Die Moral-Keule

Lassen Sie einmal in Ruhe die Debatte dieser Wochen auf sich wirken – am besten nur die Wörter und Beschimpfungen. Die da oben, die Manager und Reichen, seien „die neuen Asozialen“, sagt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, und Genosse Klaus Uwe Benneter nennt sie „Abschaum“. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück spricht von „organisierter Kriminalität“, sein Parteivorsitzender Kurt Beck will gegen die „kriminelle Energie“ der Wirtschaftseliten „das wirklich gesunde Rechtsempfinden“ mobilisieren – bei dieser bräunlichen Wortwahl überkommt einen das Grauen.

In der Woche drauf hat den Ober-Moralisierer der SPD selbst die Moral-Keule getroffen: Lügner und Wahlfälscher war noch das Freundlichste, was über Beck gesagt wurde, nachdem er sich und seine Partei der Linken an den Hals geworfen hatte. Übrigens ist die Union nicht viel besser: In der Debatte über Steuerhinterziehung zeigten sich ihre Redner nicht weniger zimperlich. Beck hat sich mit seinem roten Quark zwar gründlich blamiert – aber auch die CDU hat keinen klaren Gedanken beigesteuert, wie denn die Italienisierung Hessens, die Unfähigkeit zur Regierungsbildung, überwunden werden könnte.

Wieder ein paar Tage später war dann die Wirtschaft dran: Nach der Ankündigung von BMW und Henkel, trotz guter Gewinnlage Arbeitsplätze abzubauen, war der Vorwurf der unersättlichen Gier wieder aus jedem sich öffnenden Politikermund zu hören. Selbstgefällig suhlt sich dagegen die große Koalition im Scheinwerferlicht, indem sie Handlungsfähigkeit vortäuscht und kamerawirksam kraftvolle Reformen beschließt. Wer genau hinschaut, sieht: Es steckt nichts dahinter. Sie haben nur den Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht, — als ob wir nicht schon genug bezahlten — und neue Ausgabenprogramme verabschiedet, die sie mit Geld bezahlen wollen, das sie nicht haben und ihnen nicht gehört.

Also haut man sich wechselseitig die Moral-Keule um die Ohren, und dies just in einer Zeit, in der sich die Wirtschaft abkühlt und deutlich wird: Die Politik hat es versäumt, in den beiden vergangenen, vergleichsweise guten Jahren Deutschland wirklich zu reformieren – außer Sprüchen nichts gewesen. Ein heißer Herbst könnte es werden, wenn die Leute aus dem Urlaub zurückkommen und feststellen: Ihr Job ist weg, aber dafür steigen die Steuern.

Wirtschaft und Politik passen einfach nicht mehr zusammen. Die Unternehmen müssen sich global durchsetzen – sowohl auf den weltweiten Gütermärkten, wo sie ihre Produkte verkaufen, als auch auf den globalen Finanzmärkten, wo sie ihr Kapital borgen. Deshalb drehen sie jeden Cent zweimal um, denn unter dem Strich muss Gewinn stehen, und nicht zu knapp.

Die Politik muss in Tuntenhausen und anderswo Mehrheiten gewinnen; das ist, zugegeben, ziemlich mühsam. Dafür genießen Politiker das Privileg, unendlich viel Geld zum Verschleudern zu haben. Eben erst haben sie 25 Milliarden in den Staatsbanken versenkt – aber niemand musste dafür den Hut nehmen. Im Berliner Alltag erfahren sie, dass in einer Stadt, in der fast die Hälfte der Bevölkerung von staatlichen Zuwendungen lebt, diese Wähler mit dem Versprechen von schnellem Geld aus der Staatskasse leichter zu gewinnen sind als über den langwierigen Umweg, der da heißt: Rückgewinnung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Also sind maulende Hartz-IV-Empfänger, die mittlerweile die lärmende Hintergrundkulisse in Talkshows abgeben, wichtiger als Leistungseliten, die so kompliziert global reden.

Das Problem ist nur: Wenn es nicht mehr gelingt, den Becks und Merkels ein wenig wirtschaftlichen Sachverstand einzuflößen, gehen wir alle unter. Deshalb eine Bitte: Mischen Sie sich ein. Das klingt einfach – und ist so wichtig: Moral-Gedöns allein hilft nicht in Sachen Wirtschaft.

(Erschienen auf Wiwo.de)

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