Wenn der Kauf eines Smartphones schon zum moralischen Akt wird

Im Kulturkampf zwischen Apple und Twitter-Besitzer Elon Musk erwägt letzterer, ein eigenes Smartphone anzubieten, wenn Apple die Twitter-App aus dem App-Store entfernen sollte. Der Telefon-Kauf würde damit schon zur politisch aufladbaren Tat. Übrigens: So hart Apple gegenüber Musk ist, so hilfreich steht man dem Pekinger Regime bei.

IMAGO / NurPhoto

Der Streit zwischen Apple und dem neuen Twitter-Besitzer Elon Musk könnte möglicherweise eine Entwicklung auf die Spitze treiben, die schon seit einigen Jahren immer deutlicher das Agieren von Wirtschaftsunternehmen und das Kaufverhalten von Konsumenten prägt: Der Konsum als moralisch inspirierte oder schließlich gar politisch aufgeladene Tat, als Signal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten politisch definierten Gruppe, beziehungsweise zu deren Haltung.

Musk hatte in der ihm eigenen Theatralik eine „Schlacht um die Zukunft der Zivilisation“ angekündigt. „Wenn die freie Rede sogar in Amerika verlorengeht, liegt nur noch die Tyrannei vor uns.“ 

— Elon Musk (@elonmusk) November 29, 2022

In mehreren Tweets hatte Musk am Montag (28. November) unterstellt, dass Apple die Redefreiheit in Amerika hasse. Schließlich habe das Unternehmen seine Werbung bei Twitter nach dem Verkauf der Plattform an ihn weitgehend eingestellt. Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge gab der iPhone-Konzern pro Jahr mehr als 100 Millionen Dollar für Anzeigen auf Twitter aus. Weiter sagte Musk, Apple habe ohne Angabe von Gründen gedroht, die Twitter-App aus dem App Store zu entfernen. Von Apple gab es zunächst keine Reaktion auf die Tweets.

Musk könnte sich allerdings durch die Nachricht vom Dienstag bestätigt fühlen, dass Apple just nach den landesweiten Antiregierungsdemonstrationen in China dort das Übertragen von Dateien zwischen Smartphones einschränkt. Der Konzern rechtfertigt sich mit dem Verbraucherschutz-Argument. Aber die Kritik von vielen Seiten ist naheliegend, dass sich ausgerechnet der woke Hardware-Produzent dem Willen des Pekinger Regimes unterwirft. Die Kommunikation zwischen Smartphone-Nutzern ist von existentieller Bedeutung etwa für die Verbreitung von Demonstrationsaufrufen.

Für den Fall, dass Apple die Twitter-App aus ihrem App-Store entfernen sollte, hat Musk einen ganz zu ihm passenden Schritt öffentlich in Erwägung gezogen, nämlich: eigene Smartphones herzustellen. Er hoffe zwar, dass es nie so weit kommen werde, sei aber in einem solchen Fall bereit, ein eigenes Mobiltelefon-Projekt zu starten, hatte Musk in Reaktion auf einen Tweet der TV-Kommentatorin Liz Wheeler geschrieben, weil „locker die Hälfte des Landes (USA) gerne auf die parteiischen und schnüffelnden“ (Produkte von) Apple und Google verzichten würden“. 

Wenn dieser Fall einer direkten Konfrontation zwischen Apple und Google einerseits und Musks Twitter andererseits Wirklichkeit würde, könnte künftig jeder Kauf eines iPhones schon als Signal der Stellungnahme gegen Musk und seine Free-Speech-Haltung gewertet werden. Angesichts der schon längst offenkundigen Überempfindlichkeit zahlreicher Unternehmen, die die Stigmatisierung durch die in der Öffentlichkeit tonangebenden Meinungsmacher mehr fürchten als die Unzufriedenheit der Kunden mit ihren Produkten, wäre wohl eine Art Kulturkampf in jedem Elektronik-Fachgeschäft angesagt. Konsumenten könnten durch den Erwartungsdruck ihres persönlichen oder beruflichen Umfelds dazu verleitet werden, künftig unbedingt das Smartphone mit der richtigen „Haltung“ zu kaufen. 

Der von Institutionen wie dem Umweltbundesamt forcierte und von vielen Medien aber auch anbietenden Unternehmen selbst propagierte „moralische“ (oder auch „ethische“) Konsum betrifft bislang vor allem Lebensmittel und in etwas geringerem Maße auch Bekleidung. Dieser moralische Markt, der sich bisher meist an der Nachhaltigkeit der Inhaltsstoffe ausrichtet, könnte dann eine politisierte Ausweitung erfahren, die bislang noch erst bei Medien greift. Es geht da eben nicht nur um die materiellen Inhaltsstoffe, sondern erst recht die ideellen.

Ein Smartphone aus dem Hause Musk würde dann womöglich von vielen Menschen als unmoralisches Produkt angesehen. Umgekehrt wäre der Kauf eines Smartphones, das keinen Zugang zu einem künftig ent-woke-fizierten Musk-Twitter gestattet, in gewissen Kreisen womöglich ein politisches Tugendsignal. Dort müsste dann allerdings konsequenterweise auch auf das elektrische Tesla-Fahrzeug aus dem Hause Musk verzichtet werden. 

Anzeige

Unterstützung
oder