Prozess gegen Bremer Pfarrer geht vor Gericht in die nächste Runde

Der Prozess gegen einen Bremer Pastor wegen mutmaßlicher Volksverhetzung wird erneut verhandelt. Inwieweit hat man es in diesem Fall mit einer politischen Justiz zu tun, die aus politischer Korrektheit ein Exempel statuieren möchte und deshalb den Fall noch einmal neu aufrollt?

Was ist Volksverhetzung? Da twittert ein mittelbekannter deutscher Autor: „Sahra Wagenknecht ist einfach nur die leere Hülle eines seelisch und menschlich komplett verdorbenen Zellhaufens. Man sollte sie nicht in Talkshows einladen, sondern therapieren. Widerlich.“ Ist so etwas Volksverhetzung gegen Sahra Wagenknecht?

Ich kann Sie be(un)ruhigen. Tausende machten ihre Herzchen unter diesen Tweet, und zeigten damit, dass sie dessen Inhalt goutieren. Und es sieht nicht so aus, als käme der Verfasser vor irgendein deutsches Gericht. Warum auch? Die Zeilen richten sich gegen Wagenknecht und ihre Friedensbewegung. Damit liegt der Tweet konformistisch auf Linie des politmedialen Mainstreams. Und auf dieser Linie scheint man nieder, hässlich, entwürdigend, dehumansierend, pathologisierend rumpöbeln zu dürfen. (Twitter hat diese Textbotschaft für die Nutzer in Deutschland mittlerweile zurückgehalten.)

Bei Pfarrer Olaf Latzel aus Bremen sieht das anders aus. Er ist in der kirchlichen Szene bekannt dafür, dass er „Genderdreck“ nicht mag und dass er die öffentlich propagierte Homosexualität als eine „Degenerationsform der Gesellschaft“ ansieht. Solche Äußerungen sind gegen den Zeitgeist. Solche Äußerungen haben zur Folge, dass Latzel und seine Gemeinde immer wieder zur Zielscheibe von aggressiven Gewalttaten wurden.

2019 hielt Latzel in freier Rede einen 105-minütigen Youtube-Vortrag „Biblische Fahrschule zur Ehe“. Darin sagte er zwei Sätze, die wohl eher aus den dunklen Ecken seiner Seele kamen und die große Konsequenzen für ihn haben sollten: „Diese Homolobby, dieses Teuflische, kommt immer stärker, immer massiver, drängt sich immer mehr hinein.“ Und dann: „Überall laufen diese Verbrecher herum vom Christopher-Street-Day.“

So schrecklich ich diese beiden Sätze finde, so bemerkenswert finde ich die Reaktion von Olaf Latzel. Er löschte das Eheseminar auf Youtube und entschuldigte sich öffentlich: „Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich generell alle Homosexuellen für Verbrecher hielte, so will ich mich dafür entschuldigen und klarstellen, dass dieses selbstverständlich nicht meine Meinung ist.“ Diese Entschuldigung hat Latzel mehrfach wiederholt. Doch mittlerweile waren bei der Polizei mehrere Strafanzeige gegen ihn eingegangen, unter anderem vom „Zentrum für queeres Leben“ und vom „Christopher Street Day Bremen“.

Es beginnt ein juristischer Verhandlungsmarathon wegen Volksverhetzung. Daran hängt für den Pfarrer und Kirchenbeamten Latzel ein kirchliches Disziplinarverfahren, das nach Abschluss der Gerichtsverhandlungen beginnen wird.

Ich will kurz die bisherigen Stationen skizzieren:

  • November 2020: Das Amtsgericht verurteilt Olaf Latzel wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
  • Mai 2022: Das Landgericht Bremen hebt das Urteil des Amtsgerichts auf.
  • Februar 2023: Das hanseatische Oberlandesgericht hebt das aufhebende Urteil des Landgerichts Bremen auf; der Fall muss vor einer anderen Kammer des Landgerichts erneut behandelt werden, weil das Landgericht den 105-minütigen Ehevortrag von Latzel nicht komplett in der Urteilsbegründung wiedergegeben hatte, sondern nur die vermeintlich strittigen Passagen.

