Rackete: Staatsanwaltschaft Agrigent gegen Richterin

Die Staatsanwaltschaft nimmt die Freisprechung der Carola Rackete durch Alessandra Vella (in erster Instanz) detailliert auseinander. Sie plädiert darauf, dass der obere italienische Gerichtshof darüber zu entscheiden habe, weil eklatant gegen Recht und Gesetze verstoßen wurde.

GIOVANNI ISOLINO/AFP/Getty Images
Chief prosecutor of the Sicilian city of Agrigento, Luigi Patronaggio (C) addresses the media on July 1, 2019 after the German captain of humanitarian ship Sea-Watch 3 appeared before the court in Agrigento, Sicily.

Carola Rackete ist vorerst in Deutschland auf freiem Fuß, wird es wohl auch bleiben und rehabilitiert sich gerade mit der Geschäftsführung der Sea-Watch quasi selbst in ihrer Auffassung von Recht. Dass sie überhaupt von einer Inhaftierung verschont blieb – oder einem längeren Arrest entgangen ist, verdankt sie allein einer Richterin auf Sizilien, Alessandra Vella.

Liest man die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft von Agrigent, vertreten durch Luigi Patronaggio und dessen Stellvertreterin Gloria Andreoli, die eindeutig ausfällt, dann dürfte es für die weitere Karriere von Alessandra Vella nach dem Fall um Racketes Freilassung etwas schwieriger bestellt sein. Richterin Vella, so scheint es, habe nur aufgrund eigener persönlicher Gefühlslage und aus Angst vor der Meinung der Weltöffentlichkeit entschieden, wie sie entschieden hat. Die Richterin zeigte ihr großes Herz oder – wie Carola Rackete damals meinte – habe erkannt, „dass kein Unrecht“ begangen wurde. Viele Italiener vertreten die Auffassung, dass bei der Urteilsfindung von Vella mehr Herzschmerz und Gefühle überwogen haben als Recht und Gesetz.

Racketes Verhalten „unzulässiger Gewaltakt“
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Generalstaatsanwalt Petronaggio will hier auch die Jurisprudenz verteidigen. Kurz und knapp geht aus den mehreren hundert Seiten hervor: die Freilassung war nicht rechtens, ja, sogar ein großer „Fehler“. Die Gesetze wurden falsch gelesen und – welch eine Kritik an einem Richter – auch falsch ausgelegt. So entschied Richterin Vella, wohl auch unter Druck stehend, für eine Freilassung und kreierte mit dieser schnellen Entscheidung eine neue Legende; die der Carola Rackete mit hehren Zielen, die der zwei verschiedenen Welten bestehend aus den guten Rettern und Unterstützern – und den anderen, den bösen, weil realistischen Menschen.

Die Staatsanwaltschaft nimmt die Freisprechung der Carola Rackete durch Alessandra Vella (in erster Instanz) detailliert auseinander. Sie plädiert darauf, dass der obere italienische Gerichtshof darüber zu entscheiden habe, weil eklatant gegen Recht und Gesetze verstoßen wurde. Diese einfach getroffene Entscheidung habe das Gesetz und das anschließende Urteil „trivialisiert“. Daten und Fakten seien einfach nicht berücksichtigt worden, aus welchem Grund auch immer. Es wurde ein Urteil gefällt, das eigentlich sogar über die Befugnisse eines Richters hinausgegangen sei.

Dass das Patrouillenboot der Zollfahnder nicht als Militärboot berücksichtigt wurde, sei ebenfalls nicht rechtens. Eben dieses Motorboot, das gegen den Kai geschlagen wurde und beinahe fünf Menschenleben gekostet hätte, wurde in der Urteilsfindung quasi unterschlagen.

Unfreiwillige Klarheit
Außenamtlich: keine Flüchtlinge
Ziemlich am Anfang des umfangreichen Textes, geht es in der Berufungsschrift so weiter, dass die These Richterin Vellas, „die Pflicht zur Rettung und Unterstützung der Schiffbrüchigen“ die oberste Priorität hatte, fachlich demontiert wird. Es sei zumindest fragwürdig, wie sich die Richterin mit einer ganzen Reihe von Einschätzungen zum Verhalten von Carola Rackete befasst und ihre Argumente ganz einfach und „zum größten Teil“ auf die Erklärungen der Verdächtigen (also Rackete) gestützt habe.

