Wählen, bis das Ergebnis passt

Die rumänische Präsidentschaftswahl hat ein Pro-EU-Kandidat gewonnen, aber erst, nachdem die ursprüngliche Wahl für ungültig erklärt worden war und deren Sieger nicht mehr antreten durfte. Von Tim Black

IMAGO / Vlad Bereholschi

Als am 19. Mai das Ergebnis der rumänischen Präsidentschaftswahlen feststand, konnte man förmlich sehen, wie sich ein breites, zufriedenes Grinsen auf den Gesichtern der EU- Technokraten ausbreitete. Ihr Mann hatte gewonnen. Mit 54 Prozent der Stimmen hatte der EU- und NATO-freundliche Oberbürgermeister von Bukarest, Nicuşor Dan, den euroskeptischen Rechtsnationalisten George Simion mit 46 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz verwiesen.

Die Mitglieder der EU-Herrscherkaste freuen sich seither über den Sieg von Dan. Sie feiern ihn als Bestätigung des „europäischen Projekts“ und als Rechtfertigung der Brüsseler Herrschaft. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, erklärte, die Wähler hätten sich „für das Versprechen eines offenen, wohlhabenden Rumäniens in einem starken Europa entschieden“. Der französische Präsident Emmanuel Macron legte noch einen drauf und erklärte, die Rumänen hätten sich „“für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Europäische Union“ entschieden.

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Nach Ansicht der EU-Größen haben die Rumänen auf die ‚richtige‘ Art und Weise für den ‚richtigen‘ Kandidaten gestimmt. Doch ihr Gejohle verschleiert eine unangenehme Wahrheit. Die Rumänen konnten bei dieser Wahl nur deshalb so abstimmen, weil der rumänische Staat den Daumen auf die Waage legte – nachdem sie im vergangenen November ‚falsch‘ gewählt hatten.

Damals fand ursprünglich die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Doch im ersten Wahlgang setzte sich der rechtsnationale Außenseiter Calin Georgescu aus dem Nichts gegen die Kandidaten der einst dominierenden rumänischen Mitteparteien, der Sozialdemokratischen Partei und der Mitte-Rechts-Partei der Nationalliberalen durch. Dies hätte eine Stichwahl gegen eine andere Außenseiterin, die ehemalige Fernsehjournalistin Elena Lasconi, zur Folge gehabt. Der rumänische Staat entschied, dass dies nicht geschehen würde.

Der rumänische Geheimdienst trat sofort in Aktion und veröffentlichte innerhalb weniger Wochen ein Dossier, das angebliche russische Versuche zur Wahlbeeinflussung aufzeigen sollte. Der Oberste Gerichtshof Rumäniens ergriff daraufhin die noch nie dagewesene Maßnahme, die Ergebnisse der ersten Runde zu annullieren, die zweite Runde zu streichen und eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen in diesem Frühjahr anzuordnen.

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Da Georgescu jedoch erneut kandidieren und Umfragen zufolge auch wieder gewinnen würde, hat das rumänische Wahlbüro im März seine Teilnahme an weiteren Wahlen untersagt.

Georgescu ist nach allem, was man hört, ein rechter Sonderling. Er ist ein impfskeptischer, Putin-unterstützender Ultranationalist. Er wurde 2022 aus Simions Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen ausgeschlossen, weil er die Eiserne Garde, eine rumänische faschistische Miliz aus den 1930er und 1940er Jahren, halb lobte.

Dennoch gilt: Man muss man seine Ansichten nicht gutheißen, um zu erkennen, dass sein Ausschluss von den Wahlen eine Schande für die Demokratie war. Moskau mag durchaus versucht haben, die Wahlen im letzten Jahr durch Propaganda in den sozialen Medien zu beeinflussen. Doch es waren keine TikTok-Videos oder Facebook-Posts, die Millionen von Wählern in Georgescus Richtung trieben. Es war ihre Enttäuschung über den gescheiterten Elitenkonsens der etablierten rumänischen Parteien – bei der Klimaneutralität bis zum Ukrainekrieg in der Ukraine.

Inmitten einer tiefen Krise der Lebenshaltungskosten, mit der höchsten Inflations- und Armutsrate in der EU, wollten die Wähler etwas und jemanden anderes. Doch der rumänische Staat hat sich zusammengetan, um ihnen ihren demokratisch zum Ausdruck gebrachten Willen zu verweigern. Lasconi, Georgescus Gegenkandidatin bei der abgesagten Präsidentschaftswahl, drückte es so aus: „Der rumänische Staat hat die Demokratie mit Füßen getreten“.

