Null-Mehrwertsteuer ist die richtige Antwort auf die Inflation – und die beste Sozialpolitik

Endlich kommt unter dem Druck der Inflation Bewegung in die Steuerdebatte. Die Absenkung oder am besten Abschaffung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel ist richtig. Steuersenkungen für Geringverdiener sind die beste Sozialpolitik.

IMAGO / Steinach

Endlich! Endlich ist unter dem Eindruck der grassierenden Inflation der Ruf nach einer deutlichen Senkung oder gar Abschaffung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel laut geworden. Dass dieser Ruf nicht (nur) von liberaler Seite kommt, sondern nun von den Sozialverbänden und eher umverteilungsfreundlichen Ökonomen (nicht zuletzt des DIW) erschallt, ist erfreulich. 

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Mehrwertsteuer Null für Lebensmittel? Verbände fordern schnelle Entlastung
Deutschland ist ein Land, das mittlerweile rund ein Drittel seines Bruttoinlandsprodukts zu sozialen Zwecken den wirtschaftenden Bürgern wegnimmt, um es dann durch den Staatsapparat inklusive der Sozialversicherungen umzuverteilen. Dabei bleibt allerdings ein beträchtlicher Teil des eingezogenen Geldes in der aufgeblähten Umverteilungsmaschinerie selbst hängen. Der Umverteilungsstaat ist sich selbst der nächste und versorgt sich noch deutlich großzügiger als die Objekte seiner Fürsorge, denen gegenüber die Sozialpolitik dann mit euphemistischen Sprache – zum Beispiel einem „Starke-Familien-Gesetz“ – den Eindruck der Wohltätigkeit vermittelt.

Der ursprüngliche Kern des Umverteilungsstaates bestand darin, Bürger, die ohne Umverteilung keine ausreichenden Mittel zur Eigenversorgung hatten, zu versorgen – mit Mitteln, die den Steuer- und Beitragszahlern zuvor abgenommen wurden. Man war also als Bürger des Umverteilungsstaates entweder Geber oder Empfänger. 

Das hat sich im heutigen, maßlos expandierten Sozial- und Umverteilungsstaat verändert. Zu den Nur-Empfängern ist ein sehr großer Teil der Bürger hinzugekommen, die schon vor dem Abschied aus dem Erwerbsleben auf beiden Seiten an der staatlichen Umverteilung beteiligt sind. Sie sind Steuer-, Abgaben- und Beitragszahler, aber zugleich auch Empfänger von Kindergeld, Wohngeld und anderen „Leistungen“ des Sozialstaates. Ein beträchtlicher Teil des aus vermeintlich sozialen Gründen umverteilten Geldes wird also denselben Bürgern erst genommen, um es ihnen dann unter anderem Namen als vermeintlich soziale Wohltat wieder zu zahlen – nachdem der Staatsapparat selbst sich daran gütlich getan hat. Dieser hat daher ein immanentes Eigeninteresse daran, dass auch Geber zu Empfängern werden – dafür dann umso mehr geben müssen.

Ein effektiver umverteilender Sozialstaat ist immer einer, der möglichst wenig unnötig umverteilt, also vermeidet, dass Geld von Bürgern über die undichten Mühlen des Staates geleitet wird, bevor es – deutlich weniger geworden – dann wieder bei den zu Empfängern umdeklarierten Gebern selbst landet. Bei der – indirekten – Mehrwertsteuer ist das aber immer der Fall. Der Wohngeld-, Kindergeld- und auch der Arbeitslosengeldempfänger zahlt sie bei jedem Einkauf und schmiert damit die Umverteilungsbürokratie. 

Staaten mit wenig ausgeprägten Umverteilungsapparaten, etwa die meisten englischsprachigen Länder, sind darum keineswegs per se unsozial. Das ist eine Legende der deutschen Sozialpolitiker. Länder wie beispielsweise Neuseeland verteilen zwar etwas weniger an die nicht Arbeitenden, besteuern aber auch längst nicht so sehr die wenig bis durchschnittlich verdienenden, arbeitenden Menschen – die Mittelschichtfamilien. Ein verwitweter oder geschiedener Lastwagenfahrer mit zwei kleinen Kindern kann in Neuseeland ein halbwegs bürgerliches Leben aus eigener Kraft führen. In Deutschland dagegen gehört er, weil ihm der Staat deutlich höhere Steuern und Sozialabgaben abknüpft, eher zum Prekariat.

