Die Inflation wird lange bleiben, nur die Höhe ist fraglich

Längst ist die Frage beantwortet, ob die Inflation in absehbarer Zeit wieder verschwindet. Sie bleibt. Die Frage ist nur noch: Mit welcher Rate der Geldentwertung Konsumenten, Gehaltsbezieher und Unternehmer rechnen müssen.

IMAGO / Westend61

Und wieder eine erschütternde Zahl zur aktuellen Geldentwertung: Um 25 Prozent sind die Erzeugerpreise im Januar im Vorjahresvergleich gestiegen. So stark stiegen sie noch nie seit 1949 – seit Einführung der D-Mark und Gründung der Bundesrepublik also und seit das Statistische Bundesamt diese Zahlen überhaupt erhebt. Und, so sagt das Bundesamt: „Hauptverantwortlich für den Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise im Vorjahresvergleich ist weiterhin die Preisentwicklung bei Energie.“

Statistisches Bundesamt

 

Wenn der Ire Philip Lane das Wort ergreift, heißt es: Genau hinhören, denn er hat als Direktor der EZB, als Einflüsterer von deren französischer Chefin Christine Lagarde und weit darüber hinaus eine Menge zu sagen. Zum Beispiel, wenn wieder mal die Inflation die Gemüter erhitzt, wie gerade geschehen: 5,1 Prozent im Euroraum. Das bedeutet: Tschüss Euro-Kaufkraft! Dazu Lane: Niedrige Inflationsraten wie noch vor zwei Jahren haben keine Chance auf baldige Wiederkehr.

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Und nun? Die EZB-Oberen streben mittelfristig eine Inflation „in der Nähe von 2 Prozent an“. Dieses Credo müssen wir uns allerdings schon seit Jahren anhören, ohne dass es sich im Portmonee bemerkbar macht – mal wurde die 2 unter-, mal überschritten. Es ist bestenfalls psychologisch einzuordnen, mit der realen Welt hat es nichts zu tun. Die sieht nämlich so aus: Die Preise für Erdgas, Heizöl, Strom, Eisenerz, Aluminium, Getreide, Kaffee, Gemüse, Chips, ja sogar für Gebrauchtwagen und Dutzende weiterer Rohstoffe, Vor- und Endprodukte sind in den vergangenen Monaten durch die Decke gegangen, ohne Chance auf baldige Umkehr.

Wie geht es weiter? Ein Teil der Antwort lässt sich zweifellos aus der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed ableiten, die nach langem Hin und Her die Inflationsrate jenseits des Großen Teichs für „transitory“, also vorübergehend, erklärt hat – wohl wissend, dass es sich um eine Mogelpackung irgendwo in Richtung 8 bis 10 Prozent handelt. Immerhin hat die Fed auf diese Weise zumindest mit dem verbalen Teil ihrer Geldpolitik auch in Europa für eine gewisse Beruhigung gesorgt.

Doch der sprichwörtlichen schwäbischen Hausfrau dürfte die Wortakrobatik der Fed ziemlich schnuppe sein – es sei denn, ihr Gatte werkelt bei Mercedes oder Bosch, wo sich der Bestand an dem einen oder anderen Autoteil dem Ende zuneigt, sozusagen „transitory“ unter ganz anderen Vorzeichen, schließlich haben wir es immer noch mit den negativen Folgen der Globalisierung zu tun, Ende offen.

Ist die Inflationsrate unter solchen Umständen in diesem Jahr überhaupt zu halten? Und wenn ja, welche? Eine mit der 3 vor dem Komma, wie von den meisten Volkswirten erwartet? Oder die 4-prozentige, wie von ifo-Chef Clemens Fuest erst kürzlich in den Raum gestellt? Oder gar eine zwischen 7 und noch mehr Prozent, wie zum Beispiel aus dem Lebensmittelhandel und großen Teilen des Handwerks zuletzt deutlich vernehmbar? Tatsache ist jedenfalls, dass die Preis-Lohn-Spirale – je nach Entwicklung der Konjunktur die Lohn-Preis-Spirale – ihre Wirkung noch gar nicht ganz entfaltet hat.