Und wie haben Staats- und Regierungschefs in der EU sowie EU-Vertreter auf die antidemokratischen Machenschaften des rumänischen Staates reagiert? Haben sie sich zu Wort gemeldet, um sie zu verurteilen? Haben sie geschwiegen? Sie haben weggeschaut – oder schlimmer noch, sie haben die legalen Manöver als Taktik gebilligt, die gegen andere aufständische populistische Politiker und Parteien in Europa eingesetzt werden soll.

Die Präsidentschaftswahlen in diesem Monat sind von den Nachwehen der Ereignisse des letzten Jahres geprägt. Der Oberbürgermeister von Bukarest, Nicuşor Dan, ein unabhängiger Kandidat der Mitte, trat ausdrücklich als Kandidat des Establishments und der EU an. Gleichzeitig gelang es ihm und seinen Anhängern, seinen Konkurrenten Simion als prorussischen Kandidaten darzustellen – eine Aufgabe, die dadurch erleichtert wurde, dass sich Simion gegen die Unterstützung der ukrainischen Kriegsanstrengungen ausgesprochen hatte. Die Bemühungen, ihn als die Wahl des Kremls darzustellen, waren so erfolgreich, dass er Anfang des Monats das Bedürfnis verspürte, sich ausdrücklich als Pro-Nato- und Pro-EU-Rechtsaußen nach Art von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zu präsentieren.

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Es war nicht von Erfolg gekrönt. Wie Christian Preda, Politikprofessor an der Universität Bukarest, es ausdrückte: „Die Wähler standen vor der Wahl zwischen den Positionen des Kremls und denen Brüssels.“ Mit anderen Worten: Wähle ‚richtig‘ oder du landest unter der Fuchtel Moskaus. Verständlicherweise konnte sich eine Mehrheit der Rumänen das nicht als Alternative zum Status quo vorstellen.

Angesichts des hohen Einsatzes ist es keine Überraschung, dass die Wahlbeteiligung bei 65 Prozent lag – die höchste seit 25 Jahren. Noch bemerkenswerter ist, dass die Zahl der Stimmen von Rumänen im Ausland mit fast zwei Millionen ein Rekordniveau erreichte. Es ist wahrscheinlich, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil dieser Stimmen von Menschen, die anderswo in der EU leben und arbeiten, für Dan, den Pro-EU-Kandidaten, abgegeben wurde.

Es gibt keine Zweifel an der Legitimität der Wahl, auch wenn Simion das zunächst behauptet hatte, bevor er einen Rückzieher machte. Dennoch bleibt ein Gefühl der Ungerechtigkeit zurück. Die Rumänen haben vor sechs Monaten ihren demokratischen Willen zum Ausdruck gebracht. Und weil er den rumänischen Regierungseliten und ihren EU-Unterstützern nicht gefiel, wurde ihr Wille missachtet. Sie wurden aufgefordert, erneut zu wählen, und zwar in einer Wahl, die ganz anders aussah und sich auch ganz anders anfühlte als die für das letzte Jahr angesetzte.

Die EU-Spitzen mögen versuchen zu behaupten, dass die Rumänen sich für die EU „entschieden“ hätten. Dass sie endlich die ‚richtige‘ Wahl getroffen hätten. Aber zu welchem Preis für die Demokratie?


Tim Black ist Kolumnist bei Spiked. Mehr von Tim Black lesen Sie lesen Sie in dem aktuellen Buch „Die sortierte Gesellschaft: Zur Kritik der Identitätspolitik“.

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Kommentare ( 16 )

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Teiresias
1 Monat her

Bei der Wahl 2024 hatten 33 000 Auslandsrumänen ihre Stimme abgegeben, bei der Wahl 2025 fast 2 000 000.
Plausibel?
Wirklich keine Zweifel an der Legitimität der Wahl?
Briefwahl ist auch in Deutschland ein Thema.

