Milei wird in Madrid gefeiert – und eckt ordentlich an

Der argentinische Präsident Javier Milei war eigens angereist, um die Sozialisten der neuen EU zu geißeln. Das gelang. Die spanische Regierung spricht von einem „Frontalangriff auf unsere Demokratie“. Dabei ging es doch nur um Premier Sánchez und seine Frau.

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Der argentinische Präsident Javier Milei, Madrid, Spanien, 19.05.2024

Von der „bemerkenswerten Euphorie der Teilnehmer“ beim großen Wahlkampfauftakt der spanischen Vox schreibt El Mundo. Mit der Energie eines Rockstars sei Javier Milei auf die Bühne des Palacio Vistalegre in Madrid getreten. Und mit der Energie eines Rockkonzertpublikums haben die Zuhörer auf ihn reagiert. Laut Welt waren es rund 11.000 Teilnehmer aus Europa, den USA und Lateinamerika.

Später ging Milei auf die mutmaßliche Korruption der Frau von Premierminister Pedro Sánchez ein und forderte den Premier zu einem „persönlichen Gespräch“ (cara a cara, face to face) heraus. Er glaubt freilich nicht daran, dass es stattfinden wird. Sánchez hat Milei bis heute nicht zu seinem Wahlsieg gratuliert und bezeichnet den libertären Ökonomen als Teil der „extremen Rechten“ oder „reaktionär“. Der spanische Transportminister Óscar Puente unterstellte derweil, dass Milei gewisse „Substanzen“ nutze.

Aquí tienen a Sánchez y a todo su gobierno llamando @JMilei fascista, llamando a votar por Massa, insultando y difamando a Milei, antes de… pic.twitter.com/eEWcsHVine

— Emmanuel Rincón (@EmmaRincon) May 20, 2024

„Sozialismus führt zu Sklaverei und Tod“

Der frei redende Milei begann seine Rede mit der „ewigen Bruderschaft“ zwischen Spaniern und Argentiniern und sprach dann über die Weltwirtschaftsgeschichte, den Kapitalismus und die wirtschaftliche Entwicklung Argentiniens, und das mit vielen Zahlen, Daten und Fakten, so die konservative Tageszeitung El Mundo. Mit Verve hielt Milei fest: „Vergesst niemals, dass die verdammten Sozialisten 150 Millionen Menschen ermordet haben. (…) Sozialismus führt notwendigerweise zu Sklaverei und Tod. Die Tür zum Sozialismus zu öffnen, bedeutet, den Tod einzuladen.“ Milei, der sich als „Anarchokapitalist“ sieht, sagte auch: „Die Funktion des Staates, wenn er existiert, besteht darin, das Leben, das Eigentum und die Freiheiten des Einzelnen zu verteidigen.“

Das sind bekannte Elemente aus Mileis Denken. Und warum sollte man eigentlich nicht den Systemvergleich einmal von der „rechten“ Seite führen? Die Linke setzt sich praktisch ständig gegenüber dem Kapitalismus ab und betont, wie viel menschlicher der Sozialismus oder Kommunismus angeblich wäre. Die geschichtlichen Daten stimmen nicht unbedingt mit dieser Annahme überein, egal ob man in die Sowjetunion Stalins, nach Kuba, Nordkorea oder Venezuela blickt.

Gleich danach folgte Mileis langsamer Anflug auf den spanischen Premier und die Affäre rund um dessen Ehefrau. Die „globalen Eliten“ würden nicht erkennen, wie „zerstörerisch es sein kann, die Ideen des Sozialismus umzusetzen“, weil sie zu weit weg seien. Sie wüssten gar nicht, „welche Art von Menschen sie an die Macht bringen und welches Ausmaß an Missbrauch sie erzeugen“. Und offenbar mit spöttischem Ton fügte Milei hier an: „Ich meine … nehmen wir an, einer hat eine korrupte Frau und nimmt sich fünf Tage Zeit, darüber nachzudenken.“

Regierung reagiert explosiv auf Mileis Kritik

Dieser letzte Halbsatz wurde natürlich sofort als maskierter Angriff auf Pedro Sánchez und seine Ehefrau-Affäre verstanden. Der Marketingexpertin Begoña Gómez wird von der Organisation „Manos Limpias“ (Saubere Hände) vorgeworfen, die Stellung ihres Mannes für eigene Geschäfte ausgenutzt zu haben. Gómez hat unter anderem für Banken und sogenannte „Nichtregierungsorganisationen“ (NGO) gearbeitet.

