Warum merkelt Merkel so?

Warum die Feinde der Frauen Frauen sind und warum Merkel von einer guten Kanzlerin zu einer Belastung für dieses Land geworden ist - und für sich selbst.

Bettina Hagen "Angie oder die Frau mit den zwei Gesichtern" Acryl auf Leinwand - 60 x 80 - 2005/10

Die Feinde der Frauen sind Frauen

Darf man als Mann über die Vergewaltigungsnummern schreiben, die an Silvester in Köln und den anderen großen Städten des Landes stattfanden?

Das wird ja häufig bestritten. Aber dann dürfen wir auch nicht über den Krieg in Syrien schreiben, denn keiner der vielen Autoren war jemals da und somit Betroffener, das 3. Reich bliebe neuerdings unbeschrieben, denn wir sind alle zu jung und die Kanzlerin ebenfalls, denn keiner, der über sie schreibt, ist Kanzler, nun gut, Gerhard Schröder griff noch kürzlich zur Feder.

Betroffenheitsjournalismus ist ohnehin etwas fragwürdiges; die seltsame Ausgrenzung jedes kritischen Aspekts im Sommer zu Gunsten des tränenreichen Anteilnahme-Journalismus hat ja zur derzeitigen Flüchtlingskrise beigetragen. Aber ausschließlicher Betroffenheits-Journalismus wäre das endgültige Ende des ohnehin fragwürdigen deutschen Journalismus‘. Bemerkenswert dabei: Die Frau ist der ärgste Feind der Frau. Es hat mit der unerträglichen Kölner Dorfbürgermeisterin Reker angefangen, die die „Armlänge Abstand“ empfiehlt; das ist genau das, was wohl früher oft Frauen vorgehalten wurde: Dass sie eigentlich an Verbrechen an ihnen selbst schuld sind.

Hätten Sie doch eine Armlänge…. Der Tagesspiegel in Berlin gar vermutet, dass viele Frauen ihre Anzeigen nur erfunden hätten, um Ausländern zu schaden. Das ist die Steigerung. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, deren wesentliche Aufgabe darin besteht, wieder nach links zu rücken, was das Mutterblatt richtig beschrieben hat, kommt der Höhepunkt: Da entschuldigt eine Friederike Haupt die sexuellen Übergriffe damit, dass vermutlich den Tätern Menschen auch mal was „Böses“ angetan haben.

Genau. Das ist es, was Vergewaltiger immer wollen: Die Nicht-Anklage dessen, was ihnen selbst widerfuhr. Der neue Feminismus enttarnt sich als Feind der Frauen. Man könnte (als Mann) ja darüber lachen über die Wiederkehr alter Macho-Sprüche aus Frauenmund – wenn man so etwas nicht so sehr verabscheuen würde. Und man gewinnt Alice Schwarzer richtig lieb; die kämpft für die Frauen und das ist ja gut.  Irgendwann wird sich ja ZDF-Moderatorin Dunja Hayali durchgesetzt haben, die auf ihrer Facebook-Seite den Spruch postete: „Nicht Ausländer sondern Arschlöcher belästigen Frauen“. Dann wird auf Fahndungsplakaten der Polizei ohne weitere Angaben stehen: „Arschloch wegen Vergewaltigung gesucht“. Das wird beim Täterfangen helfen; und die neuerdings grenzdebile Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird sich freuen, dass die Schuhgröße nicht angegeben wird, denn nach Ansicht dieser Zeitung ist die Herkunft für die Tatursache so wenig maßgeblich wie die Schuhgröße. Also bitte keine Täterbeschreibung mehr! Es waren auch nicht Marsmänner, sondern allenfalls Marsmenschen.

