Rumänien wählt und Brüssel knirscht mit den Zähnen

Während Brüssel von „Brandmauern“ träumt und im DSA blättert, fegt Rumäniens Wählerschaft all das mit einem Wutschrei vom Tisch. George Simion ist kein Unfall, sondern die Quittung für Korruption, Arroganz und politische Bevormundung – und ein Menetekel für ganz Europa.

IMAGO - Collage: TE

Oh, Rumänien, du unberechenbares Kind Europas! Kaum hat man dich für einen Moment aus den Augen gelassen, drehst du das politische Roulette-Rad neu. George Simion, der Mann mit dem Charme eines Bukarester Hooligans und der Rhetorik eines TikTok-Tribuns, hat die erste Runde der wiederholten Präsidentschaftswahl am 4. Mai 2025 mit etwa 40 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Während die Stichwahl am 18. Mai gegen den proeuropäischen Nicușor Dan ansteht, sitzt die EU-Kommission in Brüssel vermutlich mit einem extrastarken Espresso sowie einem Nervenzusammenbruch in spe und beratschlagt. Wie konnte das passieren? Und warum fühlt sich das Ganze an wie ein satirischer Polit-Thriller, in dem die Pointe immer noch auf sich warten lässt?

Rumänien, das Land der Überraschungen

Man muss Rumänien zugutehalten: Es versteht sich auf dramatische Wendungen. Nachdem die Präsidentschaftswahl im November 2024 wegen angeblicher russischer TikTok-Unregelmäßigkeiten annulliert wurde – eine Geschichte, die klingt, als hätte sie ein Drehbuchautor mit Hang zu Verschwörungstheorien erfunden – mussten die Rumänen erneut an die Urnen. Călin Georgescu, der damalige Sieger, wurde ausgeschlossen, weil er offenbar zu viele rote Linien einer herrschenden Gruppe von Auserwählten überschritten hatte. Hierzu zählen die angeblich fragwürdige Finanzierung des Wahlkampfes und die Vorliebe für Kreml-nahen Populismus. An seine Stelle trat George Simion, der Chef der ultranationalistischen AUR-Partei, der sich selbst als Retter der rumänischen Seele inszeniert und dabei die Unterstützung von Georgescus Anhängern eingesammelt hat.

Simion ist ein Phänomen, wie es nur Rumänien hervorbringen kann. Einst ein Fußball-Hooligan, der im Parlament schon mal handgreiflich wurde, hat er sich zum glatt-polierten Rechtspopulisten gewandelt, der mit einem Lächeln die EU kritisiert und gleichzeitig verspricht, Georgescu „Gerechtigkeit“ zu verschaffen – vielleicht sogar als Ministerpräsident. Seine Botschaften sind simpel: nationale Autarkie, Nein zur Ukraine-Hilfe und ein großes „Hmpf!“ in Richtung Brüssel. Und die Rumänen? Sie lieben es. Oder zumindest 40 Prozent von ihnen. Das ist in einem Land, dessen Geschichte von Korruption, Armut und Enttäuschung über die Eliten geprägt ist, eine große Leistung.

Brüssel in Panik

In den gläsernen Hallen der EU-Kommission dürfte die Stimmung so frostig sein wie ein Januar in den Karpaten. Simions Erfolg ist ein Schlag ins Gesicht der proeuropäischen Ordnung, die Rumänien mit herzzerreißenden Druck in die westliche Familie integrieren wollte. Die Kommission, die bereits wegen der angeblichen TikTok-Manipulationen ein Verfahren gegen die Plattform eingeleitet hat, muss sich jetzt fragen: Wie konnte ein Kandidat, der die EU eher als Bürokraten-Monster als eine Wertegemeinschaft sieht, so viele rumänischen Herzen erobern?