Last edited 1 Monat her by Teiresias
Frank1
1 Monat her
Antworten an  Teiresias

Zum einen stimmen die Zahlen stimmen, wo haben Sie die her? Zum anderen, worauf wollen Sie die hinaus? Es waren die Auslandsrumänen, die mehrheitlich für Simion gestimmt haben (Deutschland z.B. 68 %). Und schlussendlich: keine Briefwahl, die Rumänen richten immer viele Wahllokale im Ausland ein z.B. Berlin 3, Braunschweig 1, Hamburg 2, Erfurt 1, München 5, Mannheim 1, Stuttgart 2 usw. bis hin zu Neustadt an der Weinstraße (!) 1.

siebenlauter
1 Monat her

Replay ist der kleine Bruder des Great Reset.

Micky Maus
1 Monat her

Wählen bis das Ergebnis stimmt! Das gab es in Deutschland auch schon, siehe Landtagswahl in Thüringen (Ramelows Wahl mit Stimmen der AfD?) Aber das wird in Deutschland nicht mehr passieren, da im Vorfeld von irgendwelchen Wahlen schon gegen unliebsame Parteien gehetzt und Lügen verbreitet werden (siehe Verfassungsschutzbericht) und den Wählern alle Andersdenkenden als Rääächte und Nazis verkauft werden. Soviel zu demokratischen Wahlen!

Michaelis
1 Monat her

„Es gibt keine Zweifel an der Legitimität der Wahl, auch wenn Simion das zunächst behauptet hatte, bevor er einen Rückzieher machte.“
Vor 1989 war die Securitate eine teuflische Behörde, als es Ceaușescu noch gab, heute rettet sie das Land vor „russischer Einflussnahme“. Wie sich die Zeiten doch ändern.
Auch wenn Simion „einen Rückzieher machte“ – eine Veränderung der Wahlpräferenzen von rund 20 auf rund 55 Prozent ist weder aus Sicht der Statistik noch aus Sicht der Wahlforschung möglich, selbst dann nicht, wenn man dem ersten Wahlgang ausländischen Einfluss unterstellt!!!

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Selbst schuld, liebe Rumänen. Dann halt mehr Bürokratie und weniger Wohlstand. Wem es gefällt…

Britsch
1 Monat her

EU weite Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit. immer mehr hin zur totalitären Diktatur

R.Baehr
1 Monat her

Nur zu, die Rumänen werden schon noch sehen, was sie sich da zusammengewählt haben. Das einzige Wachstum in der EU haben deren ihre gigantischen Schuldentürme, mal schauen, was ist, wenn das Finanzsystem kollabiert. Die EU entwickelt sich immer mehr in eine Gesinnungs- und Meinungsdiktatur von Brüssels Gnaden, aber scheinbar ist der Wähler europaweit einfach zu beschränkt um das zu verstehen und wählt seinen eigenen Untergang. Macron, v.d.L. und Konsorten, mir graut vor dieser sogenannten selbsternannten Elite.

ketzerlehrling
1 Monat her

Das hätten sich die Osteuropäer nicht träumen lassen, dass ihr Traum von Freiheit nach 35 Jahren platzt.

Haba Orwell
1 Monat her

> Moskau mag durchaus versucht haben, die Wahlen im letzten Jahr durch Propaganda in den sozialen Medien zu beeinflussen.

Je mehr Ansichten von verschiedenen Seiten, desto umfassender wird man informiert. Das hilft, bewusste Entscheidungen zu treffen.

Als ob westliche Propaganda abwesend wäre…

Janosik
1 Monat her

Also ich fühle mich komisch. Als ich jung war, hatte ich kaum was und durfte bestimmte Dinge zB in der Schule gar nicht offen sagen. Das änderte sich, das Land wurde reicher und die Beschränkungen verschwanden. Jetzt bewegen wir und genau in die falsche Richtung: zurück.
Wäre ich dabei junger, wäre es schön. Einziges was verschwindet sind nun die Bürgerrechte, Wohlstand und Frieden. Regel basierte Ordnung muss wohl so sein wenn sie dir Werte des Westens realisiert.
Die damalige Propaganda über korrupten, Blut durstigen und degenerierten Westen wird gerade wahr. Damals lachten wir alle über sie.

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Janosik

> Die damalige Propaganda über korrupten, Blut durstigen und degenerierten Westen wird gerade wahr. Damals lachten wir alle über sie.

Damals hat sich der Westen vielleicht vorsichtiger benommen. Mit dem „Ende der Geschichte“ Fukuyamas vermeintlich ohne jegliche Alternative sind sämtliche Hemmungen gefallen.