Der Spiegel schreibt zu diesem Fall unter anderem: „»Im Zuge der Waffengleichheit« beantragt Latzels Verteidiger daraufhin die Verlesung der Berufungsbegründung. Dem Pastor sei es schließlich eine »Herzensangelegenheit« gewesen, das Verfahren ohne öffentliche Hauptverhandlung gegen Zahlung einer Geldauflage zu beenden. »Die Bereitschaft, einer Einstellung nach Paragraf 153a Strafprozessordnung zuzustimmen, besteht weiterhin«, sagt der Anwalt geflissentlich. Doch die Staatsanwältin beharrt auf das öffentliche Interesse, eine Einstellung komme nicht infrage.“

Erlauben Sie mir als Nichtjuristen einige kritische Anfragen zu diesem Fall:

Können zwei Sätze, für die der Autor mehrmals um Entschuldigung bittet, noch eine Volksverhetzung sein? Nimmt eine öffentliche und wiederholte Entschuldigung nicht jeder Volksverhetzung den Wind aus den Segeln?

Was wird in Moscheen über die Genderideologie und über Homosexualität gepredigt? Wie streng gehen die Gerichte Bremens gegen Imane und Muslime vor, die in Bezug auf Homosexualität und den Christopher-Street-Day verurteilend sprechen und predigen?

Ist in der evangelischen Kirche die politische Korrektheit beim Thema Homosexualität wichtiger als die Vergebung und Gnade Jesu Christi nach einer aufrichtigen Entschuldigung? Kann die Kirche nicht mit gutem Vorbild vorangehen, Olaf Latzel die gelbe Karte zeigen und ihn zu einem Diskussionsabend im queeren Zentrum verpflichten – und dann ist die Sache gegessen?

Wie will die evangelische Kirche ihre ökumenischen Beziehungen zu den Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gestalten, die in puncto Homosexualität zu großen Teilen wesentlich ablehnender sind als Olaf Latzel? Wenn sie Pfarrer Latzel wegen dieser Äußerungen aus dem Pfarrberuf ausschließen will (was noch nicht entschieden ist), dann muss sie logischerweise fast alle ökumenischen Beziehungen zu Partnerkirchen weltweit beenden.

Wenn in Deutschland Verbrecher aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil die Strafverfahren von der Justiz nicht zeitgerecht abgearbeitet werden können, wie kann dann die Justiz diesen langen Prozess in diesem Fall rechtfertigen? Macht die Justiz sich mit diesem unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand nicht lächerlich? Arbeitet die Justiz an ihrer eigenen Delegitimation?

Drängt sich hier nicht der Eindruck auf, dass es sich bei Pfarrer Latzel um einen politischen Prozess handelt? Haben wir es mit einer politischen Justiz zu tun, die aus politischer Korrektheit ein Exempel statuieren möchte und deshalb den Fall noch einmal neu aufrollt?

Wir dürfen gespannt sein, wie viele Jahre dieser Prozess noch weitergehen wird. Das einzig Positive: Wenn sich jetzt alle Beteiligten mit dem 105-minütigen Vortrag „Biblische Fahrschule zur Ehe“ befassen müssen, dann könnte es sein, dass diese Justiz-Posse zumindest dem ehelichen Verkehr in Bremen weiterhilft.

PS: Pfarrer Olaf Latzel in Bremen ist der Bruder von Präses Thorsten Latzel in Düsseldorf, der an der Spitze der Evangelischen Kirche im Rheinland einen völlig anderen Kurs fährt.

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Kommentare ( 20 )

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Manfred_Hbg
1 Jahr her

Zitat(e): „Drängt sich hier nicht der Eindruck auf, dass es sich bei Pfarrer Latzel um einen politischen Prozess handelt? Haben wir es mit einer politischen Justiz zu tun, die aus politischer Korrektheit ein Exempel statuieren möchte und deshalb den Fall noch einmal neu aufrollt?“ > Dies sind – wie ich meine, die zwei entscheidenden Sätze welche jeweils mit einen dicken JA zu beantworten sind. Man kann über unsere unter der grün-linken Merkel-CDU gewordenen hohe politische Kuschel- und Haltungsjustiz nur noch verachtlich den Kopf schütteln. Möge sich -auch- für den Pfarrer Latzel eine Gerichtbarkeit finden welche auf den juristischen Boden der… Mehr

Britsch
1 Jahr her

erinnert mich an Erzählungen meiner Vorfahren
wie es im Dritten Reich zuging
Wo bleibt überhaupt das Recht auf freie Meinungswäußerung?