Die Antwort ist so banal wie ärgerlich: Die Rumänen sind sauer. Nicht auf die EU an sich – Umfragen zeigen, dass Rumänien zu den EU-begeistertsten Ländern gehört –, sondern auf die eigene politische Elite, die Korruption und Vetternwirtschaft wie ein Nationalgericht serviert. Mit seinem Anti-Establishment-Gehabe verspricht Simion dieses Vakuum zu füllen. Während die EU-Kommission hektisch nach Beweisen für ausländische Einflussnahme sucht, muss sie sich eingestehen, dass keine Manipulation anlassgebend war, sondern die Enttäuschung der Wähler. Das ist bitterer als jeder Schnaps aus Transsilvanien.

Man kann sich die Szene in Brüssel lebhaft vorstellen: Ein Kommissar blättert verzweifelt in den Regelwerken des Digital Services Act (DSA), ein anderer murmelt etwas von „demokratischen Werten“, und ein dritter schlägt vor, TikTok einfach komplett zu verbieten, um zukünftige „Simions“ zu verhindern. Doch die Wahrheit ist: Simion ist kein Algorithmus. Er ist ein Symptom der Unzufriedenheit und Übergriffigkeit. Dieses Symptom bekämpft man nicht mit noch mehr Verordnungen, sondern mit Vertrauen – etwas, das die rumänische Politik seit Jahren verspielt hat.

Die Stichwahl und die „Brandmauer auf Rumänisch“

Die Stichwahl am 18. Mai 2025 wird zum Showdown. George Simion gegen Nicușor Dan, den parteilosen Bürgermeister von Bukarest, der als liberaler Reformer gilt und von vielen als letzte Bastion gegen einen Rechtsruck gesehen wird. Experten sind sich einig: In der Stichwahl könnten sich die anderen Parteien zu einer „Brandmauer auf Rumänisch“ zusammenschließen, um Simion zu stoppen. Klingt heroisch, oder? Doch in Wahrheit ist es ein verzweifelter Akt, der den Graben in diesem Land nur noch deutlicher macht.

Selbst wenn Dan gewinnt, bleibt das Problem: Simion und seine Anhänger sind nicht weg. Seine 40 Prozent sind ein lautes Signal, dass ein großer Teil der Rumänen genug von Korruption, Armut und der Arroganz der Eliten hat. Und die EU? Sie wird weiterhin mit Argusaugen auf Rumänien blicken. Vielleicht auch mit einer Mischung aus Tadel und schlechtem Gewissen, weil sie die soziale Ungleichheit im Land nicht energischer angegangen hat.

Von Rumänien sollte Deutschland lernen

Die Wiederholungswahl in Rumänien ist mehr als nur ein nationales Drama – sie ist ein Spiegel für Europa. Simions Erfolg zeigt, dass Populismus nicht durch Verbote oder Gerichtsurteile besiegt werden kann, sondern durch Politik, die die Menschen erreicht. Versucht die Politik mit Druck, Zwang und Übergriffigkeiten ein Symptom der Unzufriedenheit zu verbieten, wird es an anderer Stelle erneut erblühen. Womöglich sogar stärker als je zuvor. In Brüssel mag man sich über Simion ärgern. Der wahre Ärger sollte jedoch der eigenen Unfähigkeit gelten, die Gräben in Ländern wie Rumänien zu schließen. Bis dahin bleibt Simion für viele der ungebetene Gast auf der europäischen Party, der mit einem breiten Grinsen die Tanzfläche entert und die Gastgeber in Verlegenheit bringt.

Und wer weiß? Vielleicht sitzt die EU-Kommission nach der Stichwahl wieder mit ihrem Espresso da – entweder erleichtert, weil Dan gewonnen hat, oder mit einem Kater, weil Simion Rumänien in eine neue Ära führt. Eins ist sicher: In Rumänien wird es nie langweilig.

