Die FDP muss jetzt die Ampel abschalten, nicht nur im eigenen Interesse

Nach dem Rote-Linien-Beschluss der Grünen zur Kernkraft kann die FDP eigentlich nur noch die Koalition verlassen, wenn sie sich einen Rest von Selbstachtung und Verantwortungsgefühl für das Land bewahrt hat.

IMAGO / Mauersberger
FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner nach den Landtagswahlen in Niedersachsen im Hans Dietrich Genscher Haus in Berlin, 10.10.2022

2017, als Christian Lindner noch der neue Vorsitzende einer aus dem außerparlamentarischen Nichts wieder aufgestiegenen liberalen Partei war, hatte er Koalitionsverhandlungen zu einer sogenannten Jamaika-Koalition mit Union und Grünen platzen lassen. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren!“ waren seine Worte.

Wie will Lindner nun, da er Finanzminister in einer von den Grünen dominierten Koalition ist, weiter regieren, wenn diese sich gerade auf einem Parteitag dazu entschlossen haben, die deutsche Volkswirtschaft lieber in den energiemangelbedingten Abgrund laufen zu lassen, als von ihrem Anti-Atomkraft-Dogma abzuweichen? Grünen-Chefin Ricarda Lang spricht von einer „Roten Linie“. Aber was ist mit der „Roten Linie“ der FDP? Kann es für eine liberale, auf marktwirtschaftliche Vernunft achtende Partei eine eindeutigere „Rote Linie“ geben als die Gefährdung des Überlebens der Wirtschaft und damit des Wohlstands und der Grundlagen einer liberalen Gesellschaft?

Wenn Lindner und seine gesamte Partei in den vergangenen Ampel- und Krisenmonaten noch einen letzten Rest von Verantwortungsbewusstsein vor dem Land und Achtung vor sich selbst bewahrt haben, müssen sie jetzt die Koalition aufkündigen. Oder zumindest müssten sie den Kanzler vor die Wahl stellen: Entweder du nutzt endlich deine Richtlinienkompetenz gegen die Grünen und für die Atomkraft, oder wir sind weg. Dann würde der politische Druck dorthin verlagert wo er hingehört: ins Kanzleramt. Wenn Scholz das nicht tut, müsste die FDP konsequent sein. Scholz verlöre seine Kanzlermehrheit, müsste letztlich die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen ermöglichen.

Natürlich würde durch einen Koalitionsbruch zu allen Krisen auch noch eine Regierungskrise entstehen, aber keine handlungsfähige Regierung ist die bessere Alternative zu einer Regierung, die das Land an die Wand zu fahren droht. Ohnehin kann die gegenwärtige multiple Krise, die nicht nur eine Folge des verbrecherischen Krieges von Putin ist, sondern eine Krise aufgrund falscher politischer Entscheidungen, schon bald zu einer sozialen und gesellschaftlichen Krise werden, die nach Neuwahlen ruft. Es wären Wahlen, in denen die Bürger dann letztlich die Atomkraftfrage zu beantworten hätten – wenn sich die FDP denn traut.

Mut gehört allerdings leider nicht zu den bestimmenden Charaktereigenschaften Lindners. Als er bei seinem Washington-Besuch auf die Möglichkeit des „Scheiterns“ der Koalition angesprochen wurde, bleib er windelweich: „Ich erwarte von allen Beteiligten, dass sie keine Roten Linien zeichnen, sondern Horizont erweitern.“

Der Ruf nach dem Ende der Koalition kommt immerhin auch schon aus der FDP selbst. Auch wenn es bislang ein einsamer Rufer wie der frühere Bundestagskandidat Holger Franke ist.

Ein anderer früherer FDP-Spitzenpolitiker, der ehemalige NRW-Landtagsfraktionschef Gerhard Papke hat schon vor einigen Tagen gewarnt: „Wenn die FDP so weitermacht, wird sie untergehen“.