Last edited 1 Jahr her by Britsch
Buergerliche Buergerin
1 Jahr her
Antworten an  Britsch

Woher hatten Ihre Vorfahren solche Informationen? Meine Oma meinte immer wieder: „Kinder, irgendwie munkelte man so etwas, aber nichts Genaues wusste man.“ Man hatte halt nur so ein unklares Gefühl, dass da was nicht stimmte. „man munkelte“ (vermutlich pommersch) heisst soviel, wie: man sprach untereinander darüber, wusste aber nichts Genaues, es war nicht ein „man flüsterte“. Sie war als einfache, dennoch intelligente und sensible Christin kein Nazi (Nazis gab es allerdings auch bei den ganz Frommen genügend, und leider auch wieder Coronajünger in der heutigen Zeit). Ich habe oft darüber nachgedacht, ob die Leute damals merkten, wenn sie ganz normale… Mehr

Britsch
1 Jahr her

Um das ganze etwas „anzureißen“ Nach den Erzählungen meiner Vohrfahren Standen bei einigen ihre damaligen Bekannte unangemeldet Männer in Langen Ledermäntel vor der Tür einige wurden auch gleich mitgenommen. Manche sind nie Mehr aufgetaucht. Mein Großvater hatte eine Orthopädie Schuhmacherei da war öfter die Gestapo da und hat ihn „Ermahnt“. Er und auch meine Großmutter wurden auch öfter vorgeladen. Sein Geschäft galt aber als „kriegsrelevant“ (weiß nicht mehr wie genaue Bezeichnung). Meine Oma hat auch den Kontakt zu Jüdischen Ladenbesitzen nicht wie verlangt abgebrochen, Bis diese verschwunden sind (abgeholt wurden) Das gab natürlich auch „Ärger“ Schließlich sah sich mein Großvater… Mehr

Buergerliche Buergerin
1 Jahr her
Antworten an  Britsch

Danke für die Antwort. Auf dem Lande und in den kleinbürgerlichen Verhältnissen blieb es wohl nahezu im Dunkeln. Solche Heimsuchungen hätte meine Oma uns berichtet. Die Entwicklung zur Diktatur ist vollzogen! Auswandern als Ihr kleiner Nebensatz greife ich einfach einmal hier etwas näher auf (könnte ja jemand an unseren bescheidenen Erfahrungen der letzten Jahre interessiert sein): Wir sind selber im Ausland, nicht ungern, für Wohltätigkeitsarbeit/charity. Den Weggang haben wir als Familie gut verkraftet, die Entwicklungen im dunklen Herzen Europas hören wir von Freunden oder lesen hier oder bei Reitschuster. Die Geschwindigkeit der Entwicklungen erstaunt uns noch manchmal. Sollte es uns… Mehr

Lebensfreude
1 Jahr her

Gute Idee: Olaf Latzel zur Diskussionsveranstaltung im queeren Zentrum. – Besser miteinander diskutieren als übereinander lästern.

libelle
1 Jahr her

Der Volksverhetzungsparagraph ist DAS Kainsmal an der Stirn des sich „demokratisch“ nennenden aber in der Realität doch totalitären Staates. Man kann nur Eins haben entweder Meinungsfreiheit oder Volksverhetzungsparagraph. Ein Prozess wegen Volksverletzung in einem Staat, in dessen Grundgesetz die Meinungsfreiheit garantiert ist, ist Rechtsbeugung.

