Syrienpolitik – Kriegsnobelpreis für Obama, Friedensnobelpreis für Putin

Aufwachen! Die politische Klasse des Westens braucht eine politische Schocktherapie. Sie hat den Verstand verloren. Während Obama seinen Kriegsnobelpreis bereits verdient hat, muss Putin sich seinen Friedensnobelpreis erst noch erarbeiten.

Die Türkei hat mit der Verfolgung ihrer eigenen, keineswegs völkerrechtlich lauteren Politik in Sachen Syrien wesentlich zum Status quo beigetragen. Das zu erkennen und anzuerkennen und in der westlichen Politik auch zum Tragen zu bringen, ist Step Nr. 4.

Die Türkei ist aus eigenem, vorangegangenen Tun verpflichtet, Aus-und Einwanderer nicht nur an der Grenze in unbewohnten Gebieten in Zelten oder Containern zu parken, sondern diese auch vernünftig zu versorgen, und zwar auf eigene Kosten. Fehlschläge in seiner osmanischen Reichspolitik muss Erdogan selbst hinnehmen und kann sie nicht Richtung Europa sozialisieren. Die Türkei kann auch nicht die Völkerwanderung nach Europa durchreichen und dann sagen: Einbahnstraße. Die semipermeable Grenzpolitik der Türkei ist menschenverachtend und europafeindlich. Die Verpflichtung der Türkei, die Völkerwanderung aufzunehmen und aus eigenem Recht anzuerkennen, dass sie als wesentlicher Mitverursacher der Krise haftet, ist Step Nr. 5.

Die türkische Kurdenpolitik ist nicht permanent zu vernebensächlichen, sondern gehört auf den Prüfstand westlicher Politik. Das ist Step Nr.6.

Die türkische Isis/Anti-Isis-Politik gehört auf den Prüfstand der westlichen Politik. Das ist Step Nr. 7.

Im selben Atemzug gehört auch die amerikanische Isis/Anti-Isis-Politik schonungslos auf den Prüfstand. Haben die USA das Entstehen und Wachsen von Isis aktiv und duldend unterstützt? Oder haben sie Isis bekämpft? Wie konsequent bekämpfen die USA den IS?
Das ist eine Frage, die von den Bündnispartnern der USA, demokratisch und rechtsstaatlich, wie es sich gehört, geklärt werden muss. Die Amerikaner müssen gezwungen werden, ihre Karten offenzulegen. Das ist Step Nr. 8.

Erdogan träumt gewiss vom Verschwinden Assads. Das Machtvakuum in Syrien, das Assads Verschwinden erzeugte, ist Erdogans Leckerbissen. Großosmanien denkt er gewiss nicht besonders kleinlich.

Bleibt die der westlichen Politik entglittene, ins Kosmische reichende, den Blick auf die Realitäten versperrende und nur noch mit psychischen Ausnahmezuständen erklärbare Verteufelung Assads. Man hat den Eindruck, dass die westlichen Politfürsten im Anti-Assad-Rausch rotieren und im Assad-muss-weg-Wahn, koste es, was es wolle, und sei es, dass die Welt unterginge, schwelgen, bevor sie überhaupt in der Lage sind, über Politik in der Region nachzudenken.

Nach zwei Jahren frustrierender Syrienpolitik ringen sich die westlichen Politiker mühsam dazu durch, zwar bei ihrem Mantra „Assad muss weg“ zu bleiben, aber gleichzeitig zu bekunden, mit Assad auch sprechen zu wollen. Die Realität Assad als solche anzuerkennen, ohne sich gleichzeitig in Psychoverrenkungen zu ergehen, das ist Step Nr. 9.

Bis Putin vor knapp zwei Wochen mit Luftschlägen in das syrische Geschehen eingriff, war Russland ein eher passiver und reaktiver Randbeteiligter, was das Geschehen im Nahen und Mittleren Osten und auch in Syrien anbelangt. Der große Verursacher der aktuellen gigantischen Katastrophe im Nahen Osten kann Putin, selbst wenn er der Teufel in Person sein wollte, nicht sein.

Putin und sein Russland, das die zweitstärkste Atommacht der Welt ist, sind ein real existierendes Faktum

Die westliche Politik muss aufhören, sich darin zu ergehen, Putin zu einem Ungeheuer zu reden. Das sind eigene Psychoverklemmungen der westlichen Politiker, die da zum Zuge kommen. Putins Rolle in der Region anzuerkennen, die übrigens auch räumlich Russland sehr viel näher liegt als Amerika, ohne Wenn und Aber, das ist Step Nr. 10.

Putin zu kritisieren ist mehr als legitim, mit Russland gemeinsam eine rasche Lösung der Syrienkrise und der Irakimplosion zu erzwingen, das ist gekonnte Realpolitik. Und gekonnte Realpolitik zur Lösung der Syrienkrise, Irakkrise und anderer Krisen, die im Kontext stehen, zu beginnen, das ist Step Nr. 11.

Putin stabilisiert Assad, der seinerseits, ungeliebt, eine faktisch-positive Rolle bei einem Wiederaufbau Syriens spielen kann. Die USA führen ihre seltsame Anti-Isis-Allianz, die sie mit seltsamen Freunden und Finanzierern von Isis, zu denen sie auch schon selber gehörten, gemeinsam gebildet haben, zu dem angeblich angestrebten Sieg über Isis. Und mit dieser Arbeitsteilung ermöglichen Russland und die USA eine neue politische und wirtschaftliche Ordnung in der Region, und Assad geht in ein selbst gewähltes Asyl. Das ist Step Nr. 12.

Der Westen hat nolens volens schon oft mit Regimen verhandelt, an deren Händen sehr viel mehr Blut klebte als an Assads Händen kleben kann. Es geht immer um die Zukunft und nicht um rückwärtsgewandte Rechthaberei.

Es gab keine Auswanderung

Schaut man nicht mit ideologischer Verklemmung in die Zeit zurück, als die vom Westen unterstützten Regime von Tunesien bis Syrien noch funktionierten, dann steht eines fest. Es handelt sich um Diktaturen, die gigantische Mehrheiten tatsächlich hinter sich hatten. Die Menschen hatten sich eingerichtet und auf ihr persönliches Fortkommen geachtet. Und anders als die DDR-Bürger konnten die Menschen auch ihre Länder verlassen und reisen, wenn sie das Geld dazu hatten. Auswandern wäre für den Einzelnen ein Leichtes gewesen, aber es gab keine Auswanderung.

Die Hauptgegner im Inneren waren unterdrückte Islamisten, die keine demokratischen oder rechtstaatlichen Motive im Kopf hatten. Die Rechte der Frauen wurden von den Diktatoren eher gefördert als unterdrückt. Die Rechte religiöser Minderheiten, etwa der Christen, waren weitgehend gewahrt. Darauf wies der Grandseigneur der SPD, Klaus von Dohnanyi, jüngst in einer Diskussion konkret in Bezug auf Assad ausdrücklich hin.

Und wie sieht es nach Obamas Aufmischen der Region heute mit den Rechten der Frauen und den religiösen Minderheiten aus? Wie sehen heute die Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung aus?

Makaber: Heute lassen die männlichen Auswanderer die Frauen im Stich und der Gefahr ausgesetzt, von religiösen Fanatikern bedrängt zu werden.

 

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