Die Berufung setzt sich auch mit der Tatsache auseinander, dass sich Rackete sogar über die Entscheidung des Gerichtshofes der EU hinweggesetzt habe und zudem 15 Tage nicht willens war, eine Lösung zu finden. Fakt sei außerdem (und dies sei ebenfalls von der Richterin unterschlagen worden), dass die Migranten vor Lampedusa „keiner unmittelbaren Gefahr für ihr Leben und ihre Sicherheit“ mehr ausgesetzt waren.

Kurz zusammengefasst – für Richterin Vella in der Gesamtheit eine Reihe von Tiefschlägen, die auch eindeutig belegen, dass die Deutsche das Leben nicht nur der Migranten unnötig in Gefahr brachte, sondern auch das der Zollfahnder auf dem Motorboot.

Richterin Vellas Entscheidung wird komplett auseinandergenommen, sie sei widersprüchlich sowie falsch und unzureichend begründet worden. Statt eines vernünftigen und geräuschlosen Urteils hat sie somit den Medienrummel erst recht entfacht.

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Kommentare ( 68 )

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68 Comments
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GiTa
4 Jahre her

Zitat: … so scheint es, habe nur aufgrund eigener persönlicher Gefühlslage und aus Angst vor der Meinung der Weltöffentlichkeit entschieden …. Ich habe den Text der Staatsanwaltschaft von Agrigent gelesen und muss sagen, dass ich kein Konzept von „Meinung der Weltöffentlichkeit“ gefunden habe, wie im Artikel berichtet. Staatsanwalt Patronaggio, in seinem Text ist sehr technisch und synthetisch. Er kritisiert vor allem, dass Richterin Vella, die Gesetze größtenteils ausgelegt habe. Einer der wichtigsten Aspekte bei der Befreiung von Frau Rackete, war die Beflaggung der Schiffe der Finanzpolizei. Richterin Vella zufolge sind die Schiffe der Finanzpolizei keine Kriegsschiffe. Für die Staatsanwaltschaft von… Mehr

Ka. Karger
4 Jahre her

„mehr Herzschmerz und Gefühle überwogen haben als Recht und Gesetz“. Das ist grunsätzlich der Fall, wenn es um Migration geht. Seit Merkel gehören Gesetzesüberschreitungen und Mißachtung bestehender Gesetze zum guten Ton. Der Mitleidswahn hat nicht nur den Rechtsstaat zerstört, sondern unser ganzes Land. Mitleid ist auch das einzige „Argument“, die illegale Invasion zur Legalen zu erklären. Mitleid verhindert jede sachliche und faktische Diskussion und macht eine Lösung unmöglich. Im Jahr 1992 wurden die umstrittenen „Spiegelneuronen“ entdeckt, die bei Affen und Menschen angeblich das Mitleid ermöglichen. Ihr Entdecker, der italienische Neurophysiologe war Vittorio Gallese. Da die Spiegelneuronen bei mir und vielen… Mehr

wayfour84
4 Jahre her

Generalstaatsanwalt Petronaggio stellt Recht über Moral und fühlt sich seinen Landsleuten und nicht einer „Vernunft“ oder Moral der heutigen Tugendwächter verpflichtet. Ich habe großen Respekt vor diesem Mann. Möge er Gehör finden und Erfolg haben!
So jemand gehört in Deutschland bei ähnlich öffentlich wirksamen Fällen zur aussterbenden Art, denn die Scharen von Karrieristen und Tugendwächtern in der deutschen Jusitz, begleitet vom Tugendterror aus Medien- und Erziehungsanstalten in Deutschland bekämpfen ähnlich respektable Persönlichkeiten im Auftrag einer höheren, täglich neu „verhandelten“ Moral.