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Die Steuerpolitik, nicht der Ausbau des Sozialstaats mit immer neuen Kompensationszahlungen, ist der Hebel für eine stabilisierende, an der unteren Mittelschicht und vor allem an Familien orientierte Gesellschaftspolitik – erst recht in Zeiten steigender Inflation. Und diese Steuerlast lässt sich durch die Senkung oder am besten gleich Abschaffung der indirekten Konsumsteuer am schnellsten und unbürokratischsten senken. Denn die belastet Geringverdiener, die einen Großteil ihres Einkommens für Nahrung und Konsumgüter des alltäglichen Bedarfs ausgeben müssen, relativ deutlich schwerer als Besserverdiener, die sich keine Sorgen um die Urlaubsplanung machen müssen, wenn Milch, Brot und Benzin teuerer werden.  

Leider setzt sich diese Erkenntnis – Steuersenkung für Geringverdiener als effektivste Sozialpolitik – nun erst unter dem Druck einer extrem steigenden Inflation und entsprechender Unruhe in der Bevölkerung unter traditionell umverteilungsgierigen Sozialpolitikern durch. Offenbar übersteigt in der politischen Klasse allmählich die Furcht vor den gesellschaftlichen Auswirkungen der Inflation allmählich die Beharrungskräfte des umverteilungsstaatlichen Betriebes. Aber besser spät als nie.

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Kommentare ( 64 )

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monsalvat
1 Jahr her

Abschaffung der Mehrwertsteuer für alle Lebensmittel und Streichung der Nonsenssteuern für CO₂! Mineralölsteuer zweckgebunden für den Straßenverkehr ausgeben. Keine Reisen ins Ausland mit der Milliardenschleuder. Alle Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit dem EEG streichen. Die Bezahlung aller Abgeordneten in allen Parlamenten herunterfahren auf eine Aufwandsentschädigung, die strengstens kontrolliert werden müßte! Die Gebühren der öffentlich rechtlichen Sender abschaffen und die entsprechenden Sender hinter eine Bezahlschranke. Da gebe es noch so einiges, was man machen könnte, aber das wäre erst einmal der Anfang.

hampi88
1 Jahr her

In der ganzen Diskussion rund um die Inflation scheint dieses Land bzw. seine Politiker nur zwei Lebenslagen zu kennen: Geringverdiener und SUV-Fahrende im-Geld-Schwimmer. Erstere müssen gepampert werden, letztere haben eh zu viel und dürfen sich nicht beschweren. Dazwischen scheint es niemanden zu geben. Dabei ist die im Artikel erwähnte Mittelschicht von der Inflation genauso betroffen. Und zwar in dem Sinn, dass steigende Lebensmittelpreise und andere Preissteigerungen zwar abgefedert werden können, aber dafür viel anderes auf der Strecke bleibt. Unter anderem die gute Laune und nicht zuletzt die Altersvorsorge. Als Pendler ist man heutzutage ja fast schon Abzocker, weil die Pendlerpauschale… Mehr

Iso
1 Jahr her

Allgemein muss die Bundesregierung damit aufhören, das Geld im Ausland zu verteilen. Hier tanzt der Herr Finanzminister den sterbenden Schwan, wenn es um lumpige 7 %, für die EU spielen Milliarden keine Rolle. Als Bürger weiß man gar nicht mehr, ob es nun 20 oder 40, vielleicht auch 50 Milliarden sind, die wir an unsere „Partner“ überweisen. Wenn es wirklich Partner sind, würde ich die ewige Reichssteuer mal mit denen diskutieren.

Dieter
1 Jahr her
Antworten an  Iso

Sie haben vollkommen Recht.
Wie unser ex Außenminister Fischer so schön sagte: „Das Geld muß raus aus Deutschland, egal wie..“
Im Ausgeben anderer Leute Geld ist unsere doch recht infantile Monopoly-Politiker Kombo jedenfalls Weltklasse – leider nicht zum Nutzen derjenigen, die es mit täglicher Anstrengung erarbeitet haben

schmidthomas
1 Jahr her

Nein, nein und nochmals NEIN. Eine wie such immer geartete Mwst.-Senkung bringt gar nichts, denn sie bekämpft nicht die Ursache der Misere.Wir brauchen einen radikalen Wechsel der Energie-und Klimapolitik. Das herumdoktern an Symptomen bringt gar nichts. Es ist für mich zutiefst befremdlich, dass dies selbst die Leute bei Tichys Einblick nicht verstehen können oder wollen.EinnEinblick reicht nicht. Es fehlt der Durchblick!

