Ein Chefanalyst packt aus

An der Börse antizyklisch vorzugehen, ist gar nicht so einfach. Doch der Versuch lohnt sich allemal. Anlegern bleibt ja nichts anderes übrig, und das ist auch gut so.

Antizyklisch, das ist ein von Börsianern besonders gern benutztes Wort. Es bedeutet so viel wie: Steigt der Deutsche Aktienindex Dax, dann sind Anleger antizyklisch eingestiegen – im Vergleich zu einer Stunde zuvor, denn der Vergleich über einige Tage oder Wochen offenbart, dass die angeblich antizyklischen Aktienkäufe in Wirklichkeit prozyklisch sind. Fehlt nur noch, dass die Kurvendeuter den Charts eine Umkehrformation andichten. Fällt der Dax, spricht man von Konsolidierung (ein nicht minder gern gebrauchtes Unwort) oder von Gewinnmitnahmen. Wer nimmt da welche Gewinne mit, Pro- oder Antizykliker? Niemand außer denen, die sie tatsächlich mitnehmen, weiß es.
Noch mehr Rätselraten gibt es, wenn – wie gerade jetzt – die Wechselkurse ins Spiel kommen. Da packen Börsianer so ziemlich jeden Mist an vermeintlichen Argumenten aus ihrem Arsenal, wie ich hier vor einer Woche ausgeführt habe.

Ja, der Euro hat im Vergleich zum Dollar innerhalb Jahresfrist ein Viertel an Wert verloren. Daran soll so ziemlich alles schuld sein, was den Börsianern gerade einfällt: die äußerst expansive Geldpolitik der EZB und die angeblich immer näher rückende Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed, Frankreichs Konjunktur- und Schuldenprobleme, die Ukraine-Krise, der Aufmarsch von Nato-Truppen im Baltikum und natürlich immer wieder Griechenland.

Profit Bank, Risiko Kunde

An all das musste ich denken, als ich neulich zu Besuch bei der Deutschen Bank war und die März-Ausgabe ihrer Zeitschrift „Xpress“ in Empfang nahm. Da hieß es gleich auf dem Titelblatt „Vorteile der Euro-Schwäche“ und „Mit Anlageprodukten am deutschen Exportboom partizipieren“. Im Innenteil offenbarte die Bank dann, worum es ihr ging: zum einen um das Globax-Index-Zertifikat, zum anderen um Discount-Zertifikate auf exportstarke deutsche Unternehmen: BMW, Daimler, Fresenius, Henkel und Münchener Rück. Also um den Absatz von gebührenträchtigen Zertifikaten.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob solche Empfehlungen nach dem Euro-Wertverlust von einem Viertel gegenüber dem Dollar innerhalb nur eines Jahres – ähnlich gegenüber anderen Währungen – noch anti- oder schon prozyklisch sind. Die Bank profitiert von den Zertifikaten allemal, ihre Kunden tragen das Risiko. Bleibt abschließend zu erwähnen, dass auf dem Titelblatt ein Stapel Euromünzen abgebildet ist, von denen die obersten zu zerfließen beginnen – ein beliebtes Motiv in Anlehnung an das Bild „zerrinnende Zeit“ des Surrealisten Salvador Dalí. Zeit ist Geld. Sie sorgt dafür, dass es immer weniger wert wird. Denn es handelt sich um sogenanntes Papiergeld, und das ist beliebig vermehrbar, ganz egal, ob Euro oder Dollar draufsteht.

Finanzmacht wird missbraucht

Was den Mut zum antizyklischen Denken angeht, möchte ich heute eine Kolumne von Folker Hellmeyer vom vergangenen Donnerstag auf goldseiten.de hervorheben. Er ist Chefanalyst der Bremer Landesbank und geht wie folgt auf den hohen Euro-Verlust zum Dollar ein: „Diese durchaus dramatische Anpassung, die bezüglich der konjunkturellen, aber insbesondere auch strukturellen Entwicklungen keine ansatzweise Unterfütterung hat, muss entweder als Ausdruck eines überbordenden ‚Spieltriebs‘ der Marktteilnehmer interpretiert werden oder aber als Ausdruck zunehmender globaler Ungleichgewichte in den Sektoren Politik und Wirtschaft. Es wäre nicht das erste Mal, dass Finanzmacht für politische Zwecke missbraucht würde.“

Dann lässt Hellmeyer jede Menge Fakten folgen, die seine Analyse vielfach untermauern. Hier nur zwei Beispiele: „Fakt ist, dass die Konjunkturlagen sich drehen. Die USA schwächen sich für viele überraschend sportlich ab, während die Konjunkturlage in der Eurozone anzieht.“ Und: „Fakt ist, dass die Währungsreserven (USA 120 Milliarden Dollar/Eurozone 220 Milliarden Dollar) und Goldreserven (USA circa 8000 Tonnen/ Eurozone circa 10.000 Tonnen) der Eurozone deutlich höher sind als in den USA.“

Hier Spieltrieb mit Termingold, da Anlage in purem Gold

Was die positiven antizyklischen Chancen für Gold betrifft, habe ich hier vor einer Woche ein paar Begründungen angeführt. Heute möchte ich sie um die folgende brisante Aussage von Hellmeyer ergänzen, der damit auf die Preiseskapaden am Terminmarkt Comex in New York und auf die allzu lockere Geldpolitik mithilfe des Quantitative Easing (QE) anspielt: „Nicht der Mangel an physischer Nachfrage ist die preisdeterminierende Größe, sondern der ‚Spieltrieb‘ einiger Weniger an der Comex, die ohne aufsichtsrechtliche Beanstandung in den USA agieren können, dürfen oder sogar sollen. Wurde der Rückgang der Goldpreise von 1900 Dollar nicht mit auslaufenden QE-Maßnahmen begründet? Damals waren es 85 Milliarden Dollar, jetzt sind es monatlich 130 Milliarden Dollar.“

Zweifelsohne wurde der Goldpreis seit 2013 immer wieder nach unten manipuliert, so auch zuletzt. Doch wie seine Geschichte während der vergangenen Jahrzehnte lehrt, lässt sich die Manipulation nur begrenzt durchhalten, dann folgt ihr der nächste längere Preisaufschwung. Das war beim Übergang von den 60er zu den 70er Jahren so, und von 2001 bis 2011 kam die Wiederholung. Für antizyklische Anleger ergibt sich insofern gerade jetzt eine hochinteressante Konstellation. Denn immer, wenn die Manipulation in der Vergangenheit nur noch einen marginalen Effekt hatte, begann der Goldpreis nach oben zu drehen. Verfolgen Sie dazu besonders den Goldpreis in Dollar, weil er die international übliche Messlatte ist, und decken Sie sich sukzessive mit Goldmünzen oder -barren ein, weil das Papiergeldsystem schon bald seine Schwächen offenbaren wird.




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