Melly
1 Jahr her

Selbstverständlich sind das politische Prozesse, dabei ist es egal ob Homo- Ehe, Corona, Klima u.s.w.die Themen sind. Die Justiz ist mittlerweile ein Lakai der Medien b.z.w.des Politbüros! Dort wird bestimmt wer geschlachtet werden muss. Was das Grundgesetz wert ist, haben uns ja gerade unsere Leimkasper gezeigt!!! Wir stehen nicht vor einer Diktatur, nein wir sind schon mitten darin!! Das Wort „Volksverhetzer“ stammt aus düsteren Zeiten und wir immer dann gebraucht, wenn etwas zur Schau gestellt werden muss. “ über sieben Brücken“ ist von Karat. Der „Peter“ aus Rumänien hat dann viel Geld mit dem Stück verdient! Es gibt aber auch… Mehr

Biskaborn
1 Jahr her

Drängt sich hier nicht der Eindruck auf, dass es sich bei Pfarrer Latzel um einen politischen Prozess handelt? Haben wir es mit einer politischen Justiz zu tun, die aus politischer Korrektheit ein Exempel statuieren möchte und deshalb den Fall noch einmal neu aufrollt?
Das ist Fazit und Kernsatz des Artikels. Wir haben es eindeutig mittlerweile mit einer politischen Justiz in diesem Land zu tun. Wann eröffnet die EU ein Verfahren diesbezüglich gegen Deutschland?

Ede Kowalski
1 Jahr her

In der Vorstellung der Meisten dürfte Volksverhetzung ein Delikt ein, das nur von einigen Wenigen begangen werden kann. Auf die Idee, daß es fast eine komplette politische Klasse, eine Regierung und eine quasi gleichgeschaltete Presse sein könnten, die ein ganzes Volk verhetzen und spalten, scheint noch niemand gekommen zu sein.

Aletheia
1 Jahr her

Panta rhei!
Alles ist im Fluß.
Franz Josef Strauß rief mir einmal vor vielen, vielen Jahren bei einer politischen Veranstaltung, als ich an einer falschen Stelle seiner Rede Beifall klatschte, zu:
…manchen Menschen könne man die Dummheit schon im Gesicht ansehen.
Ich war damals schwer empört,
Mittlerweile denke ich, wenn ich mir so das personifizierte, politische Spektrum Deutschlands anschaue, – und nicht nur das – FranzJosef Strauß hatte irgendwie doch recht.
Es ist wahrscheinlich so wie die stark spirituell inspirierte, ostdeutsche Musik-Kapelle Puhdys einst in „ über sieben Brücken“ dichtete und sang:
„…manchmal haßt man das, was man doch liebt….“

Reinhold
1 Jahr her
Antworten an  Aletheia

Ich kenne Ihr Gesicht zwar nicht, aber der genannte Song ist von Karat.

StefanZ
1 Jahr her

Was ist schlimmer? Schwul oder Nazi? Nazi darf man ja jeden mit anderer Meinung ungestraft nennen. Volksverhetzung, die Missachtung des Grundgesetzes und des Rechts auf freie Wahlen erlebe ich beinahe täglich. Von wem, brauche ich hier wohl nicht zu erörtern. Wo bleiben da die Anklagen?

Jens Frisch
1 Jahr her

Haben wir es mit einer politischen Justiz zu tun?“
Politische Justiz, poltische Kindergärten, Schulen und Unis, politsche Redaktionen, politische Staatsanwaltschaften, politische Richter, politische Unternehmer… ALLES in einem kommunistischen System ist „politisch“.

„Ein kommunistisches Regime erkennt man daran, dass es die Kriminellen verschont aber die Opposition kriminalisiert.“
A. Solschenizyn

Buergerliche Buergerin
1 Jahr her
Antworten an  Jens Frisch

Ja, Herr Frisch, und deshalb bewundere ich auf der einen Seite alle Redaktionen der kritischen Presse, die sich noch halten kann, über ihr Geduld und Energie, die sie in ihre Arbeit stecken – und auf der anderen Seite frage ich mich, ob es nicht in diesem dunklen Land „Perlen vor die Säue werfen“ darstellt, mit grosser Mühe und Hingabe kritische Meldungen zu bringen. Ich persönlich könnte mit der Art eines „Eheseelsorgers Latzel“ vermutlich nicht so viel anfangen. Es gibt aus meiner Einschätzung keinerlei Grund, in einem Ehevorbereitungsseminar über politischen Strömungen herzuziehen. Die Leute kommen ja mit einem anderen Bedürfnis. Doch… Mehr