Bei all dem sind zwei Phänomene kaum berücksichtigt: die Taxonomie und die Greenflation – zwei scheußliche Wortgebilde, die sich auch unter dem Begriff „Greenwashing“ zusammenfassen lassen. Nummer 1 steht für das willkürliche Einordnen von Dreckschleudern in die Kategorie ESG (Ecological, Social, Governance), Nummer 2 steht für zusätzliche Inflation durch „grüne“ und dadurch verhältnismäßig teure Produkte und Dienstleistungen.

Der Frankfurter Professor Christian Rieck, Spezialist für Spieltheorie, hat sich intensiv der „Greenflation“ gewidmet und ist dabei zu diesem Ergebnis gekommen: „Grüne“ Technologie ist auf dem Vormarsch und nicht mehr aufzuhalten – allerdings schlecht geplant, zu hektisch, außerdem ideologisch geprägt. Die Folge: Es kann eine ganze Generation dauern, bis sich die entsprechenden Investitionen in „grüne“ Technologie auszahlen. Bis dahin heißt es: Inflationstreiber wie Erdgas, Heizöl, Strom und so weiter demütig ertragen und hoffen, dass die aktuell bei 5,1 Prozent liegende Inflation im Euroraum nicht weiter steigt.


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Kommentare ( 49 )

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puke_on_IM-ERIKA
2 Jahre her

Windräder halten 10 Jahre mit ihren nicht recycelfähigen Rotorblättern und Solaranlagen sind nach 20 Jahren auszutauschen.

gmccar
2 Jahre her

„Deshalb heißen sie doch auch erneuerbare Energien. Wenn sie anfangen sich zu rentieren, gehen sie kaputt und müssen erneuert werden.“
Heinz Becker

Memphrite
2 Jahre her

Ich habe das Video von Rieck gesehen und meiner Meinung nach hat er in dem Punkt: „„Grüne“ Technologie ist auf dem Vormarsch und nicht mehr aufzuhalten“ vollkommen unrecht (ansonsten sehr guter Mann). Das ist eine rein Deutsche Sichtweise. In allen Diskussionen hört man immer das selbe “ wir müssen was gegen den Klimawandel tun aber..“. Das ist genau das selbe wie „ich bin 3 mal geimpft aber….“. In der Welt da draußen sieht das niemand so. Niemand, bis auf einige „Somewheres“ die daran eine ganze Menge Geld verdienen können. Mit Wind und Solar ein Industrieland auf der Nordhalbkugel an zu… Mehr

Ingolf
2 Jahre her

Das erinnert mich an eine „Empfehlung“ zum Austausch meiner Heizungsanlage. Der Break-Even wäre nach 130 Jahren erreicht.
Diesen Zeitpunkt würden allenfalls meine Enkel erleben (wobei ich davon ausgehe, dass die Immobilie dieses Alter nicht erreichen wird).

Rolling_Stone
2 Jahre her

Die Inflationsrate wird durch das statistische Bundesamt (Bundesbehörde) im Sinne der Regierung mit Hilfe vieler Stellräder klein gerechnet. Eines davon ist die Veränderung der Gewichtung innerhalb des statistischen Warenkorbs, eine andere die Hedonische Methode, die Qualitätsverbesserungen als Preissenkung ausweist.
Die „Gefühlte Inflation“ zeigt dagegen die Preisentwicklung des täglichen Bedarfs und ist meist deutlich höher als die Offizielle. Das Handelsblatt hat.z.B. in Q2/2020 die gemessene Inflation mit 0,22% ausgewiesen während die Gefühlte Inflation bei 5,02% lag. Das ist auf die heutige Lage durchaus übertragbar.