Rechts steht für richtig

In den vergangenen Woche bin ich unter Beschuss geraten: Mein Ex-Verleger Dieter von Holtzbrinck läßt eine aus seiner Sicht wohl offene Rechnung durch seinen Mediendienst „Meedia“ und das Handelsblatt begleichen, während die WirtschaftsWoche sich freundlicherweise meine Formulierung zu eigen macht, wonach diese Regierung für Kontrollverlust stünde. Immer geht es um „Rechtspopulismus“. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt ein  Modejournalist, der die eigene Redaktion angreifen will und sich an mir abarbeitet. Über alle Mediengattungen verfolgt mich ein Typ, über dessen moralische wie schriftstellerische Fähigkeiten Matthias Matussek alles hinreichende gesagt hat: „Aufgeschwemmter Mausepaul“. Der SPIEGEL darf nicht fehlen, er nennt uns „Nationalkonservativ“, um gleichzeitig genau jene Forderungen zu übernehmen, für die diese Site eintritt: Begrenzung des Zuzugs, Kontrolle, Strafverfolgung. Natürlich darf die Westdeutsche Zeitung nicht fehlen, und die WELT erfindet den Tichysmus als Krankheit.

Ehrlich: Anfangs hat mich das getroffen. Doch erfreulicherweise steigt mit jeder Hasstirade die Reichweite des Portals. Was Print-Journalisten in ihrer ewigen Gestrigkeit nicht begreifen: Lesen heute Leser solche Anwürfe, klicken sie auf die Quelle. Und siehe da: Nichts bleibt über vom Geifer der oben genannten Blätter. Oder haben Sie den Eindruck, hier seien Schwulenhasser, Frauenfeinde und Zigeuner-Verachter am Werk, wie die FAS allen Ernstes schreibt? Leser überzeugen sich heute sehr schnell selbst. Und siehe da: Die Nase wird immer länger beim papiernen Hampelchen. Martenstein, der mit seinen glänzenden Kolumnen für ZEIT und Tagesspiegel die letzten Leser der Mitte halten soll, formulierte dazu, dass die Beschimpfung „rechts“ längst zu einem Qualitätsmerkmal geworden sei. Stimmt ja, wer will den buchstabenreichen Rest lesen? Die rapide sinkende Auflage von WELT, Spiegel, Handelsblatt bis Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung beispielsweise hat sicherlich damit zu tun, dass man den kindischen Unsinn der aufgeschwemmten Mausepauls nicht mehr lesen mag. Wozu auch?

Warum macht Merkel das?

Was treibt Merkel? Warum merkelt sie so herum? Die früher als klug und besonnen eingeschätzte Kanzlerin ist mittlerweile verhasst. Helmut Schmidt hatte wütende Gegner wegen des Nato-Doppelbeschlusses und Hunderttausend Protestierer vor dem Kanzleramt. Helmut Kohl wurde gehasst – wegen seiner Politik der Wiedervereinigung und weil er sich einfach weigerte, den SPIEGEL auch nur zu lesen oder gar ihm ein Interview zu gewähren; gegen Gerhard Schröders Sozialpolitik wurden die verlogenen Montagsdemonstrationen geführt. Aber der Hass auf Merkel hat eine Dimension mehr: Man versteht ihr Handeln nicht mehr.

Andere Meinung – das ist unvermeidlich und betriebsbedingt. Komplettes Paralleluniversum – das ist neu. Mir berichten Psychotherapeuten, dass ihre Patienten sich fragen, ob sie wahnsinnig seien – weil die Regierungspropaganda in den Verschweigemedien so von ihrer täglichen Lebenserfahrung abweicht. Menschen stellen sich die Frage nach dem Geisteszustand. Hohe Politiker bis hin zu Ex-Bundesministern der CDU wünschen sich hinter vorbehaltender Hand Wahlsiege der AfD, weil sie keinen anderen Weg sehen, die Irrfahrt zu stoppen, die droht, dieses Land an die Wand zu fahren. Was ist los mit Merkel? Die Wahrheit ist ganz einfach. Merkel orientiert sich an Meinungsumfragen. Sie führt nicht, sie folgt. Und seit Jahren folgt sie dem Rat, dass sie sich nach Links orientieren solle, um der SPD Themen und Wähler abspenstig zu machen. Den letzten Konservativen, Militärs und anderen weißen Männern bliebe am Ende gar nichts anders übrig, als CDU zu wählen.