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Kommentare ( 37 )

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37 Comments
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Peter Pascht
13 Tage her

George Simion auf geschichtlichen Spuren,. Wie schon immer gegen die Juden, lange vor den Nazis, nun gegen die Ungarn, denn die Deutschen sind schhon alle geflohen nach Deutschland, vor dem rumänischen Chauvinismus. In Rußland hat die Juden frage wenigstens den Vorzug des offenen aufrichtigen Judenhasses, In Rumänien dagegen wird gegen die Juden selbst nichts unternommen, bewahre. All die Ausnahmegesetze Reglements und Verordnungen richten sich nur gegen die Fremden und daß die Juden Fremde sind, das ist einfach ihr Pech. Die Regierung kann ja nichts dafür (sic)Ja so berühmt hat sich der rumänische Staats antisemitismus gemacht, daß als in der ersten… Mehr

Teiresias
13 Tage her

Simion stellt weder die EU noch die NATO in Frage – im Gegensatz zu Georgescu.
So steht er den EU-Projekten von Ukraine bis Bargeldabschaffung nicht im Wege.
Simion ist der Mann des kernkorrupten Rumänien, kein Mann des Volkes.
Für die EU bedeutet das, wenn sie die rumänische Korruption mit Geld füttern,steht Rumänien den globalistischen Zielen nicht im Weg.
Aus EU-Sicht ist das vielleicht nicht ideal, aber sie können gut damit leben.
Simion ist keine politische Zeitenwende, sondern letztendlich ein Deal mit der rumänischen Korruptolratie zu Lasten des rumänischen Volkes.
Die Agenda geht weiter.

MaxVanMoritz
14 Tage her

Vorsicht vor politisierten Fremdwörtern! Allgemein!
Populismus ist, wenn eine Regierung dem Volk dient, indem sie dem Wille des Volkes nachkommt! Demokratie ist aber die Herrschaft der Mächtigen, sonst könnte man auch Volksherrschaft sagen.

Neuheide
14 Tage her

Was soll dieses „Populismusgesülze?
In Deutschland regiert die Creme der „Zivilgesellschaft“-„wir müssen alle zusammenhalten“Könige der Populisten!

Das gewürzt durch eine Propaganda,der sich weigert,das totale Versagen der Kartellparteien nur ansatzweise zu kritisieren.

Hauptthemen der selbsternannten Qualitätsjournalie…
Hass und Diffamierung gegen die Opposition unter Ausschluss der Opposition.

Sonny
14 Tage her

Das schönste an dieser Geschichte ist für mich die Vorstellung, mit welchen Bauchschmerzen diese Autokraten in Brüssel jetzt zu kämpfen haben.
Wundervoll! Irgendwie so was wie ausgleichende Gerechtigkeit.
Und Rumänien wird nicht das einzige Land bleiben, in dem der Widerstand gegen eine übergriffige EU wirklich spürbar wird.

Peter Pascht
14 Tage her
Antworten an  Sonny

lesen sie meinen Kommentar.
Das Ergebnis der Wahl in Rumänien richtet sich nicht gegen „Brüssel“.
Für seine Positionen gegen „Brüssel“ wurde der Kandidat nicht gewählt.
Gewählt wude er, weil er einen extremen xenophoben Nationalismus vertritt,
Was bei den meisten Rumänen anklng findet.

Ombudsmann Wohlgemut
14 Tage her
Antworten an  Peter Pascht

…was in sich eine Position gegen Brüssel darstellt.
Keiner hat was gegen eine vernünftige EU, aber kein vernünftiger Mensch will eine übergriffige EUdSSR, die keinen Nationalismus duldet und von Demokratie keine Ahnung hat.

Peter Pascht
14 Tage her

„Brüssel“, die EU ist keine Erfidung der Neuzeit. Die Idee eines „Vereinten Europa“ wurde schon vor 1200 Jahren umgesetzt mit dem „Carolingischen Reich“, das von den Pyrenäen bis zu den Karpaten reichte und von der Ostsee bis zu den Alpen. „Carl der Große“ (ein deutscher Franke) hat sein gesamtes Reich neu gestaltet mit Gesetzen und Normen die zum Teil auch heute noch gelten. Im Zuge der französichen Xenophobie gilt „Carl der Große“ heute in Frankreich als Franzose. (*) – gemeinsame Schrift, „Carolingische Minuskel“ (*) – ein eineitliches Finanz- und Wirtschhaftsystem (*) – „Euro“ = „Carolingische Denar“ (*) – „EU-Normen“ =… Mehr

Last edited 14 Tage her by Peter Pascht
Peter Pascht
14 Tage her

Artikel Thema verfehlt !!!
Das Ergebnis der Wahl in Rumänien richtet sich nicht gegen „Brüssel“.
Für seine Positionen gegen „Brüssel“ wurde de Kandidat nicht gewählt.
Gewählt wude er, weil er einen extremen xenophoben Nationalismus vertritt, Teil der „hegemoniellen Kultur“ in Rumänien, eingeführt in der Zeit der Diktatur des Ceausescu.

