Forderungen nach einem europaweiten Verbot der Nutzung sozialer Medien für Kinder – wie die „digitale Volljährigkeit“ des französischen Präsidenten Macron – sind ein Angriff auf Elternrechte. Von Joanna Williams

Die heutigen Teenager sind ein Haufen Tugendbolde. Im Vergleich zu früheren Generationen rauchen sie seltener, trinken weniger Alkohol und haben seltener Sex. Ihr einziges Laster scheint es zu sein, dass sie Zeit in den sozialen Medien verbringen. Forschern zufolge loggen sich heute fast alle Teenager täglich ein, wobei viele von ihrer fast ununterbrochenen Nutzung von Apps wie TikTok oder Snapchat berichten.
Doch nicht mehr lange, zumindest wenn es nach dem Willen der EU geht. Mehrere Länder drängen jetzt auf EU-weite Beschränkungen für die Nutzung sozialer Medien durch Kinder. Vergessen Sie also Mama und Papa. Bald könnte es Ursula von der Leyen sein, die „nein“ zu Instagram sagt.
Die Panik in Bezug auf Kinder und soziale Medien will einfach nicht abklingen. Die Nutzung sozialer Medien gilt als „süchtig machend“ und wird mit einer Zunahme psychischer Probleme in Verbindung gebracht, insbesondere mit Angstzuständen, Depressionen und geringem Selbstwertgefühl. Die Nutzung hat eine ganz neue Form des Missbrauchs hervorgebracht: Cybermobbing. Es heißt, es führe zu schlechterem Schlaf, schwächeren schulischen Leistungen und geringerer „Lebenszufriedenheit“. Man bringt die sozialen Medien mit einer erhöhten Rate von Selbstverletzungen bei Mädchen und „extremer Frauenfeindlichkeit“ bei Jungen in Verbindung. Jede neue Behauptung veranlasst Schulen, Technologieunternehmen, nationale Regierungen – und jetzt auch die EU – dazu, strengere Beschränkungen und Altersgrenzen für den Zugang zu sozialen Medien einzuführen.
Australien führt noch in diesem Jahr ein landesweites Verbot für Kinder ein, sich bei sozialen Medien anzumelden. Frankreich hat schon 2023 Maßnahmen verabschiedet, um Kindern unter 15 Jahren ab 2023 den Zugang zu sozialen Medien zu sperren. Der französische Präsident Emmanuel Macron prägte den Begriff der „digitalen Volljährigkeit“ zur Bezeichnung des Alters, ab dem Kinder rechtlich als reif genug für den uneingeschränkten Zugang zu sozialen Medien gelten. „Wir müssen die Kontrolle über das Leben unserer Kinder und Jugendlichen in Europa zurückgewinnen und die digitale Volljährigkeit ab dem von 15 Jahren, nicht früher, durchsetzen“, erklärte er 2024. Länder wie Spanien, Dänemark und Frankreich wollen diese Vorstellung einer „digitalen Volljährigkeit“ nun auf EU-Ebene verankern.
Aber „digitale Volljährigkeit“ ist eine unsinnige Vorstellung. Zunächst einmal schlägt niemand ernsthaft vor, dass Kinder komplett offline bleiben sollen. Seit Jahrzehnten wird uns erzählt, dass digitale Technologie das Einzige sei, was Kinder in der Schule wirklich beherrschen müssen. Teenager wurden bis gerade eben noch routinemäßig als „digital natives“ gefeiert. Ob es uns nun gefällt oder nicht, ein Großteil des Lebens findet heute online statt, und so wie Kinder in der Vergangenheit gelernt haben, Straßen zu überqueren und Briefe zu schreiben, müssen die Kinder von heute wissen, wie man das Internet nutzt.
Als Argument für das „digitale Erwachsensein“ führen manche ernsthaft an, dass die sozialen Medien sogar süchtiger machen als Zigaretten oder Alkohol. Doch der Vergleich greift zu kurz. Im Gegensatz zum Rauchen, das nachweislich Gesundheitsrisiken birgt, deren Abwägung wir Erwachsenen zutrauen, sind die „Risiken“ der Nutzung sozialer Medien weit weniger eindeutig. Wir können zwar Korrelationen zwischen der online verbrachten Zeit und dem Ausmaß an Ängsten feststellen, aber ob das eine tatsächlich das andere verursacht, ist fraglich. Schlechter Schlaf und geringere Lebenszufriedenheit sind möglicherweise nicht auf die übermäßige Nutzung sozialer Medien zurückzuführen, sondern auf das, was Jugendliche nicht tun, während sie vor dem Bildschirm sitzen, z. B. ihr Zimmer verlassen und sich mit Freunden treffen.