Libertäres Experiment
Inflation: Milei erfüllt erstes Wahlversprechen
Es geht um Vorwürfe der Korruption und Einflussnahme, die möglicherweise auch den Premier betreffen. Nichts Genaues ist darüber bekannt. Ende April nahm sich Sánchez eine Auszeit von fünf Tagen, um über seinen Rücktritt nachzudenken, den er am Ende aber unterließ. Eines ist sicher: Sànchez wird nicht über die Kampagne der „Rechten“ gegen ihn nachgedacht haben, die er zwar beklagte, die ihm aber nicht den Schlaf geraubt haben dürfte. Viel eher wird man sich überlegt haben, ob und wie tief Sánchez in die Affäre seiner Frau verwoben ist und ob man das öffentlich bestreiten kann, auch wenn es eigentlich so ist.

Die spanische Regierung reagierte explosiv auf die Andeutung Mileis. Die spanische Botschafterin in Buenos Aires wurde auf unbestimmte Zeit zurückgerufen. Außenminister José Manuel Albares jaulte auf, dass Präsident Milei „Spanien und den spanischen Ministerpräsidenten bei einem Besuch in Spanien beleidigt“ habe. Das sei ein „Frontalangriff auf unsere Demokratie, auf unsere Institutionen und auf Spanien“. Die spanische Demokratie besteht offenbar aus zwei Teilen: Pedro Sánchez und seiner Frau. Denn nur die wurden von Milei angegriffen.

„Der Kulturkampf ist eine unveräußerliche Verpflichtung“

Derlei Vorhaltungen hatte Milei in seiner Rede schon vorweggenommen und erwidert: „Ich schere mich einen Dreck um die Meinung der Linken. Sie sagen zu mir: Wie kann man so über andere internationale Staatsoberhäupter sprechen? Ich sage: Der Kulturkampf ist eine unveräußerliche Verpflichtung.“

In den Tagen zuvor hatten Anführer verschiedener Rechtsparteien an einem Wochenende der Kundgebungen in Madrid teilgenommen, darunter Marine Le Pen, der Portugiese André Ventura, der Chilene José Antonio Kast, Giorgia Meloni wurde aus Rom live zugeschaltet und konnte Berichten zufolge das Feuer entfachen, das bei Le Pens Live-Auftritt fehlte. Sie kritisierte unter anderem, dass nun auch das Kinderkriegen als umweltschädlich gebrandmarkt werde. Man habe die Pflicht, bis zum letzten Tag des Wahlkampfs zu kämpfen: „Ohne die Konservativen ist kein Wandel in Europa möglich.“

Auch von Viktor Orbán gab es eine Videobotschaft, in der der Ungar zum gemeinsamen Kampf gegen die „massenhafte illegale Immigration“ und das Gift der „Gender-Propaganda“ aufrief. Orbán endete mit seinem bekannten Schluss: „Patrioten müssen Brüssel besetzen, wenn wir Europas Grenzen verteidigen wollen.“

Und auch der israelische Minister für Diaspora und Kampf gegen Antisemitismus, Amichai Chikli, nahm an der Vox-Veranstaltung teil und beklagte, dass der spanische Premier Sánchez die Hamas „für ihr Massaker belohnen“ wolle. Das war noch vor dem symmetrischen Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs gegen Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und drei Hamas-Anführer.

Vox-Chef Abascal teilt gegen „Linke und feige Rechte“ aus

Vox-Chef Santiago Abascal kritisierte die Politik der „Progressiven, der Linken, der Roten, der Sozialisten und der feigen und komplexbeladenen Rechten“ in Europa mit klaren Worten: „An einem Tag beklagen sie die neueste humanitäre Tragödie aufgrund des Untergangs eines Schlauchboots im Mittelmeer, am nächsten Tag zahlen sie neue Subventionen an NGOs, die mit anderen zusammenarbeiten, damit mehr Boote kommen können.“

„Wie ist es möglich, dass wir sie noch nicht rausgeschmissen haben?“, fragte Abascal, bevor er selbst antwortete: „Weil es einen feigen rechten Betrüger gibt.“ Gemeint ist die Mitte-Rechts-Partei PP: „An einem Tag demonstriert sie gegen diese Regierung und am nächsten Tag bettelt sie um einen Pakt.“

In Brüssel aber seien Partido Popular (PP) und die sozialistische PSOE enge Partner in einer Art Koalition, rief Abascal empört aus. Diese Koalition beschließe die übergroße Mehrheit der Auflagen, die dann die Spanier zu erfüllen hätten. Und daneben widme sich auch der PP „von ganzem Herzen dem Angriff auf Vox, mit allen Mitteln“, so wie es auch der Argentinier Milei – dank der gemeinsamen Sprache – von jenseits des Atlantiks feststellen konnte.

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