Diese Rechnung ging ja auf. Und wie immer – irgendwann dann doch nicht mehr. Im Sommer, nach ihrem Besuch im Flüchtlingslager, hatte Angela Merkel die Idee, wie sie endgültig links siegen könne – durch ihre Grenzöffnungspolitik. Es ist ja auch gutgegangen. Ihr wurde gehuldigt wie einer Heiligen – die „Eiskönigin“ (Der Stern) wurde zur Heldin von Grünen, Linken und Frauen. Ganz einfach, Merkel ist eine Politikerin durch und durch. Ihr geht es nur um Stimmenmaximierung. Deutschland, Menschen, Europa? Nur, wenn es dem Wahlsieg dient. Das alles ist nur Mittel zum Zweck der Machterhaltung. So ist Politik in der Massenmedien-und-Parteien-Monopol-Demokratie. Was Merkel allerdings unterschätzt hat, sind die katastrophalen Folgen der unkontrollierten Masseneinwanderung. Jetzt sind es gerade Frauen, die sich von ihr abwenden, übrigens bevorzugt jene, die sich als Flüchtlingshelfer engagierten und sich nun instrumentalisiert finden.

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Entropie im Amt
Jetzt greift bei Merkel ein zweiter Mechanismus: Die Unfähigkeit, die Realität wahrzunehmen. Alle Mächtigen neigen dazu, nur noch zu glauben, was ihr Umfeld sagt. Katharina die Große im Schlitten glaubte Graf Potemkin, dass sie durch blühende Landschaften führe; bekanntlich waren es Kulissen vor verbrannten Dörfern. Helmut Schmidt kannte den Preis eines Schnitzels nicht mehr. Helmut Kohl holte sich lange Rat in der Männer-Sauna, aber letztendlich verpasste er vor lauter Jasagern den Absprung aus dem Amt. Erich Honecker war zutiefst von der Lebensqualität in der DDR überzeugt; entlang seines Ferienfahrwegs waren die Häuser nur so hoch weiß gestrichen, wie er sie aus seinem Citroen heraus sehen konnte. Und Merkel? Auch sie erhält täglich mehrfach bestätigt, dass sie die richtige Politik betreibt. Sie ist gar nicht mehr in der Lage, normale Menschen wahrzunehmen, weil diese in ihrer Gegenwart zu Jasagern mutieren. Das ist das Gift der Macht. Man kennt es auch aus großen Unternehmen. Alle Chefs leben in einem goldenen Käfig. Durch die Gitterstäbe schieben die Jasager ihre Bestätigungs-Botschaften. Die Mächtigen sehen nur noch gesenkte Köpfe, keine Gesichter mehr die sagen: „Chef, Sie täuschen sich!“

Die Überlegenheit der Demokratie

Demokratische Führer sind nicht klüger als Autokraten. Die können vielleicht sogar entschiedener handeln. Aber sie werden noch schneller blinder als Demokraten. Einen widerspenstigen Beamten muss die Kanzlerin mühsam versetzen. Wer Stalin widersprach, wurde erschossen. Aber sie krallen sich alle an der Macht fest, um jeden Preis, hier wie dort. Demokraten werden per Wahl entsorgt, und das Gute ist: Das geht vergleichsweise früher und unblutig ab. Bei US-Präsidenten ist das Verfallsdatum auf die Stirn gedruckt: Nach zwei Wahlperioden ist Schluss. Der Vorschlag von Wolfgang Herles,  angesichts der lähmend verlängerten Spielzeiten deutscher Kanzler diese Grenze zu übernehmen gewinnt Anhänger, zuletzt Christian Lindner. Denn das Grundgesetz hat nach den schnellen Regierungswechseln der Weimarer Republik den Kanzler mit Patex ausgestattet und lässt zu, dass er am Sessel kleben bleibt. Abwählen ist die endgültige Form des Widerspruchs; aber das dauert lange und die vom Kanzler beherrschte Partei, nicht das Volk, entscheidet über die Spitzenkandidaten.

Kanzler reproduzieren sich selbst. Wenn Kanzler frühzeitig abtreten wie Willy Brandt, bleiben sie geachtet, oder werden heilig gesprochen wie Helmut Schmidt. Wer am Sessel kleben bleibt wie Helmut Kohl, wird trotz seiner großen Verdienste geächtet, weil er sich mit Kleber selbst beschmutzt hat. Angela Merkel? Sie hat den Absprung in Ehren verpasst. Das ist schade. Denn es gab viele Jahre, da war sie eine gute Kanzlerin.

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