VW 4.0 ohne Piëch

Winterkorns wenig strahlender Sieg

Das was in den Medien als Winterkorns Sieg gerade mal eine Woche lang gehandelt wurde, hat mit einem Sieg, gar einem strahlenden Sieg, wenig zu tun. Ein strahlender Sieger und die richtige Führungsfigur für die Zukunft wäre Winterkorn gewesen, wenn er sich nach Piëchs Vorstoß nicht von Piëchs Gegnern, die sich auch mal Luft machen wollten, hätte passiv retten lassen, sondern wenn er sofort als aktiver Akteur aufgestanden wäre, sein Amt zur Verfügung gestellt und seinen Verbleib an der VW-Spitze von einem konstruktiven Vertrauensvotum des Aufsichtsgremiums abhängig gemacht hätte. Stattdessen hat Winterkorn an seinem Amt geklammert und deswegen ist er, wie es jetzt doch allgemein heißt, auch nicht unbeschädigt aus der Affäre hervorgegangen.




Winterkorn hat sich als feige erwiesen und damit selbst signalisiert, dass ihm die letzte Qualität fehlen könnte, das 600.000-Mann-Unternehmen in die Zukunft zu führen. Er hat als Führungsfigur in der Auseinandersetzung mit Piëch zu wenig gezeigt und das Gleiche gilt auch für Wolfgang Porsche, der sich ebenfalls viel zu sehr versteckte, obwohl er gewiss keine nebensächliche Rolle dabei gespielt hat, Piëch jetzt zum Abdanken zu treiben.

Auch der Tross der öffentlichen Meinungsmacher zeigt in Sachen VW wieder jene Schizophrenie, die das bei Großunternehmen durchaus wichtige mediale Begleitgeschehen beherrscht. Keine Blockupy-Bewegung, keine Kapitalismus- und Kapitalistenkritik kann blöd genug sein, um nicht von den Medien kritisch behätschelt zu werden. Gleichzeitig gibt es in denselben Medien eine oft genug kindische und geradezu hündische Verehrung der Könige, der Reichen, der Wirtschaftskapitäne und der Gelddynastien. So kommt es, dass sich erstaunlich viele Stimmen in den Medien bei der Suche nach einem Nachfolger für Piëch, aber auch für Winterkorn auf die Suche im Porscheclan beschränken. Es heißt zwar, VW sei kein Unternehmen mehr, das weiter wie bisher von einer Person gelenkt werden könnte, was allerdings gleichviel Sinn für und gegen sich hat, aber gleichzeitig wird eben doch nach einer Erbnachfolge im Familienclan gesucht.

Dass die VW-Zukunft ohne Piëch gedacht werden muss, stand bei einem 78jährigen auch vor der aktuellen Entwicklung fest, aber dass Piëch ein Glücksfall für VW bis gestern war und auch noch für eine Weile geblieben wäre, steht wohl außer Frage. Piëch, heißt es, hätte seine Macht überschätzt. Das mag sein. Aber diejenigen, die an Piëchs Stuhlbein sägten, haben ihre Möglichkeiten VW jetzt und sofort einen Dienst zu erweisen, womöglich auch überschätzt.

Die Märkte nehmen es gelassen, was sollen sie auch sonst tun. Es geht bei VW nicht um alles oder nichts, aber es geht bei VW um entscheidende Weichenstellungen, die anstehen und einen großen Einfluss auf mehr oder weniger Erfolg oder Misserfolg haben. Es scheint so zu sein, als bekäme jetzt die Suche nach geeigneten Nachfolgern für Piëch und Winterkorn Vorrang, die ja in manchen Köpfen sicher bereits schon länger läuft. Ob da die Weichen richtig gestellt werden, scheint ziemlich offen zu sein. VW wird auf die Dauer kein Unternehmen sein können, das weiterhin 600.000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. Auch seinen Beschäftigungsstand hierzulande wird VW nicht aufrecht erhalten können. Da sind die berühmten Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit vorprogrammiert. Winterkorn war für VW wahrscheinlich weniger essentiell als das Winterkorn-Lager glauben macht, insofern ist ein Revirement an der VW-Spitze jetzt auch eine Chance.

Wer ist der größte Autobauer der Welt?

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf die Konkurrenz, zumal es ein erklärtes Ziel des VW-Konzerns ist, diese Konkurrenz auszustechen und größter Autobauer der Welt zu werden. Aber wer ist der größte Autobauer der Welt? Ist der größte Autobauer der Welt derjenige, der die meisten Autos verkauft? Oder der Autobauer, der die teuersten Autos verkauft? Wird Größe am Umsatz gemessen? Wird Größe am Gewinn gemessen? Wird Größe an der Zahl der Beschäftigten gemessen? Wird Größe an der Umsatzrendite gemessen, die auch etwas über das Risiko und die Langlebigkeit des Unternehmens aussagt, oder wird Größe daran gemessen, welches Unternehmen die meisten Subunternehmer in der Fertigung kapitalistisch versklavt beschäftigt. Toyota holt viel mehr Geld aus seinem Umsatz heraus, beschäftigt weniger eigene Mitarbeiter, lässt offenkundig viel mehr durch abhängige Fremdfirmen zuarbeiten und ist so auf dem Weltmarkt offensichtlich wettbewerbstauglicher und sehr stark auf seinem Vormarsch in Richtung Industrie 4.0.

Könnte VW seine Produkte schlicht und ergreifend durch Anhebung der Preise gewinnträchtiger machen und so den Abstand zu Toyota verkürzen? Sicher nicht, denn diese einfache Lösung wird bei VW gewiss jeden Tag getestet. Man verlangt für sein Auto schließlich, was man kriegen kann, was der Markt hergibt. Es muss also aus dem Preis der Produkte für die Zukunftstauglichkeit von VW trotz eines nominal erst einmal gut klingenden Gewinnes mehr herausgeholt werden.

Ob die chinesische Regierung den heimischen Automarkt auf Dauer „ausländischen Eindringlingen“ überlassen wird oder ob das Auto 4.0 nicht umgekehrt in China ein chinesisches Auto sein wird, das ganz nebenbei auch noch ein Exportschlager werden könnte, ist eine offene Frage. Weltmarktführer sein zu wollen, heißt sich dem Zwang besser zu sein als die Konkurrenz zu verpflichten.

Möglicherweise lag Piëch richtig, als er sagte, dass er auf Distanz zu seinem langjährigen Weggefährten und Ziehsohn Winterkorn gegangen ist. Ein Schritt aus der Situation, so wie sie sich jetzt darstellt, das Beste zu machen, wäre es, den auch schon gesetzten Lenker des Sportwagenbauers Porsche, Matthias Müller, sofort und unmittelbar, ohne jede Verzögerung zum Nachfolger eines in Ehren suspendierten Winterkorn zu machen, bevor das Spekulationskarussel sich immer wilder dreht.




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