Schmidtrotluff
14 Tage her
Antworten an  Peter Pascht

Was ist daran schlecht ? Wohin gehört Lemberg ? Wohin gehört die Moldau ? Wohin gehört Cernowiz ? In diesem Kontext ist xenophob ein Witz. Diese Landstriche haben die Vielfalt gelebt. Es hat funktioniert. Es ist lange her, aber es war REALITÄT.
Es war sogar viel größer. Da sind/ waren Armenier, Griechen, Juden, Griechen, Araber, etc. etc. …
Erstes Gebot ist: die Ansässigen entscheiden es selbst.
Mein Gott, was ist Brüssel ? Das ist nichts gegen den europäischen Osten. Warum sind die Dümmsten am lautesten ?

Peter Pascht
13 Tage her
Antworten an  Schmidtrotluff

Was ist daran schlecht ? genaundas was sie slberr sagen. „Diese Landstriche haben die Vielfalt gelebt“ Genaudie möchte der xenophhobe Geroge Simion abschhaffen. „Erstes Gebot ist: die Ansässigen entscheiden es selbst.“ – nicht wenn es nach dem Kandidaten geht. „Wohin gehört Lemberg ? Wohin gehört die Moldau ? Wohin gehört Cernowiz ?“ Was meinen sie mit wohin? Moldau und Cernowiz (Bukowina) gehören den Rumänen wie auch Seibenbürgen das über 1000 Jahre den Ungarn gehörte – meint der rumänischhe Kandidat. Was meinen sie? Wo wollen wir anfangen, bei Adam und Eva ? Odeer da wo jeder seine chauvinistischen Vorteile sieht ?… Mehr

Last edited 13 Tage her by Peter Pascht
Peter Pascht
14 Tage her

„Rumänien wählt und Brüssel knirscht mit den Zähnen“ Zurecht !!! George Simion ist kein Unfall, er ist die Fortsetzung des xenophoben Nationalismus in Rumänien, der nationalistisch xenophoben Diktatur des „Stalinisten“ Ceausescu. Mit „Wutschrei der Wählerschaft“ hat das gar nichs zu tun. In der Republik Moldau und in der Ukraine hat er deswegen seit 2 Jahren Einreiseverbot Das sagen die Menschen in Rumänien mit akademischer Bildung. Das sagen französische Medien. Für die große Masse der Rumänen gilt das was auch in anderen Länder gilt, auch im „Land der Dichter und Denker“: „Dumm, dumm, aber viele“ (Zitat eines rumänischen Schriftstellers) Der konstruiete… Mehr

Last edited 14 Tage her by Peter Pascht
Haba Orwell
14 Tage her

> George Simion ist kein Unfall, sondern die Quittung für Korruption, Arroganz und politische Bevormundung – und ein Menetekel für ganz Europa.

Ganz nicht – der masochistisch veranlagte Michel klebt an der Woken Diktatur samt ÖRR-Propaganda. Im Alltag (zumindest westlich der Elbe) trifft man ständig Leute, welche Wokes Zeug nachplappern. Sonst würde sich Merz nicht trauen, was er so treibt.

Endlich Frei
15 Tage her

Ja, „wählen“ wird immer schwieriger, denn eine „Wahl“ soll der Wähler nicht mehr haben. Heute gilt sls“rechtsextrem“, was vor 25 Jahren nicht mal als „rechts“ galt. Kei Wunder, definiert doch das allein linksextreme Polit- und Medienspektrum die politische Haltung. Und dann darf eben eine Mohrenstraße nicht mehr Mohrenstraße heißen, weren Denkmäler gestürzt und Winnitou zum Tabu. Und die AFD natürlich „gesichert rechtsextrem“ und die rumänische Wahl ungültig….