Obwohl sie vorgeben, auf der Seite der Eltern zu stehen, untergraben der französische Präsident Emmanuel Macron und seine EU- Pendants mit ihren Vorschlägen unweigerlich die Autorität der Erwachsenen. In der Vergangenheit haben Aktivisten, internationale NGOs und supranationale Organe wie die EU eifrig für sogenannte Kinderrechte geworben. Diese Rechte sind in der Regel Etikettenschwindel – wie etwa das „Recht“ auf umfassende Sexualerziehung. Tatsächlich nehmen sie den Eltern das Recht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Werten zu erziehen. Verbote von sozialen Medien funktionieren auf die gleiche Weise. Zu Hause sollten die Eltern und in der Schule die Lehrer den Kindern sagen, dass sie ihr Handy weglegen sollen. Überträgt man diese Verantwortung an Minister und die EU-Kommission übertragen, wird die Autorität von Eltern und Lehrern in Frage gestellt. Das schwächt die Vorstellung des Erwachsenseins an sich.
Die Verantwortung für Kinder zu übernehmen, kann für Eltern und andere Erwachsene durchaus bedeuten, die Zeit, die diese online verbringen, zu begrenzen und sie zu ermutigen, die Welt jenseits des Bildschirms zu erleben. Aber wir müssen misstrauisch sein gegenüber Ministern, die Teenager von den sozialen Medien fernhalten wollen.
Zunächst einmal fällt es schwer, dieses jüngste potenzielle Vorhaben nicht im Kontext einer weitreichenderen Panik vor sogenannter Falsch- und Desinformation zu betrachten. Aus Angst davor, dass sich die Bürger vom Mainstream-Journalismus abwenden und in den sozialen Medien frei debattieren, sind die Regierungen der Mitgliedstaaten und die EU bestrebt, eine größere Kontrolle darüber auszuüben, was uns allen online begegnet. Da sie nicht in der Lage sind, soziale Medien vollständig zu überwachen und zu kontrollieren, sehen sie in Beschränkungen für Teenager einen guten Ansatzpunkt. Nicht zuletzt, weil offenbar auch Teenager von populistischen Parteien online „verführt“ werden.
Die Panik um Teenager und soziale Medien ist zu einem Vorwand geworden, um zu kontrollieren, was Kinder online lesen können und was nicht. Seien Sie nicht überrascht, wenn sich die Obrigkeit als nächstes die Erwachsenen vorknöpft. Ihre Autorität ist längst untergraben.
Dieser Beitrag ist zuerst beim britischen Magazin spiked erschienen.
Mehr von Joanna Williams lesen sie in den Büchern „Die sortierte Gesellschaft: Zur Kritik der Identitätspolitik“ und „Schwarzes Leben, Weiße Privilegien: Zur Kritik an Black Lives Matter“. Joanna Williams ist Kolumnistin beim britischen Magazin spiked, Autor von How Woke Won und Gastwissenschaftlerin des MCC Budapest.
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Ich bin, entgegen der Meinung der Autorin, der Meinung dass ein staatliches Verbot bestimmter Internet-Inhalte für Kinder/Jugendliche bis zu einem bestimmten Alter sinnvoll sein kann.
Das wirkliche Problem aber ist, dass man dazu ALLE NUTZER zur Identitifikation bei Nutzung jugend-verbotener Internet-Dienste und -Inhalte verpflichten müsste. Das öffnete Tür und Tor zum Überwachen des Informationsverhaltens jedes einzelnen; jeder würde um „gläsernen Nutzer“. Ein Missbrauch durch Erstellen von psychologischen Profilen durch staatliche Stellen, kommerzielle Interessen und fremde Geheimdienste wäre die kaum zu verhindernde Folge. Ich fände das unerträglich.
„Man“ muß sich an der Supermarktkasse doch auch ausweisen, wenn man Alkohol erwerben möchte. Und es gibt noch viele Beispiele im Leben, wo es eine Ausweispflicht gibt. In diesem Fall würde es daher genügen das Device einmalig mit seinen biometrischen Daten zu füttern, um es hinterher für manche Anwendungen nutzen zu können. Aber wie dem auch sei. Es sind nicht nur die einzelnen Anwendungen, sondern die Geräte selber. Sie haben einen erheblichen Einfluss auf Menschen und zwar auf Jung und Alt. Und das Wesentliche dabei ist, daß wahrscheinlich 99% der Nutzungen überhaupt nicht notwendig sind. Das verhält sich aber dann… Mehr
Man muß sich beim Alkoholkauf nur dann ausweisen, wenn nicht eindeutig ersichtlich ist, ob der Käufer die Altersanforderung erfüllt.
