Ökonomie des Siegens

Darf die Bundeswehr Drohnen und ferngelenkte Kampfroboter einsetzen? Sie muss sogar, die Ökonomie des Tötens erzwingt es.

Der Schlachtenbummler Johann Wolfgang von Goethe tröstete nach der Niederlage von Valmy die neben ihm stehenden Offiziere: “Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.” Zum ersten Mal hatte eine bunt zusammengetrommelte französische Freiwilligentruppe das professionelle Söldnerheer der deutschen Fürsten besiegt. Es wurde daraus das militärische Erfolgsmodell der damaligen Zukunft: Wehrpflicht und nationale Begeisterung als Waffe ersetzten die teuren Profis des Kriegshandwerks. Die Bevölkerungsexplosion machte solche Armeen preiswert, Menschenmaterial im Überfluss einen neuen Typus Krieg führbar. Den wohl grausigen Höhepunkt fand diese Strategie auf dem Schlachtfeld vor Verdun im Ersten Weltkrieg, kaum 50 Kilometer von Valmy entfernt: “Weißbluten” wollte der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn die Franzosen: In der “Blutpumpe” sollten deutsche Soldaten den französischen Gegner aufreiben, der von der Bevölkerungszahl unterlegen waren. So brutal waren danach nur noch Adolf Hitler, der in Stalingrad 220.000 Soldaten verheizte, und Mao Tse-tung, der im Korea-Krieg so lange immer neue Wellen faktisch unbewaffneter Rotarmisten als Kugelfang ins feindliche Feuer schickte, bis selbst der nachschubstarken US Army die Munition ausging.

Solche Albträume müssen erzählt werden, um die neueste Dimension des Kriegs zu verstehen. In den Sechzigerjahren fürchtete der britische Geschichtsphilosoph Arnold Toynbee eine sich eskalierende Entmenschlichung des Krieges, weil die Mannschaften an den Abschussrampen des Atomzeitalters “das Weiße in den Augen des Gegners nicht mehr sehen” und somit zum Mitgefühl nicht mehr fähig sind – der millionenfache Tod per Knopfdruck. Heute geht es um ferngesteuerte “chirurgische Präzision” auf dem Schlachtfeld. Aber es ist unsinnig, wenn Drohnen von manchen Politikern deshalb abgelehnt werden, weil sie ungleiche Chancen böten, technisch asymmetrisch, also unfair seien.

Aber im Krieg geht es nicht um Fair Trade, sondern ums Überleben und Siegen. Kampfroboter sind die Waffe des technisch überlegenen Westens. Drohnen, per Joystick unter Berücksichtigung der Arbeitszeitordnung von computerisierten Büroarbeitsplätzen in den USA aus gesteuert, halten die Taliban in Afghanistan nieder und die Kosten klein, monetär wie menschlich: keine eigenen Toten, Verletzten, trauernden Angehörigen. Die Soldaten der Infanterie, früher billiges Kanonenfutter, sind heute hochgerüstete High-Tech-Krieger. Anders könnte die Bundeswehr nicht mehr antreten: So viele Soldaten wie noch im Kalten Krieg – das wäre wegen des Rückgangs der Bevölkerung nicht mehr möglich und auch nicht mehr finanzierbar. Hoher Kapitaleinsatz, gesteuert von einigen Spezialisten, ersetzt Divisionen, so wie in der Industrie Roboterstraßen die Arbeitermassen verdrängten. Als Arbeitgeber kann die Bundeswehr nicht mehr Wehrpflichtige zum Spottpreis ausheben, sondern konkurriert um Computerspezialisten mit anderen Arbeitgebern. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn Sprecher der Grünen davon reden, dass durch Drohnen die Chancen auf dem modernen Schlachtfeld ungleich verteilt wären: aber hoffentlich! Über den Blutfeldern von Verdun zog Baron Manfred von Richthofen im klapprigen Jagdflugzeug seine Kreise; er galt als letzter ritterlicher Soldat im Duell Mann gegen Mann. Der edle Zweikampf Mann gegen Mann wie Achill gegen Hektor vor Troja oder Richthofen gegen seine fliegenden Standesgenossen – das ist die Verschleierung der unbarmherzigen Brutalität des Kriegs.

Moderne Demokratien verwandeln mit High Tech Schwäche in Stärke: Kaum jemand ist mehr bereit, sich selber zu opfern. Soldaten gelten als knappe Ressource und betrachten sich selbst nicht als zukünftige Helden des Vaterlands, sondern hängen am Jobticket und einem familienkompatiblen Arbeitsplatz. Schön war Krieg noch nie.

(Erschienen auf Wiwo.de am 01.06.2013)

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