Für Parteimitglieder, zumindest die Berufspolitiker unter ihnen, könnte das vielleicht das überzeugendste Argument sein, endlich die Reißleine zu ziehen. Aber es geht um viel mehr als das Überleben einer kleinen Partei, die ihre eigene Existenzberechtigung zu vergessen droht.

Wenn Lindner und die anderen FDP-Minister jene Nacht des 19. November 2017, als sie lieber nicht als schlecht zu regieren entschieden, schon vergessen haben, so erinnern sie sich vielleicht noch an ihren Amtseid, den sie am 8. Dezember 2021 im Bundestag ablegten: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Es geht jetzt wirklich um das Wohl des deutschen Volkes. Dafür tragen Lindner und die anderen Minister höchste Verantwortung.

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Kommentare ( 89 )

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blecki
1 Jahr her

Denn sie wissen nicht was sie tun! Unser Wirtschaftsminister sagt: „Wenn beim Gassparen alle gut geht und wir Glück mit dem Wetter haben, dann haben wir eine Chance, gut durch den Winter zu kommen“. Was ist, wenn wir kein Glück mit dem Wetter haben? Bei einem Stromausfall wird es eine sehr große Zahl von Todesopfern geben und viele Milliarden kosten und ist, wie man in der Bundes Drucksache 17/5672 (kann man downloaden) lesen kann, eine unvorstellbare Katastrophe. Diese Entscheidung der Grünen bedeutet deshalb die Inkaufnahme von Todesopfern und wäre strafbar. Notstromaggregate laufen meist nur 24 Stunden, dann werden als erstes… Mehr

Reinhard Hoffmann
1 Jahr her

Nicht nur Dick und Doof schwadronieren in Bezug auf Atom Kraftwerke von „Hochrisiko Technologie“. Das einzige Hochrisiko für Deutschland sehe ich bei den „Grünen“.

Freigeistiger
1 Jahr her

Lindners FDP muß sich entscheiden, ob sie weiterhin mit SPD und gefährlichen grünen Ideologen das Land im Interesse von Washington/Brüssel bzw. dem WEF ruiniert oder aber Verantwortung für die deutsche Wirtschaft und Bevölkerung übernimmt, also GG und Amtseid nachkommt. Letzteres würde bedeuten, alle verfügbaren, möglichst günstigen Energiequellen zu nutzen, also auch die russischen. Mit Inbetriebnahme von NS2 (verbliebene Röhre) und dem weiteren Bezug von Öl wäre die Situation wesentlich entspannter, die Inflation ginge rasch zurück und Unternehmen können wieder rentabel produzieren. Kurzum: die drohende Katastrophe wäre abgewendet. Ungarn zeigt, wie es geht.

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Nun, die FDP macht das, was sie schon immer macht: Ihr Fähnchen in den Wind halten und sich treiben lassen, denn die Partei der Rechtsanwälte, Steuerberater und Architekten hat eben kein Rückgrat, Moral oder Würde. Lindner guckt morgens, genau wie Buschmann, in den Spiegel, spricht sich mit „Guten Morgen Herr Minister! Wir sehen aber wieder gut aus!“ an, checked dann seinen Kontostand und sagt sich „Läuft! Wir bleiben (H)Ampelmännchen“…. Die Realität, geschaffen von verblödeten Grünen, die von Insolvenz bis zu „die Leitungen verstopfendem Atomstrom“ keinen Schimmer haben, wird die sich dann in Auflösung befindliche FDP auf den Boden der Tatsachen… Mehr

WGreuer
1 Jahr her

Die FDP wird die Ampel natürlich nicht platzen lassen, obwohl jeder mit etwas Restverstand und Bürger- und Freiheitssinn sich sagen muss, dass diese linksgrüne Truppe gerade komplett frei dreht. Den FDP Ministern und Staatssekretären sind die einträglichen Pöstchen viel zu wichtig, als dass man sie für das Land und die Bürger aufgeben würde. Und sie wissen, dass bei Neuwahlen die FDP außen vor wäre.