Zudem ist eine Ausweispflicht, das einsehen und visuelle Abgleich durch eine Person, was völlig anderes, als wenn personenbezogene Daten gelesen, gespeichert und verarbeitet werden.
Und ein „Device“, welches mit biometrischen Daten „gefüttert“ und somit eindeutig zuordenbar ist, ist der feuchte Traum aller Überwachungsfanatiker.
Da können Sie sich auch gleich einen Chip implantieren lassen.
Welchen Einfluß hätten denn Eltern auf die Algorythmen von Tik-Tok? Die EUler ärgern sich über den Einfluß von China und den USA, die zumindest potentiell über die Algorythmen Einfluß auf Jugendliche und öffentliche Meinung nehmen können. Angesichts der eigenen digitalen Impotenz rufen sie deshalb nach Verboten. Ob man schon Kinder, die sich in der realen Welt erst noch zurechtsozialisieren müssen, bereits den virtuellen Scheinwelten auf social media aussetzen muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Man sieht ständig Beispiele von jungen Mädchen, die sich bereits die Lippen aufspritzen oder die Nase korrigieren lassen, um dem Insta-Filter auf ihrem Profilbild ähnlich… Mehr
Eltern, die selbst ununterbrochen am Handy datteln, sollen darüber entscheiden, ob ihre Kindern ununterbrochen am Handy datteln.
Vielleicht wäre das Verbot ein guter Beitrag dazu, dass sich Eltern mal wieder mit ihren Kindern beschäftigen, statt sie schon im Grundschulalter der „Obhut“ von TikTok, Instagramm, WhatsApp und Co. zu übergeben. Das könnte für viele Eltern, wenn diese sich plötzlich nicht mehr mit voller Konzentration ihrer ganz gewiß äußerst wichtigen Kommunikation widmen können, schwieriger als für die Kinder werden.
Bald könnte es Ursula von der Leyen sein, die „nein“ zu Instagram sagt.
Das ist zum ersten mal etwas vernünftiges, was ich von dieser Frau vernehmen darf!
Zitat 1: „Mehrere Länder drängen jetzt auf EU-weite Beschränkungen für die Nutzung sozialer Medien durch Kinder. Vergessen Sie also Mama und Papa. Bald könnte es Ursula von der Leyen sein, die „nein“ zu Instagram sagt.“ > Hahaha….. -Jau, nach „Mama Merkel“, kommt nun „Mama Uschi“ -….fehlt dann noch ein „Papa xxxx“ -vielleicht „Papa Daniel(Cohn-Bendit)? Anstatt dass sich die in EU-Brüssel herrschenden Pseudodemokraten um ihren eigenen Krams und Schmutz kümmern und ihre -zum Teil gar auch schmutzigen- „Grabbeln“ bei sich behalten, haben sie ihre „Grabbeln“ stattdessen immer öfter und tiefer da und bei denen, wo es sie nun gar nix anzugehen… Mehr
Nicht die Eltern, sondern der Gesetzgeber entscheidet darüber, ab wann Kinder Alkohol trinken oder Zigaretten rauchen dürfen. Es sind auch nicht die Eltern, sondern der Gesetzgeber, der darüber entscheidet wieviele Stunden Kinder arbeiten dürfen. Und – zum Glück sind es auch nicht die Eltern, sondern der Gesetzgeber, der entscheidet ab wann und ob überhaupt, Kinder heiraten dürfen, oder ab wann und ob überhaupt sie Sex haben dürfen. Immer wenn etwas schädlich für die körperliche oder psychische Gesundheit von Kindern ist, dann entscheidet der Gesetzgeber. Der dauerhafte Gebrauch eines Handys kann nun einmal für Kinder sehr schädlich sein, deshalb finde ich… Mehr
Unfug, das tut der Gesetzgeber nicht. Der Gesetzgeber schränkt lediglich ein, ab welchem Alter man Zigaretten und Alkohol kaufen darf, er schränkt den öffentlichen Konsum in Teilen ein, er bestimmt aber keinesfalls, ab welchem Alter Menschen Rauchen, Trinken, Sex haben oder ein digitale Device nutzen.
Vielleicht würde er es gerne, können tut er es nicht. Die Eltern übrigens auch nicht. Zumindest nicht, ohne die Kinder einzusperren oder unter permanente Kontrolle zu stellen. Und selbst dann wäre ein solches Verbot nur durch (ebenfalls vom Gesetzgeber verbotene) Gewalt durchsetzbar.