Rolling_Stone
2 Jahre her

Die Inflation wird uns lediglich als Veränderung zwischen 2 Zeitpunkten verkündet. Sinnvoller und ehrlicher wäre eine Indexreihe. Die hohe Verteuerung 2021 ist die %-Basis für die Verteuerung 2022 usw. Der Zinseszinseffekt wird unterschlagen. Damit wird die Schere zwischen Verteuerung und Habenzinsen immer größer und keiner darf es wissen.

Lucius de Geer
2 Jahre her
Antworten an  Rolling_Stone

Exakt. 1 % Inflation nach einem Jahr mit 5 % Inflation schlägt absolut gesehen ungleich heftiger zu Buche als nach einem Jahr mit 2 % Inflation. Dieser Effekt wird aber von EZB, Wirtschaftsinstituten, Banken und Vermögensverwaltern gewohnheitsmäßig kleingeredet.

Werner Geiselhart
2 Jahre her

Nee, Greenflation ist nicht, wenn Bio mehr kostet wie Normalkost.
Greenflation bedeutet, wenn grüne/weltenretterische Maßnahmen wie CO2-Steuer, Niederreissen von Kern- und Kohlekraftwerken, fragwürdigen Grenzwerten, irrsinnigen Bauvorgaben, Verbot von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und Besteuerung von Allem, was nicht grün angehaucht ist, die Preise von Energie, Rohstoffen und davon abhängigen Waren in die Höhe treiben.
Zusammengefasst ist Greenflation die durch grüne Politik erzeugte exponentiell steigende Inflation!

pcn
2 Jahre her

Die galoppierende Inflation wird kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Die Zeichen und Voraussetzungen, sind geradezu ideal. Und sie, die Inflation und das außenpolitische Chaos sind bewusst herbeigeführt. Längst ist klar, dass nur so die Staatsverschuldungen durch direkte und indirekt Enteignungen durch Inflation, kriegerische Auseinandersetzungen als Brandbeschleuniger für den Zusammenbruch der Wirtschaft – das internationale Finanzwesen die längst geplante Abschaffung des Bargelds bei den westlichen Völkern durchsetzen kann. Die Verarmung durch Deindustrialisierung und Inflation,die Entrechtung der Völker in seinen Grundrechten der Freiheit, sind der Katalysator dafür, dass eine Metamorphose des Bewusstseins im Volk einsetzt; eine, die sich in… Mehr

W aus der Diaspora
2 Jahre her

Die wird aber weiter steigen! Wir produzieren Maschinen für die Landwirtschaft. Bei Vorprodukten wie Fässern, Gussteilen haben wir im Einkauf eine Preissteigerung von 50 %. Die geben wir natürlich weitergeben. Somit muss ein Landwird ungefähr 50% mehr für Dünger zahlen, das gleiche für Maschinen, für den Diesel, für die Beheizung von Gewächshäusern etc. ebenfalls. Also ist langfristig auch mit einer Preissteigung bei Lebensmitteln von bis zu 50% zu rechnen! Die Preis-Lohn-Spirale wird eine Preis-Lohn-Spirale bleiben und ganz sichre nicht zu einer Lohn-Preis-Spirale werden. Denn es sind die Preise, die die Löhne treiben und nicht umgekehrt. Selbst der 20% Sprung bei… Mehr

Enrico
2 Jahre her

Die hohen Preise sind gekommen um zu bleiben. Selbst bei einer Inflation von „nur“ 1-2% (was so schnell nicht wieder passieren wird) steigen ja die Preise weiter.
Jetzt sagen sie, na das ist doch vollkommen klar! Dann gratuliere ich völlig ohne Neid für den exorbitant höheren Durchschnitts-IQ in ihrem jew. Wohngebiet. Was mir bzgl. finanziell-ökonomischen „Skill“ bei spontan einberufenen Bürgersteigmeetings dazu um die Ohren gehauen wird, das macht (fast) sprachlos…
Das tägliche Tagesschau-Sandmännchen Geplappere, gestern noch in der Glotze, heute multiplikativ in den SocialMedia-Foren und beim Gassigehen mit dem Doppeldackel.
Es ist hoffnungslos geworden in diesem Lande.