Version)




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