Gbureks Geldwoche: Die Folgen der Negativzinsen

Was geschieht, wenn Geld und Ersparnisse unsicher werden? Gefährliche Folgen der Euro-Rettungspolitik.

Wer Negativzinsen für Eintagsfliegen hält, unterliegt einem großen Irrtum. Die EZB beschäftigt sich bereits mit den kommenden Modalitäten. Sparer haben nur eine Chance: Sie müssen traditionelle Angebote ignorieren und zu Spekulanten werden.

Es ist allerhöchste Zeit, sich mit Artikel 14 Grundgesetz näher zu beschäftigen. Denn er enthält drei zukunftsweisende Sätze, die schon bald für alle, die mit Geld umgehen, enorm an Bedeutung gewinnen werden: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Also alles drin, alles dran, um Enteignung zu legalisieren – allein schon deshalb, weil der Begriff vom Wohl der Allgemeinheit bei realistischer Betrachtung letzten Endes sogar vor dem kollektiven Diebstahl nicht Halt machen dürfte.

An die Enteignung durch Inflation haben wir uns längst gewöhnt, nicht zuletzt wegen der seit Jahren rückläufigen Inflationsraten, wodurch die Entwertung des Geldes eher harmlos erscheint. Doch die von der Commerzbank am 20. November angestoßene, demnächst immer mehr Nachahmer findende sogenannte Guthabengebühr für Unternehmen, vulgo Negativzins, hat das Zeug, auch breite Anlegerschichten zu sensibilisieren. Denn es macht in der psychologischen Wahrnehmung einen großen Unterschied, ob – wie bisher – nur der Realzins (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) schleichend ins Minus rutscht oder ob Anleger von heute auf morgen einen negativen Nominalzins vor die Nase gesetzt bekommen.

Sparen wird zum Laster erklärt

Folglich haben wir es hier mit einem Novum im Zuge der bald ins achte Jahr gehenden Finanz-, Wirtschafts-, Banken- und Schuldenkrise zu tun: Enteignung, die durch das Minuszeichen für alle deutlich sichtbar wird, sozusagen Umverteilung nicht zum Wohl, sondern zum Schaden der Allgemeinheit. Und Artikel 14 Grundgesetz? Nebbich, die Väter des Grundgesetzes konnten ja nicht ahnen, dass die EZB und nun auch die von ihr geretteten systemrelevanten Banken das ganze Geldsystem in die Bredouille bringen würden, sodass Geld sparen statt – wie bisher – zur Tugend einfach mir nichts dir nichts zum Laster erklärt und mit negativen Zinsen bestraft wird. Mein Leser Franz Kern kommentierte das wie folgt: Früher hatte jeder ein Sparschwein, heute ist jeder ein Schwein, der spart … Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Jetzt also lieber Bargeld zu null Prozent Zinsen unter der Matratze verstecken, statt es bald auf Konten mit negativen Zinsen bestrafen zu lassen? Das große Geld hat längst die Konsequenzen gezogen; es ist in Anleihen, Immobilien und zum Teil auch Aktien investiert. Dagegen hat das kleine Geld, das der Masse der Sparer, unter tätiger Mithilfe sogenannter Bankberater, Versicherungsvertreter und Drückerkolonnen den Weg in nur mit hohen Verlusten vorzeitig kündbare langfristige Kapital- und Fondslebensversicherungen, Bau- und Fondssparverträge, Riester-Renten, darüber hinaus in Spar-, Tages- und Festgeldkonten gefunden – also überwiegend kollektive Anlagen, die entweder schon jetzt unter Renditeschwindsucht leiden oder deren Renditen, wie bei vielen Lebensversicherungen und Riester-Renten, sich erst im Lauf der kommenden Jahre oder Jahrzehnte als reale Nullnummern erweisen werden.

Anleihen bilden eine Megablase

Ist das große Geld mit Anleihen, Immobilien und Aktien gut bedient? Hier muss man unterscheiden. Gehen wir zunächst von Anleihen aus. Sie sind, sofern es sich um Staatsanleihen handelt, ein Metier für Zentralbanken wie die EZB und für Spezialisten unter den institutionellen Anlegern, die darüber hinaus gern auch mit Unternehmensanleihen und Währungen spekulieren, um etwas höhere Renditen zu erwirtschaften. Die Renditen der Bundesanleihen schwanken je nach Laufzeit überwiegend im Bereich zwischen 0 und 1 Prozent. Nehmen wir eine zehnjährige mit aktuell 0,77 Prozent Rendite brutto, nach Abzug von Abgeltungsteuer und Soli entsprechend 0,57 Prozent netto. Ihr Kurs am Ende der Laufzeit beträgt 100 Prozent. 100 dividiert durch 0,77 ergibt 130.

Das ist eine Kennzahl, die mit dem Mietmultiplikator von Immobilien verglichen werden kann, der sogar in Bestlagen von München nicht über 50 hinausgehen dürfte, und mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis deutscher Aktien, das im Durchschnitt nur etwa ein Zehntel des Anleihenmultiplikators ausmacht. Das heißt, wir haben es bei Bundesanleihen (wie auch bei den meisten anderen Anleihen) mit einer Megablase zu tun. Geht es wie gehabt weiter, droht sie nicht einmal in absehbarer Zeit zu platzen. Stattdessen: Minus-“Renditen“.

Spekulation ist der beste Schutz vor Enteignung

Wie könnte es weiter gehen? Dazu hat EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio neulich in London zwei verräterische Anmerkungen gemacht: Anfang 2015 werde die EZB über den – auch intern umstrittenen – Aufkauf von Staatsanleihen entscheiden. Und falls der Aufkauf stattfinde, werde er anteilig nach dem Gewicht der Euro-Mitgliedsländer erfolgen. Das bedeutet: Weil der Anteil der Deutschen Bundesbank an der EZB mit 25,7 Prozent das höchste Gewicht hat, würde sich die EZB vor allem mit Bundesanleihen vollpumpen, deren extrem hohe Bewertung zum Himmel schreit. Wenn das kein eindeutiges Signal in Richtung Negativzinsen ist!
Daraus folgt: Solange die Zinsen und damit die Renditen von Geldwerten allgemein niedrig bleiben, schreitet die kalte, erst in späteren Jahren offen zutage tretende Enteignung von Sparern in Geldwerten (Lebensversicherungen, Konten usw.) noch fort. Der Kauf von Immobilien mit dem Ziel, sie zu vermieten, kommt wegen der vielfach zu erwartenden Mietrestriktionen kaum mehr als Alternative in Betracht. Die Kursschwankungen von Aktien sind für die meisten Sparer ebenso gewöhnungsbedürftig wie schwankende Gold- und Silberpreise. Die Lösung des Problems: Lassen Sie Geldwerte bis auf einen Schuss an notwendiger, sofort verfügbarer Liquidität ebenso außen vor wie vermietete Immobilien (selbst genutzte ausgenommen) und lernen Sie sobald wie möglich, mit Aktien und Edelmetallen zu spekulieren. Insoweit bin ich mir mit anderen Kommentatoren einig.   Allerdings geht das nicht ohne eigene Anstrengung, Informationsarbeit und Erfahrung nicht ab. Vermögenserhalt und mehr noch Vermögensmehrung ist harte Arbeit. Aber die auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen beruhende Spekulation ist der beste Schutz vor Enteignung.

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