FlyingHorse
4 Jahre her
Antworten an  wayfour84


In Deutschland ist die Staatsanwaltschaft der politischen Weisung unterstellt und für die Richter gibt es ohnehin keine praktischen Konsequenzen. Bei Richtern geht man von gerechten Menschen aus. Idealismus halt.

Robert Tiel
4 Jahre her

Vielleicht fand im Hintergrund ein Deal statt?
Italien wurde doch ab genau dem Zeitpunkt nicht mehr sein Haushalt vorgeworfen – irgendwas war da.
Dann wäre Salvini doppelter Gewinner: Den Streit mit der EU beigelegt und die Emotionen wegen der Freilassung zu seinen Gunsten hochgekocht.
Dann hätte Rackete jemand ganz anderen gerettet. Ob ihr das klar ist?

Achso
4 Jahre her

Warum durften Frauen früher nicht wählen ?

The Angry Ossel
4 Jahre her

In einem von Wessis beherrschten Schland undenkbar.

drnikon
4 Jahre her

Zwei Gründe vermute ich für das Fehlverhalten des weiblichen Richters. Entweder jeder für sich oder in Kombination.
1. Quotenrichterin, also ihr Südpol war entscheidender Grund für ihre Einstellung. Nicht selten sind Quotenfrauen eher dem linken Spektrum zuzuordnen.
2. Korruption aus Reihe der neureichen Soros und Co Aktivisten

Stefan L.
4 Jahre her

Tja, das würde ich mir in Dtl auch mal wünschen, dass die StA diverse richterliche Entscheidungen so auseinander nimmt, samt der betreffenden Personalie…

theaterdonner
4 Jahre her
Antworten an  Stefan L.

Richterliche Entscheidungen hinterher mit markigen Statements medienwirksam auseinandernehmen? Kann man haben. Was ändert das am Urteil? Rein gar nichts. Aber die Masse hat einen herrlichen Aufreger: „Denen hat man’s aber mal so richtig gesagt! Ist doch wahr, und wo kämen wir denn da hin?“

Und nun das Wetter …

theaterdonner
4 Jahre her
Antworten an  theaterdonner

Zum besseren Verständnis meines Posts: ich finde das Urteil rechtlich unhaltbar. Allerdings erscheint der ganze Vorgang von vornherein abgekartet.

FAZ am 19.07.: „Rückkehr aus Italien: Die Kapitänin der „Sea-Watch 3“, Carola Rackete, kehrt nach Deutschland zurück. Der italienische Innenminister greift sie wieder verbal an.“

Herr Robert Tiel hat in seinem Post weiter oben alles gesagt.

Merkelfan3000
4 Jahre her

Diese sogenannten Richter, insbesondere *innen, verstehen sich viel zu oft als politische Akteure. Die Politik müsste diesen Tendenzen durch Mindeststrafmaße und eindeutige Regelungen bei Wiederholungsfällen (3 Strikes) entgegenwirken.

„Die Justiz hat sich zu einem Paradies für Frauen entwickelt“, sagt Ex-ARD-Moderator Joachim Wagner („Panorama“) in einem Einspieler über die lahme Arbeit der Gerichte, „weil man den Arbeitsplatz und die Arbeitszeit weitgehend frei bestimmen kann. Das hat die Folge, dass wir eine Feminisierung der Justiz haben. Man spricht bösartig bereits von einer Vergrundschulung.“

https://www.bild.de/politik/inland/hart-aber-fair/hart-aber-fair-talk-kritik-54868914.bild.html

schukow
4 Jahre her

Die Entlassung der Aktivistin in ihr Heimatland gibt der italienischen Justiz die Möglichkeit, den Fall nun ohne Beteiligung und Einmischung eines anderen Staates zu verhandeln. Ob dann Frau Rackete am Ende im Loch hockt oder hier frei im Irrenhaus herumläuft, ist für die Gesamtsituation letztlich irrelevant. Entscheidend ist ja, daß die Einbahnstraße der Masseneinwanderung erst einmal geschlossen und später wieder geöffnet wird, wenngleich in umgekehrter Fahrtrichtung.