blecki
1 Jahr her

Herr Lindner bei einer Jubiläumsveranstaltung der FDP in Heppenheim zur Kernkraft:“ Die Messe ist gelesen“. Was kann man da erwarten. Im Arbeitskreis Energie, waren alle Mitglieder für die Kernkraft. Ein kürzlicher E-Mail Austausch mit Rene` Rock, FDP Vorsitzenden in Hessen, meine Frage warum im Bundestag die FDP den Antrag der AfD zum Weiterbetrieb ablehnte: „aus meiner Sicht gibt es eine Unzahl von Gründen, Anträge der AfD nicht zu unterstützen“.

Sani58
1 Jahr her
Antworten an  blecki

Dann muss die FDP halt in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Bei dem Personal, gerechtfertigt.

Reinhard Hoffmann
1 Jahr her
Antworten an  blecki

FDP Vorsitzenden in Hessen, meine Frage warum im Bundestag die FDP den Antrag der AfD zum Weiterbetrieb ablehnte: „aus meiner Sicht gibt es eine Unzahl von Gründen, Anträge der AfD nicht zu unterstützen“.
Wie wäre es wenn die AFD den Spieß umdreht und für den Atomausstieg plädieren würde?

Axel Fachtan
1 Jahr her

Die Eigendynamik der Macht Alle sind bereit, dieses Land und seine Bürger ganz und gar zu zernichten, wenn es den eigenen Pfründen und der eigenen Macht dient. Alle spielen mit bei diesem Kasperletheater, das unser Land zerlegt. 20.000 wirtschaftlich Ahnungslose profitieren. 82.000.000 Bürger zahlen mit grenzenlosem Wohlstandsverlust. Das ist die Eigendynamik der Macht in der Parteiendemokratie. 20.000 Parteigänger lassen eine der führenden Industrienationen dieser Erde über die Klippe springen. 90 Prozent der Abgeordneten stehen schon vor den Wahlen fest in der EU, im Bundestag und den Länderparlamenten. Durch die Aufstellung der Listen und der Direktkandidaten. Über die restlichen 10 %… Mehr

Thomas Hellerberger
1 Jahr her

Zu lange haben zu viele Bürgerliche an der FDP (oder CDU) festgehalten, weil sie vermeinten, so um die AfD herumzukommen oder die alte Bundesrepublik zurückzubekommen. Eine fatale Illusion. Statt dem haben sie nun rotgrün und die Ampel. Schauen wir, ob sie aus Schaden klug werden. Mein Bauchgefühl sagt mir: Nein.

rainer erich
1 Jahr her

Uebrigens hat sich Frau Baerbock in der ihr eigenen „Rhetorik“ auf dem Parteitag auch zur Aufnahme weiterer“ Gefluechteter“ geaeussert. Danach werden „wir“ auch selbst 10 Mio aufnehmen, wenn sie denn zu uns kommen wollen. Man sollte auch diese Aussage sehr ernst nehmen. Angesichts des Jubels der Anwesenden ohnehin. Auch hier wird die FDP keinen nennenswerten Widerstand leisten, die Linken ohnehin nicht.

HBS
1 Jahr her

Die „FDP“ wird das machen was sie am besten kann – aussitzen.
Sollte es im Winter zum Chaos kommen, kann die FDP die schwarze Karte den „Grünen“ zumindest zuschieben, ansonsten hat die FDP nichtsmehr zu gewinnen.
Aus dieser Sicht wird die „FDP“ NICHT !!! die Regierung sprengen, denn Neu-Wahlen bedeutet das automatische AUS für die FDP, – denn die Wähler von CDU oder AfD werden bestimmt nicht zur FDP solidarisch überlaufen.
Und die „Grünen“ wie auch der SPD haben mit der „CDU“ einen FDP-Ersatz an ihrer Seite.