Schwabenwilli
1 Jahr her

„Zum Beispiel einem „Starke-Familien-Gesetz“

Schon allein die Namensgebung, anderes Beispiel “ gute Kita Gesetzt“, bezeugt doch ganz klar mit was für infantilen Gestalten wir es hier zu tun haben.

Brotfresser
1 Jahr her
Antworten an  Schwabenwilli

Bedenken Sie (Stichwort Produktpräsentation beim Homeshopping): Wenn die Menschen wie Vierjährige angesprochen werden, reagieren sie in aller Regel auf der intellektuellen Ebene Vierjähriger!
Das bedeutet, dass die Infantilisierung der Politik, die Sie hier völlig zurecht beklagen, zwangsweise in die Gesellschaft schwappt. In der traurigen Gestalt der „letzten Generation“ schwappt es jetzt sogar schon zurück!

humerd
1 Jahr her

null Mehrwersteuer auf Lebensmittel ? Dann bitte auch noch Rückerstattung aufgebunkertes Salatöl und Mehl. Solange die Deutschen weiterhin Hamsterkäufe tätigen, ist die Inflation noch niedrig. Solange die Deutschen weiterhin shoppen gehen bis zum geht nicht mehr, ist die Inflation noch niedrig. Die Leute hätten einen Einfluss, würden sie endlich mal nicht mehr mitmachen und die Waren in den Regalen liegen lassen. Selbst junge Menschen rennen in die Innenstädte und kaufen die neueste Mode, noch immer wollen sehr viele das neueste Smartphone haben etc.
Nicht nur die Energiepreise und die Steuern sind Inflationstreiber, es sind schon auch die Käufer im Lande.

Or
1 Jahr her

Als Anschauungsmaterial dazu, empfehle ich jeden Dienstag Felner Live auf OE24. Zwei Diskutanten, rhetorisch auf Augenhöhe, der Eine v. Links, d. Andere v. Rechts.

Gerald Grosz – v. Rechts – schlug gegen die exorbitanten Spritpreise eine einfache temporäre Preisdeckelung vor. Wurde v. Linker Seite vehement abgelehnt, da diese auch dem Besserverdiener zugute käme. Stattdessen plädierte dieser für ein maximal kompliziertes Konstrukt, bei dem jeder anders bezahlt u. d. Geringverdiener noch v. Staat direkte Zuschüsse bekommt.

Wie das aber umzusetzen wäre, konnte er auch nicht sagen.

Ich hab keine weiteren Fragen.

Dieter
1 Jahr her
Antworten an  Or

das hat Ungarn wohl so gemacht . .. Geht also schonmal gar nicht (…)
Außerdem: der Rohölpreis beträgt aktuell nur ca bei 66% vom Höchskurs vor ein paar Jahren. Damals kostete das benzin ca 1,50€/l . Sprich die Differenz heute ist reingewinn der Ölkonzerne – und des Finanzministeriums (ca 10ct pro Liter)
Warum also die Preise Deckeln? Autos sollen doch sowieso weg und in anderen Bereichen gibt der Handel die Kosten weiter – und das Finanzministrium gewinnt wiederum durch die dann höhere Umsatzsteuer..

Boris G
1 Jahr her

Ministerpräsident Bouffier kalkuliert mit wahren Kosten für einen Migranten von 3500 Euro pro Monat. Nimmt man eine Million auf, müssen jedes Jahr über 40 Milliarden Euro von den Einheimischen abgezweigt werden.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Jahr her

Das wird niemals realisiert werden. Erstens werden damit keine hochdotierten Versorgungspöstchen für Bürokraten geschaffen, deren Behördenleiter aus dem Fundus „verdienter“ Parteifunktionäre stammen. Und zweitens werden Grüne und SPD sofort entsetzt aufschreien, dass davon schließlich auch „die Reichen“ profitieren würden. Und das geht natürlich gar nicht. Also werden sie wieder so eine typisch deutsche – natürlich vollkommen ineffiziente – „Kompromisslösung“ finden, nur damit die „Reichen“ garantiert nichts davon haben (so wie das 9 Euro-Monats-Ticket für den ÖPNV, weil sich kein Millionär in einen Bummelzug setzen wird, um von Hamburg nach München zu kommen) und die am Ende überhaupt niemanden wirklich entlasten… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Ceterum censeo Berolinem esse delendam
Abendroete
1 Jahr her

Wenn ich für ein Lebensmittel 15%mehr bezahlen muss, ist der Zenit längst überschritten. Ganz zu schweigen von den Energiepreisen.Habe keine Lust mehr Weltrettung und kriminelle Politiker durch meine Arbeit zu finanzieren.