Das ganze Schuldensystem gerät ins Wanken

In dieser Woche entscheidet die amerikanische Notenbank Fed über den Leitzins. Schon im Vorfeld knistert es vor Spannung. Zu Recht, denn wie auch immer das Ergebnis ausfällt, die Börsen dürften hektisch reagieren.

Das Ritual erinnert an die Szene vom Esel, vor dem der Kutscher eine Möhre baumeln lässt, damit das Tier in Erwartung einer leckeren Mahlzeit den Karren immer weiter zieht: Die US-Notenbank Fed sorgt seit vielen Monaten dafür, dass die ganze Finanzwelt über die erste amerikanische Zinserhöhung nach über neun Jahren heiß debattiert; aber geschehen ist noch nichts, die Möhre Zins baumelt einstweilen nur durch die Köpfe von Bankern und Volkswirten. Im Kern geht es darum, die Teilnehmer an den Kapitalmärkten erwarten zu lassen, der Zins werde steigen, Datum offen. Aus Anlass der nächsten Fed-Sitzung an diesem Mittwoch und Donnerstag ist es wieder soweit.

Zins, zumal der Leitzins einer Notenbank, das ist viel mehr als nur eine Zahl vor oder hinter dem Komma, das ist Psychologie. Angenommen, die Fed würde sich für eine Zinserhöhung entscheiden. Dann müsste ihre Chefin Janet Yellen das ganze ihr zur Verfügung stehende Argumentationsarsenal verwenden, um aller Welt klar zu machen, dass die US-Wirtschaft brummt, dass ein höherer Leitzins folglich keinen größeren Schaden anrichten werde. Aber kann ihr das wirklich jemand glauben? Zweifel sind angebracht. Zumal die Aktion den Dollar in die Höhe treiben dürfte, was der amerikanischen Wirtschaft ganz und gar nicht gut täte.

Das ganze Schuldensystem beginnt zu wanken

Das Dilemma, in dem sich die Fed – und mit ihr die anderen großen Notenbanken – seit Beginn der Nullzins-Runde befindet, ist offensichtlich: Man schöpft Geld aus dem Nichts, Quantitative Easing, von Skeptikern Fiat Money genannt, und erwartet (oder tut nur so), das viele Geld werde über kurz oder lang für produktive Investitionen verwendet. Doch diesen Weg geht es gerade nicht oder nur in geringerem Umfang als gewünscht. Stattdessen hat es die Aktienkurse und Immobilienpreise nach oben getrieben, zu so mancher Fehlinvestition geführt und den Konsum angeregt. Außerdem hat die Nullzins-Politik einen Kollateralschaden verursacht, über den Notenbanker nur ungern öffentlich diskutieren: Großanleger verabschieden sich zunehmend von Anleihen aller Art. Damit gerät allmählich das ganze Schuldensystem ins Wanken.

Die Lage spitzt sich zu, weil externe Schocks für zusätzliche Verunsicherung sorgen. Einen Vorgeschmack davon haben wir durch die Absturz der chinesischen Börse und die Abwertung von Chinas Währung Yuan bekommen. Beide Ereignisse sind den Anlegern in Europa und Amerika derart unter die Haut gefahren, dass sie zeitweise panikartig ihre Aktien verkauft haben. Solche globalen Kettenreaktionen sind umso mehr zu erwarten, je weniger es die Notenbanker schaffen, die Verwalter des ganz großen Kapitals zu beruhigen. Insofern sind Anmerkungen wie neulich die von EZB-Chef Mario Draghi kontraproduktiv, wonach es sein könne, dass die Börsen in eine Phase dauerhaft größerer Kursschwankungen übergegangen seien. Mal hören, was seine Partnerin Yellen von der Fed jenseits des Atlantiks an diesem Mittwoch oder Donnerstag zu den wild gewordenen Börsen sagen wird.

Jongleure und Angsthasen

Welche externen Schocks sind nach dem China-Kracher noch denkbar? Zunächst, dass China weiterhin für Unruhe an den Börsen und darüber hinaus sorgen wird. Ansonsten sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Speziell aus deutscher Sicht ist naheliegend, dass der Flüchtlingsstrom auch erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen wird. In welcher Form, hängt davon ab, was im Bundesfinanzministerium zurzeit ausgebrütet wird. Nicht zu vergessen Griechenland, wo mal wieder gewählt wird, und vor allem nicht zu vergessen die sich zuspitzende Entwicklung in und am Rand der Ukraine sowie im Nahen Osten.
Die Manager des großen Geldes – Fonds, Versicherer, Vermögensverwalter, Family Offices – sind in keiner beneidenswerten Lage. Die einen jonglieren auf immer noch hohem Kursniveau mit Aktien und Anleihen, die anderen ziehen Immobilien vor, wieder andere verwalten Hedgefonds, mit denen sie so ziemlich alles machen dürfen, was Renditen verspricht. Zum Teil gehen sie hohe Risiken ein, wie manche Manager von Aktienfonds, zum Teil beschränken sie sich auf die Hoffnung, die Zinsen mögen bald steigen, wie allzu viele Geldverwalter der Lebensversicherer.

Das Timing nicht vergessen!

Den niedrigen Zinsen können sie alle nicht entgehen. Die Anfälligkeit für Wagnisse nimmt folglich zu, die Börsen werden immer mehr zu Glücksspielhallen wie in Monte Carlo oder Las Vegas. Und die vermeintlich sicheren Anlagen? Tages- und Festgeld sind immerhin bis 100.000 Euro je Anleger und Bank oder Sparkasse offiziell gesichert, vorausgesetzt, das Institut gehört der gesetzlichen Einlagensicherung an. Dagegen ist es um die Sicherheit von langfristigen Altersvorsorge-Systemen, wie Lebensversicherung oder Riester-Rente, weniger gut bestellt. Denn wer weiß, was der Euro in zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren noch wert ist? Viel spricht für die These, dass die derzeit noch anhaltende Inflation von Aktien und Immobilien, die treffend Asset Inflation heißt, dann längst auf Güter und Dienste des täglichen Bedarfs übergesprungen sein wird.

Nullzinsen sind ein gigantisches Experiment, das am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Inflation der Güter und Dienste münden wird, wie wir sie Monat für Monat vom Statistischen Bundesamt und von Eurostat serviert bekommen. Bis dahin haben Sie noch etwas Zeit, Ihr Vermögen nach bewährten Kriterien aufzuteilen: je ein Viertel Tagesgeld, Aktien (erst nach einem größeren Kurseinbruch kaufen), Gold (jetzt kaufen) und eine Immobilie zur eigenen Nutzung (falls dadurch kein Klumpenrisiko entsteht). Wie leicht zu ersehen ist, spielt das Timing, also der Kaufzeitpunkt, eine wichtige Rolle. Dabei werden die nächsten Aussagen der Notenbankchefs, in dieser Woche beginnend mit Yellen, besonders hilfreich sein.

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